European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00107.23P.0628.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
2. Der „Nachtrag zum außerordentlichen Revisionsrekurs“ des Vaters vom 24. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Begründung:
Zu 1.:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Obsorgeentscheidungen sind regelmäßig einzelfallbezogen zu treffen und werfen grundsätzlich keine Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RS0007101). Dies gilt ebenso für die vom Vater aufgeworfenen Fragen der Zukunftsprognose (RS0048632) sowie des für die gemeinsame Obsorge erforderlichen Mindestmaßes an Kooperationsbereitschaft (RS0130248 [T2]). Revisibel wäre daher nur eine krasse Fehlbeurteilung der zweiten Instanz, die hier nicht vorliegt.
[2] 1.2. Eine negative Zukunftsprognose kann auch implizit getroffen werden, wenn die Feststellungen dafür ausreichen (RS0048632 [T16]). Weiters hat nach ständiger Rechtsprechung kein Wechsel der Pflegeverhältnisse und Erziehungsverhältnisse stattzufinden, wenn keine sicheren Prognosen über den Einfluss eines Obsorgewechsels vorliegen (RS0048632 [T6]). Das Erstgericht hat im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – vom Rekursgericht gebilligt – nachvollziehbar dargelegt, inwiefern durch eine gemeinsame Obsorge aufgrund der „fordernden Art“ des Vaters das Kindeswohl beeinträchtigt werden könnte; es hat somit implizit durchaus eine negative Zukunftsprognose gestellt. Zutreffend haben die Vorinstanzen auf die vergleichbare Situation im Fall 1 Ob 241/16x verwiesen.
[3] 1.3. Auch angesichts der Feststellungen (von denen das Rechtsmittel abweicht) über die aktuell (noch) bestehende mangelnde Kooperations‑ und Kommunikationsbereitschaft der Eltern kann in der (derzeitigen) Verweigerung der Einräumung der gemeinsamen Obsorge durch das Rekursgericht keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.
Zu 2.:
[4] Der Schriftsatz des Vaters vom 24. 5. 2023 verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels (RS0007007).
[5] Davon abgesehen ist der darin erhobene Vorwurf, an der gegenständlichen wie an einigen früheren Rekursentscheidungen im vorliegenden Pflegschaftsverfahren habe ein namentlich genannter, erfolgreich abgelehnter Richter mitgewirkt, unberechtigt: Dieser Richter hatte sich in drei Rechtsmittelverfahren, die im Jahr 2021 beim Rekursgericht angefallen waren, für befangen erklärt, weil die jeweils bekämpften Entscheidungen von seiner Ehegattin als zuständiger Erstrichterin gefasst worden waren. Sämtliche vom Vater genannten Rekursentscheidungen aus den Jahren 2022 und 2023, an denen dieser Richter mitgewirkt hatte, betrafen aber bekämpfte Entscheidungen, die – offenbar nach einem Richterwechsel beim Erstgericht – nicht von der Ehefrau des Richters gefällt worden waren. Der vom Richter ursprünglich angegebene Befangenheitsgrund lag daher nicht mehr vor.
[6] Auch ein Fall des § 20 JN liegt nicht vor: Die Bestimmung betrifft – anders als hier – den Fall der Ausgeschlossenheit eines Richters, wenn er selbst oder einer der dort genannten Angehörigen oder Verwandten Partei eines Verfahrens ist. § 20 Abs 2 JN regelt den Fall, dass das Naheverhältnis aufgelöst wird (zB durch Ehescheidung, vgl Ballon in Fasching/Konecny 3 § 20 JN Rz 12/1), nicht aber den hier vorliegenden Fall des Richterwechsels in erster Instanz, wodurch die Konstellation, dass ein Richter in zweiter Instanz an der Überprüfung einer erstinstanzlichen Entscheidung seiner Ehegattin mitwirken müsste, beseitigt wurde.
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