OGH 5Ob96/95

OGH5Ob96/9526.9.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Floßmann, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der antragstellenden Partei Dr.Elke C*****, vertreten durch Dr.Karl Freund, öffentlicher Notar in Wien, wegen Teilung eines Grundstücks der ***** unter Abschreibung des Trennstücks und Zuschreibung zum öffentlichen Gut sowie weiterer Grundbuchseintragungen, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18.Mai 1995, AZ 46 R 3012/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 1.Juli 1994, TZ 3948/94, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Liegenschaft *****, bestehend aus den Grundstücken 10/1 Garten und 218 Baufläche, steht im Miteigentum von Sigrid S***** und Dr.Elke C*****; erste hat ihren Mehrheitsanteil von 9/16 mit Schenkungsvertrag vom 3.2.1994 erworben.

Gerda S*****, die Rechtsvorgängerin der Sigrid S***** im Miteigentum an der genannten Liegenschaft, und Dr.Elke C***** haben noch gemeinsam die Einleitung einer Straßengrundabtretung laut Teilungsplan vom 7.11.1991, Bescheid des Vermessungsamtes vom 17.6.1992 und Bescheid der MA 64 vom 11.6.1992 veranlaßt; als Dr.Elke C***** am 17.6.1994, dem letzten Tag der gemäß § 39 Abs 1 VermG laufenden Frist, den gegenständlichen Grundbuchsantrag einbrachte, war allerdings schon das Anteilseigentum der Sigrid S***** verbüchert.

Auf Antrag der Minderheitseigentümerin Dr.Elke C*****, die ihr Begehren ua auf den von der MA 64 der Stadt Wien genehmigten Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.Ing.Helmuth M***** vom 7.11.1991 stützte, aber keine die Zustimmung der Sigrid S***** belegende oder ersetzende Urkunde vorlegte, sollten im jeweils betroffenen Gutsbestandsblatt des Grundbuches ***** W***** folgende Eintragungen vorgenommen werden:

1. in der ***** die Teilung des Grundstückes Nr.10/1 Garten in die Grundstücke Nr.10/1 Garten und Nr.10/8 Garten,

2. die lastenfreie Abschreibung des Grundstückes Nr.10/8 Garten vom Gutsbestand der ***** und die Zuschreibung dieses Grundstückes zum Gutsbestand der im Alleineigentum der Stadt stehenden Liegenschaft ***** des Grundbuches der KG W***** (öffentliches Gut),

3. in der EZ ***** die Ersichtlichmachung

a) der Verpflichtung zur Herstellung der Höhenlage nach Punkt 1. des Bescheides vom 11.6.1992 sowie zur Übergabe und

b) der Verpflichtung zum Kostenersatz anstelle eines Bauverbotes nach Punkt 2. des Bescheides vom 11.6.1992,

4. in der EZ ***** die Anmerkung der Bauplatzeigenschaft bei den Grundstücken Nr.10/1 und 218.

Das Erstgericht bewilligte diese Eintragungen; das von Ingrid S***** mit dem Argument einer unzureichenden Antragslegitimation der Einschreiterin angerufene Rekursgericht wies jedoch das Eintragungsbegehren aus folgenden Erwägungen ab:

Auszugehen sei davon, daß ein Miteigentümer nur über den ihm zustehenden ideellen Anteil allein verfügen könne (§ 829 ABGB). Ein Miteigentümer sei jedoch ohne Zustimmung der anderen nicht berechtigt, eine (wichtige) Veränderung vorzunehmen, wodurch über den Anteil der anderen verfügt wird (§ 828 2. Satz ABGB). Die Teilung und Abschreibung eines Grundstückes einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft ziehe regelmäßig eine wesentliche Beschränkung der Rechte des Eigentümers nach sich. Durch die Abschreibung eines Teiles der Liegenschaft und die Zuschreibung zum öffentlichen Gut werde einerseits das Recht des Miteigentümers zur Benutzung der gemeinsamen Sache geschmälert; zum anderen werde der sich aus § 830 ABGB ergebende Teilungsanspruch in seinem Umfang erheblich verändert. Hiezu komme eine unter Umständen nicht unbeträchtliche Wertverminderung des Miteigentumsanteils. Die Teilung eines gemeinschaftlichen Grundstückes stelle daher eine wesentliche Änderung im Bestand der Liegenschaft dar, welche nur mit Zustimmung sämtlicher Miteigentümer möglich sei. Folgerichtig sei lediglich die Gesamtheit aller Miteigentümer berechtigt, um die Teilung und Abschreibung eines gemeinschaftlichen Grundstückes anzusuchen (vgl RPflSlgG 432).

Aus der seinerzeitigen Veranlassung der Einleitung der Straßengrundabtretung laut vorgelegtem Teilungsplan samt Genehmigungsbescheid der MA 64 könne die Zustimmung der Sigrid S***** schon deshalb nicht abgeleitet werden, weil die Genannte erst 1994 Miteigentümerin geworden sei und ihr Einverständnis zur Grundstücksteilung nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden dürfe.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (EvBl 1966/121) bedürfe die Abschreibung einzelner Bestandteile eines Grundbuchskörpers iSd § 3 Abs 1 LiegTeilG nur dann nicht der Zustimmung aller Miteigentümer, wenn für das Trennstück eine neue Einlage eröffnet wird und die Rechte der Miteigentümer in diese neue Einlage übertragen werden. Dieser Fall liege nicht vor. Auch aus der Bestimmung des § 80 GBG sei für die Antragslegitimation der Minderheitseigentümerin nichts zu gewinnen, weil es sich bei der begehrten Teilung und Abschreibung des Grundstückes nicht um die Eintragung gemeinschaftlicher Rechte im Sinn der zitierten Gesetzesstelle handle (vgl EvBl 1947/280).

