OGH 6Nd512/01

OGH6Nd512/0116.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dorda, Brugger & Jordis, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei N*****, vertreten durch Dr. Irene Welser, Rechtsanwältin in Wien, wegen 500.000 US-Dollar, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Erledigung dieser Rechtssache wird das Handelsgericht Wien als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Text

Begründung

Mit ihrer am 8. 7. 1998 beim Handelsgericht Wien zu 19 Cg 58/98w eingebrachten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte, die ihren Sitz in Usbekistan hat, schuldig zu erkennen, 500.000 US-Dollar an eine namentlich bezeichnete Firma in Usbekistan zu zahlen. Die Klägerin habe die B***** AG mit der Erstellung eines Dokumentenakkreditivs zunächst zugunsten einer bestimmten usbekistanischen Kolchose und zuletzt zugunsten eines anderen usbekistanischen Unternehmens beauftragt. Die B***** AG habe ihrerseits die Beklagte mit der Durchführung des Akkreditivauftrages betraut. Die Beklagte habe sich geweigert, den Akkreditivauftrag durchzuführen, obwohl ihr der Betrag bereits am 27. 7. 1995 gutgeschrieben worden sei. Die B***** AG habe der Klägerin die Ansprüche gegen die Beklagte abgetreten. Die Klägerin gründete die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes einerseits auf § 99 JN, weil die Beklagte Inhaberin mehrerer Konten, unter anderem des Kontos 126.181.956/00, bei der B***** AG sei, die der Besicherung von Akkreditivaufträgen dienten. Daraus stünden der Beklagten den Klagebetrag übersteigende Forderungen zu. Andererseits sei zwischen der Beklagten und der B***** AG der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 88 JN) vereinbart worden.

Hilfsweise stellte die Klägerin den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge gemäß § 28 Abs 1 JN das Handelsgericht Wien als zur Entscheidung zuständiges Gericht bestimmen. Der Klägerin sei die Rechtsdurchsetzung in der usbekistanischen Republik wegen Mangels einer objektiven Rechtsprechung nicht zumutbar. Ein österreichisches Urteil würde der Klägerin eine Exekutionsmöglichkeit gegen die Beklagte eröffnen, die innerhalb der Staaten der Europäischen Union Vermögen besitze.

Die Beklagte erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzuständigkeit des Handelsgerichtes Wien. Sie beantragte weiters die Abweisung des Ordinationsantrages. Das Handelsgericht Wien sprach seine Unzuständigkeit aus. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Der Oberste Gerichtshof wies den dagegen erhoben außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin zurück (1 Ob 4/02y). Nach rechtskräftiger Verneinung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ist daher über den hilfsweise gestellten, zweckmäßiger Weise beim Handelsgericht Wien eingebrachten (vgl 4 Nd 505/94) Ordinationsantrag zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Die begehrte Ordination setzt nach § 28 Abs 1 Z 2 JN voraus, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre, dass also dort die Jurisdiktion aus rechtlichen oder faktischen Gründen verweigert würde (4 Nd 505/94 mwN). Die Klägerin hat diese Voraussetzung hinlänglich dargetan. Sie hat in ihrem Ordinationsantrag zu Recht darauf hingewiesen, dass die Zustellung der Klage trotz etwa zwei Jahre währender Bemühungen unter Einschaltung der österreichischen Botschaft in Moskau und der dortigen usbekistanischen Vertretungsbehörde nicht gelungen ist. Sie hat überdies durch ein - wenn auch eine andere Angelegenheit betreffendes - Schreiben der Botschaft der Ungarischen Republik ("Zur Zeit bestimmt der Präsidentenapparat, wen er zum Schadenersatz zwingt ...") belegt, dass Bedenken an einer politisch unabhängigen Rechtsprechung angezeigt sind. Die Klage wurde übrigens bis heute - also mehr als dreieinhalb Jahre nach ihrer Einbringung - nicht zugestellt; die Beklagte wird durch eine zur Abwesenheitskuratorin bestellte bestellte österreichische Rechtsanwältin vertreten. Auch wenn es der Klägerin im Zuständigkeitsstreit infolge des Bankgeheimnisses nicht gelungen ist, das Vorhandensein von Vermögen der Beklagten in Österreich konkret nachzuweisen, ist doch ihrer Argumentation im Ordinationsantrag beizupflichten, dass sie mit einem österreichischen Urteil auf Forderungen der Beklagten aufgrund in Österreich bestehender Konten - zumindest auf jenes, dessen genaue Bezeichnung der Klägerin bekannt ist - Zugriff erlangen könne. An der Behauptung der Klägerin, dass entsprechende Guthaben der Beklagten auf österreichischen Konten vorhanden sein müssten, besteht im Hinblick auf die Bereitschaft österreichischer Banken zu der in der Klage dargestellten Geschäftsabwicklung kein erheblicher Grund zu Zweifeln. Ein in Usbekistan erwirktes Urteil könnte mangels eines Vollstreckungsabkommens in Österreich nicht vollzogen werden. Ein in Österreich erwirktes Urteil ist im Hinblick auf die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Beklagte über Guthaben bei österreichischen Banken verfügt, keineswegs bloß ein "wertloses Stück Papier", und zwar unabhängig davon, ob es in Usbekistan vollstreckt werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hat zwar bereits mehrmals ausgesprochen, dass es nicht Sache der österreichischen Justiz sei, ein umfangreiches Verfahren durchzuführen, wenn fast alles dafür spreche, dass das Ergebnis nur ein wertloses Schriftstück sein könne (RIS-Justiz RS0046593). Durch die hier nicht auszuschließende Möglichkeit des exekutiven Zugriffes auf Vermögen der Beklagten in Österreich unterscheidet sich der vorliegende Fall aber entscheidend von jenem Sachverhalt, der die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Nd 509/87 (= JBl 1988, 322 - Honorarklage gegen in Großbritannien wohnende Beklagte) zugrundelag, auf die sich die Beklagte in ihrer Stellungnahme gegen den Ordinationsantrag berufen hat, wie auch von den in RIS-Justiz RS0046593 ausgewiesenen Fällen (Klagen gegen die UDSSR aus dem Reakterunfall von Tschernobil; gegen die CSFR auf Unterlassung der Errichtung eines Atomkraftwerkes; vgl auch Matscher in Fasching2 I § 28 JN Rz 40 ff, 69, 70 ff). Dem Ordinationsantrag war daher stattzugeben.

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