Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom 10. Jänner 2005, GZ 1 P 1396/95f-S4, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Neunkirchen wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Frohnleiten vom 21. 1. 1992 im Einvernehmen (§ 55a EheG) geschieden. Im zuvor abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleich hatten die Eltern vereinbart, dass die Obsorge über die Minderjährigen der Mutter zukomme und der Vater ab 1. 2. 1992 für seine Tochter Alexandra 1.036 S und für seine Töchter Tamara und Gabriele je 1.500 S an monatlichen Unterhaltsbeiträgen zahlt. Diese Vereinbarung wurde vom Bezirksgericht Frohnleiten pflegschaftsbehördlich genehmigt.
Seit März 1992 ist das Bezirksgericht Kufstein zur Besorgung der Pflegschaftssache der Minderjährigen zuständig, nachdem die Mutter mit den Kindern in dessen Sprengel verzogen war und das Bezirksgericht Kufstein vom Bezirksgericht Frohnleiten die Zuständigkeit übernommen hatte. Das Bezirksgericht Kufstein bewilligte wiederholt auf Antrag der von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vertretenen Kinder die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, die es betreffend Alexandra mit Beschluss vom 17. 2. 2000 (ON 138),
betreffend Tamara mit Beschluss vom 8. 2. 2001 (ON 157) und
betreffend Gabriele mit Beschluss vom 28. 11. 2002 (ON 178) einstellte. Der Vater der Minderjährigen wohnt in Deutschland. Mit dem am 3. 1. 2005 beim Bezirksgericht Kufstein eingelangten Schriftsatz beantragte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein, sie als Rechtsvertreter zur Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche für Alexandra gemäß § 9 Abs 3 UVG zu entheben. Alexandra sei bis 17. 12. 2004 im Rahmen der vollen Erziehung im Landeskinderheim Axams untergebracht gewesen. Seit diesem Tag sei sie nun in Pflege und Erziehung bei der Mutter in Grünbach am Schneeberg. Diesen Antrag zog die Bezirkshauptmannschaft Kufstein wieder zurück. Mit Beschluss vom 10. 1. 2005 übertrug das Bezirksgericht Kufstein die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache betreffend alle drei Minderjährigen an das Bezirksgericht Neunkirchen, weil sich „das Kind" jetzt ständig in Grünbach am Schneeberg aufhalte. Das Bezirksgericht Neunkirchen lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung ab, dass nach Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Kufstein Gabriele und Tamara nach wie vor in Jugendwohlfahrtseinrichtungen in Tirol untergebracht seien und einer Übertragung des Teilakts betreffend Alexandra, die nun in Pflege und Erziehung der Mutter sei, nicht zugestimmt werde, da für Geschwister nur ein gemeinsamer Akt zu führen sei.
Das Bezirksgericht Kufstein legt den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen um Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Zuständigkeitsübertragung ist nicht zu genehmigen. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047074). Dabei wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (10 Nd 503/01 mwN). Eine Zuständigkeitsübertragung ist daher grundsätzlich zu genehmigen, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes in dem Sprengel eines anderen als des bisher zuständigen Bezirksgerichtes verlagert wird (10 Nd 503/01 mwN). Es entspricht nicht dem dargestellten Zweck des § 111 JN, wenn die beiden nach der Aktenlage nach wie vor in Tirol lebenden Kinder hinsichtlich des ihnen zustehenden pflegschaftsbehördlichen Schutzes an das Bezirksgericht Neunkirchen verwiesen werden. Die Übertragung der Zuständigkeit hinsichtlich Alexandra erscheint nicht sachgerecht. Deren Pflegschaftsverfahren befindet sich in der Endphase, weil sie am 30. 9. 2005 ihr 18. Lebensjahr vollenden wird. Es ist lediglich über den am 7. 3. 2005 in ihrem Namen von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als Vertreter gemäß § 9 Abs 1 UVG eingebrachten Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 1 UVG zu entscheiden. Eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Ehe sollte nach Tunlichkeit vermieden werden, weil es in der Regel zweckmäßig ist, wenn die Pflegschaft bei einem Gericht geführt wird (vgl 4 Nd 507/95; 10 Nd 503/01).
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