OGH 6Ob118/07g

OGH6Ob118/07g21.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen die beklagte Partei Peter G*****, vertreten durch Dr. Gertraud Irlinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 4.841,29, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2006, GZ 1 R 95/05a-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 28. Februar 2006, GZ 2 C 755/05a-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 485,80 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung einer vom Arbeitsmarktservice Wien für die Einstellung eines Dienstnehmers im Rahmen der Eingliederungsbeihilfe-Aktion „Come Back" erbrachten Förderung. Rückforderungsgrund sei die Nichtvorlage der Endabrechnung zur Kontrolle der widmungsgemäßen Verwendung der Förderung. Das Erstgericht gab der Klage statt. Dabei ging es im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Am 13. 11. 2002 beantragte die G***** KEG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte war, die Gewährung einer Eingliederungsbeihilfe - Aktion „Come Back" - für den Zeitraum 15. 10. 2002 bis 14. 5. 2003. Die Förderungswerberin verpflichtete sich unter anderem, dem Arbeitsmarktservice zum Zweck der Prüfung der widmungsgemäßen Verwendung jederzeit Einsicht in sämtliche diese Beihilfe betreffenden Unterlagen zu gewähren, erforderliche Auskünfte zu erteilen und Kopien des Lohnkontos bis spätestens drei Monate nach Ende des Förderungszeitraums (spätestens jedoch drei Monate nach vorzeitigem Ende des Arbeitsverhältnisses) vorzulegen, da andernfalls keine Beihilfe ausbezahlt werden könne bzw bereits ausbezahlte Beihilfenbeträge rückgefordert werden müssten.

In der Förderungszusage wurde die Förderungswerberin nochmals darauf hingewiesen, dass, wenn nicht spätestens drei Monate nach Ende des Förderungszeitraums das Lohnkonto vorgelegt werde, das Arbeitsmarktservice gezwungen sei, die Beihilfenauszahlung einzustellen sowie allfällige bereits ausbezahlte Beihilfenbeträge zurückzufordern.

Insgesamt zahlte das AMS Wien im Namen und auf Rechnung der klagenden Partei der G***** KEG einen Förderungsteilbetrag von EUR 4.841,29 für den Zeitraum 15. 10. 2002 bis 14. 1. 2003. Gegen Ende des Förderungszeitraums übersandte das AMS Wien der G***** KEG ein Erinnerungsschreiben, worin erinnert wurde, dass mit 14. 5. 2003 der Förderungszeitraum ende und bis 14. 8. 2003 die Lohnkonten für den Dienstnehmer vorzulegen seien.

Am 16. 6. 2003 faxte die G***** KEG dem AMS Wien ein Begleitschreiben samt Lohnkonten. Diese langten dort jedoch nicht ein. Mit Schreiben vom 8. 4. 2004 teilte das AMS Wien der G***** KEG mit, trotz Aufforderung seien die Unterlagen bis heute nicht beim zuständigen AMS Wien eingelangt. Aus diesem Grund müsse der bereits bezahlte Beihilfenbetrag rückgefordert werden.

Am 26. 4. 2004 faxte man seitens der G***** KEG der klagenden Partei vier leere Seiten. Am 28. 4. 2004 erhielt das AMS Wien die betreffenden Lohnkonten.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Förderungswerberin sich nach Pkt 6 der „Verpflichtungserklärung" verpflichtet habe, Kopien des Lohnkontos bis spätestens drei Monate nach Ende des Förderungszeitraums vorzulegen, widrigenfalls die ausbezahlten Beihilfebeträge zurückgefordert werden müssten. Das Risiko des rechtzeitigen Einlangens der Unterlagen beim AMS liege auf Grund der Verpflichtungserklärung beim Beklagten.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Zwar werde in Pkt 6 der Verpflichtungserklärung ausgeführt, dass bereits ausbezahlte Beihilfenbeträge rückgefordert werden müssten, wenn Kopien des Lohnkontos nicht bis spätestens drei Monate nach Ende des Förderungszeitraums vorgelegt werden; jedoch normiere Pkt 8 des zweiten Teils der Verpflichtungserklärung, dass nur im Fall einer Beihilfengewährung auf Grund falscher Angaben, vorsätzlich bzw grob fahrlässig gemachter unwahrer Angaben oder Verschweigung maßgeblicher Tatsachen, die empfangenen Beihilfenbeträge zurückzuzahlen seien. Der Beklagte habe im gegenständlichen Fall unbestrittenermaßen seine Förderungsleistung zur Gänze erbracht. Eine Vereinbarung, wonach ein Förderungswerber eine solche Beihilfe zur Gänze zurückzuzahlen habe, nur weil Kopien des Lohnkontos ohne jedes Verschulden des Beklagten nicht beim AMS einlangten, wäre wohl als sittenwidrig, jedenfalls aber als gröblich benachteiligend anzusehen und könne nicht dem Willen eines redlichen Erklärungsempfängers unterstellt werden. Auch im Zusammenhang mit dem österreichischen Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPul 2000) habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 8/06d auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen hingewiesen. Selbst wenn man die Verpflichtungserklärung des AMS Wien in ihrer Gesamtheit als Vereinbarung eines pauschalierten Schadenersatzes für den Fall der Nichtvorlage von Kopien des Lohnkontos ansehe, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Die Vertragsstrafe sei im Zweifel nur dann zu entrichten, wenn den Schuldner an der Nichterfüllung ein Verschulden treffe. Ein derartiges Verschulden sei jedoch im vorliegenden Fall nicht zu erblicken, habe doch „die Beklagte" einen positiven Sendebericht in Händen gehabt.