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Einer der in § 14 Abs 1 AußStrG aufgezählten Tatbestände liege vor, weil eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zu lösen gewesen sei und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den angesprochenen Fragen fehle.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht die Antragstellerin im wesentlichen geltend, daß von einer Entwertung des Miteigentumsanteils der Sigrid S***** keine Rede sein könne, weil gleichzeitig mit der Abschreibung eines kleinen Trennstücks die Baulandwidmung des Grundstücks 10/1 erfolgt sei; im übrigen müsse von einem Einverständnis der Sigrid S***** zur gegenständlichen Grundstücksteilung und Abschreibung ausgegangen werden, weil sie laut Schenkungsvertrag vom 3.2.1994 (der in der Urkundensammlung des Grundbuchs hätte aufgefunden werden können und nunmehr in Fotokopie vorgelegt werde) in alle Rechte und Pflichten der Voreigentümerin eingetreten sei und die Vorbereitung einer Flächenänderung schon bei der Verbücherung des Schenkungsvertrages dem Grundbuch hätte entnommen werden können. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses die erstinstanzliche Entscheidung wieder herzustellen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Antragslegitimation von Miteigentümern bei der Abschreibung eines Grundstückes ohne gleichzeitige Eröffnung einer neuen Einlage, in die mit dem Grundstück sämtliche Rechte der Buchberechtigten mitübertragen werden, eine veröffentlichte Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß gemäß § 828 zweiter Satz ABGB kein Teilhaber eine Änderung der gemeinschaftlichen Sache vornehmen darf, durch die über den Anteil des anderen verfügt würde. Mit der lastenfreien Übereignung eines Grundstücksteils an einen Dritten, die durch die Abschreibung des Trennstückes 10/8 vom Gutsbestand der Liegenschaft ***** und der Zuschreibung zum öffentlichen Gut der Stadt W***** eintreten würde, ist eine solche Verfügung über den Miteigentumsanteil der Sigrid S***** zweifellos verbunden, sodaß auf deren Zustimmung (oder eine diese Zustimmung ersetzende gerichtliche Entscheidung) nicht verzichtet werden konnte (idS schon 8 Ob 546/88). Der von der Judikatur dem § 3 Abs 1 LiegTeilG unterstellte Fall, daß für das abgeschriebene Grundstück eine neue Einlage eröffnet und das Miteigentumsrecht des (ansonsten zustimmungsberechtigten) anderen Teilhabers mitübertragen wird (vgl RPflSlg 888 und 940), liegt eben nicht vor.

Am Erfordernis der Zustimmung aller von der Grundstücksteilung und dem Verlust eines Trennstücks betroffenen Miteigentümer würde sich auch dann nichts ändern, wenn durch begleitende Maßnahmen - hier angeblich durch die Baulandwidmung des im Anteilseigentum verbleibenden Reststücks - ein Vermögensnachteil für den Teilungsunwilligen vermieden würde. Das Recht des Miteigentümers an der Sache geht nämlich über sein Interesse am Werterhalt hinaus. Es geht auch nicht an, ihn ohne das im Streitfall gemäß § 830 ABGB abzuführende Verfahren zur Teilung der gemeinsamen Sache zu zwingen. Das allein auf Urkunden angewiesene Grundbuchsgericht könnte gar nicht beurteilen, ob dem übergangenen Teilhaber durch die Verkleinerung der gemeinsamen Sache ein Vermögensverlust droht, und wäre auch nicht befugt, über einen möglichen Teilungsanspruch des die Abschreibung betreibenden Miteigentümers zu entscheiden. Derartige Auseinandersetzungen zwischen Miteigentümern sind im Rechtsweg auszutragen.

Ist für eine grundbücherliche Eintragung die Zustimmung des Betroffenen erforderlich, dann muß diese Zustimmung (oder eine sie ersetzende gerichtliche Entscheidung) dem Grundbuchsgericht in formell und inhaltlich einwandfreier urkundlicher Form vorliegen. Es darf die Eintragung nicht bloß auf Grund von Schlußfolgerungen bewilligen, die erst durch einen Akt auslegender Rechtsfindung aus Urkunden gewonnen werden müssen (vgl NZ 1980, 56; NZ 1986, 41 ua). Umstände, die sich nicht unmittelbar urkundlich dartun lassen, müssen daher auf dem Rechtsweg geklärt werden (vgl SZ 55/91; SZ 59/174 ua). Es bedeutet bei dieser Rechtslage eine Verkennung der grundbuchsrichterlichen Kognitionsbefugnis, wenn die Antragstellerin meint, auf die Zustimmung der Sigrid S***** komme es wegen der Erkennbarkeit einer bevorstehenden Grundstücksänderung bei der Verbücherung ihres Miteigentumsrechtes und wegen ihres rechtsgeschäftlich erklärten Eintritts in alle Rechte und Pflichten der Voreigentümerin (die selbst noch die Straßengrundabtretung betrieben hatte) gar nicht an. Ob Sigrid S***** aus diesen Erwägungen als zustimmend zu gelten hat oder die Zustimmung zur Übereignung des Grundstückes 10/8 ***** an die Stadt W***** verweigern kann, bedarf richterlicher Rechtsfindung, die dem Grundbuchsrichter verwehrt ist.

Zu Recht hat daher das Rekursgericht das Eintragungsbegehren der Antragstellerin abgewiesen.

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