Mit Beschluss vom 12. 3. 2007 sprach das Berufungsgericht in Abänderung seines früheren Zulässigkeitsausspruchs aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zur maßgeblichen Rechtsfrage bestehe keine explizite höchstgerichtliche Entscheidung. Es sei davon auszugehen, dass die Rückforderung derartiger Beihilfen oftmals strittig sei und die gegenständliche Verpflichtungserklärung auch in anderen Fällen verwendet wurde.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Möglichkeit der Rückforderung einer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags gewährten Förderung bestimmt sich nach dem Inhalt der Vereinbarung, hängt also von der Auslegung des Förderungsvertrags ab (RIS-Justiz RS0117564).

2. Im vorliegenden Fall hat die Förderungswerberin der vertraglich übernommenen Verpflichtung, spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ende des Förderungszeitraums eine Kopie des Lohnkontos zu übermitteln, jedenfalls nicht entsprochen. Dies würde auch dann gelten, wenn man - wie das Berufungsgericht - ohne entsprechende Grundlage in den erstgerichtlichen Feststellungen davon ausginge, dass die Förderungswerberin eine positive Sendebestätigung in Händen hielte. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung reist ein Telefax auf Gefahr des Versenders (Born, Übermittlungsrisiko beim Telefax, RdW 1995, 131; Rummel in Rummel, ABGB3 § 862a Rz 3; Rummel, ÖBA 1996, 77; JBl 1999, 252; ebenso für eine Telefaxeingabe an das Gericht 7 Ob 94/04f = SZ 2004/84). Anderes würde nur bei einer erwiesenen Störung des Empfangsgeräts gelten, weil diese in den Risikobereich des Empfängers fällt (Rummel in Rummel, ABGB3 § 862a Rz 3 mwN).

3. Die Verpflichtung zur Vorlage des Lohnkontos ist auch durchaus sachgerecht, ermöglicht doch nur diese dem AMS die Überprüfung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Förderung. Weil dieser Zweck nur durch tatsächlichen Zugang der Unterlagen erreicht werden kann, ist in der Auslegung der Förderungsvereinbarung durch das Erstgericht weder eine Sittenwidrigkeit noch eine gröbliche Benachteiligung der Förderungswerberin zu erblicken. Auch für eine Qualifikation der Rückzahlungsverpflichtung als Vertragsstrafe besteht nicht der geringste Anlass, hat doch die Nichteinhaltung der vereinbarungsgemäß übernommenen Verpflichtungen durch die Förderungswerberin bloß den Wegfall der gewissermaßen als „Gegenleistung" gewährten Förderung und somit die Rückzahlungspflicht, nicht aber eine darüber hinausgehende Sanktion zur Folge. Im Übrigen wäre es der Förderungswerberin frei gestanden, sich durch entsprechende Nachfrage beim AMS vom Eingang der Unterlagen zu vergewissern.

4.1. Auch aus der Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob 11/06z bildenden Bestimmung des § 38 AMSG ist für den Rechtsstandpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen. Nach dieser Bestimmung ist anlässlich der Gewährung einer Beihilfe zu vereinbaren, dass der Empfänger einer Beihilfe, der ihren Bezug vorsätzlich oder grob fahrlässig durch unwahre Angaben oder Verschweigung maßgeblicher Tatsachen herbeigeführt hat, zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet ist (§ 38 Abs 1 AMSG). Nach § 38 Abs 2 AMSG können Forderungen auf Ersatz unberechtigt bezogener Beihilfen oder unberechtigt bezogener Leistungen nach dem ArbeitslosenversicherungsG 1977 auf Beihilfen mit der Maßgabe aufgerechnet werden, dass dem Empfänger die Hälfte der Leistung frei bleiben muss.

4.2. Diese Bestimmung entspricht wörtlich dem bisherigen § 24 Abs 4 und 5 AMFG (Erläut RV AMSG 1468 18. GP 39). Die entsprechenden Regelungen des AMFG wurden ihrerseits mit der 13. Novelle zum AMFG BGBl 1987/616 eingefügt. Nach den Materialien zu dieser Novelle (283 BlgNR 17. GP 7) soll durch diese Bestimmungen hinsichtlich der Rückforderung von Individualbeihilfen und von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung dieselbe Regelung wie im ArbeitslosenversicherungsG vorgesehen werden. Daraus ergibt sich aber zweifelsfrei die Absicht des historischen Gesetzgebers, wonach die Aufrechnungsbeschränkung lediglich für Individualbeihilfen Geltung haben sollte. Dies ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen, zeigt doch die Beschränkung lediglich der Aufrechenbarkeit (nicht der Rückforderbarkeit als solcher), dass der Gesetzgeber damit offenbar den laufenden Lebensunterhalt des Förderungsempfängers sicherstellen will. Diese Überlegung lässt sich aber auf ein Unternehmen, das Förderungen bezieht, nicht übertragen.

4.3. Im Übrigen kann § 38 Abs 1 AMSG auch als Umschreibung lediglich des Mindestumfangs der zu vereinbarenden Sanktionen verstanden werden, die einer weitergehenden Absicherung der Erfüllung der vom Förderungswerber übernommenen Verpflichtungen durch die Vereinbarung weiterer Rückforderungsfälle nicht entgegensteht. Eine derartige vertragliche effektive Sanktionsbewehrung der auch im öffentlichen Interesse dringend gebotenen Überprüfung der widmungsgemäßen Verwendung der Förderung ist im Sinne der vorstehenden Ausführungen jedenfalls zulässig. Somit kann aus § 38 AMSG keine Beschränkung des Rückforderungsanspruchs der klagenden Partei abgeleitet werden. Damit war aber in Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes das zutreffende Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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