Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.217,67 EUR (darin 369,01 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klägerin ist zu 320/1436 und zu 8/72 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** (Grundstücksadresse *****). Mit den 320/1436 Anteilen der Klägerin ist Wohnungseigentum an W 15 verbunden.
Die Beklagte ist zu 68864/103392 Anteilen schlichte (Mehrheits-)Miteigentümerin der bezeichneten Liegenschaft.
Die Klägerin begehrte primär die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an den beiden schlichten Miteigentumsanteilen der Streitteile durch Zivilteilung und in eventu durch Begründung von Wohnungseigentum. Im Mischhaus stehe § 35 Abs 2 WEG 2002 der Zivilteilung nicht entgegen, weil diese Bestimmung nur bestehende Wohnungseigentumsobjekte, hier also ihr Objekt W 15, schützen solle. Die Klägerin verzichte auf dieses zivilrechtliche Teilungsverbot. Die Naturalteilung durch Begründung von weiterem Wohnungseigentum sei unmöglich und untunlich. Diese würde einerseits zu einer 25-50%-igen Wertminderung der gesamten Liegenschaft führen und andererseits weise das Gebäude heterogene Einzelobjekte auf, deren insolierte Bewertung unsicher, willkürlich und aufwändig sei. Die Miteigentumsanteile der Streitteile würden nicht den Wertrelationen der verschiedenen Gebäudeobjekte entsprechen. Das Teilungsbegehren sei auch sachlich gerechtfertigt, weil der Klägerin die Aufrechterhaltung der Miteigentumsgemeinschaft nicht mehr zumutbar sei. Die Beklagte negiere beharrlich die Minderheitenrechte der Klägerin. Die Beklagte unterlasse notwendige Sanierungsmaßnahmen an allgemeinen Teilen des Hauses und sei zu keinem professionellen Umgang mit der bedeutendsten Geschäftsraummieterin in der Lage. Teilungshindernisse lägen nicht vor. Die aktuelle Wirtschaftskrise wirke sich sogar positiv auf den Immobilienmarkt aus. Insgesamt lägen hinreichende Gründe für die Beendigung des Dauerschuldverhältnisses vor, weshalb die Liegenschaftsteilung auch in direkter oder analoger Anwendung des § 36 WEG 2002 gerechtfertigt sei.
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte im Wesentlichen ein, die Zivilteilung sei nur bei Aufhebung des bereits begründeten Wohnungseigentums denkbar. Das Teilungsbegehren sei auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Zivilteilung erfolge gegebenenfalls wegen der Wirtschaftskrise zur Unzeit und zum Nachteil der Beklagten, weil mit erheblicher Inflation zu rechnen sei.
Das Erstgericht wies ohne Durchführung von Beweisaufnahmen auf der Grundlage der grundbücherlichen Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft und ausgehend vom wechselseitigen Parteivorbringen der Streitteile das auf Zivilteilung der schlichten Miteigentumsanteile gerichtete Hauptbegehren mit Teilurteil ab. Rechtlich war es der Ansicht, dass das primär erhobene Begehren auf Zivilteilung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 35 Abs 2 WEG 2002 auch dann ausgeschlossen sei, wenn auf der Liegenschaft nur teilweise Wohnungseigentum begründet sei. Nach § 36 WEG 2002 könne ein Wohnungseigentümer, aber auch ein schlichter Miteigentümer im Mischhaus auf Klage der Mehrheit der übrigen Wohnungseigentümer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden. Da aber die Beklagte Mehrheitseigentümerin sei, könne sie nicht ausgeschlossen werden und es sei außerdem fraglich, ob überhaupt Ausschließungsgründe vorlägen.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Die von der Klägerin angestrebte Zivilteilung der schlichten Miteigentumsanteile scheitere, solange die Klägerin Wohnungseigentümerin bleibe, am Ausschluss der Teilungsklage gemäß § 35 Abs 2 WEG 2002. Feststellungen zur allfälligen Unmöglichkeit der Begründung weiteren Wohnungseigentums habe es daher nicht bedurft. Ein Begehren auf Ausschluss der Beklagten aus der Gemeinschaft sei nicht Entscheidungsgegenstand.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung des § 35 Abs 2 WEG 2002 (§ 21 Abs 2 WEG 1975) lasse auch die Auslegung zu, dass die Eigentumsgemeinschaft an gemischten Objekten nur dann nicht mit Teilungsklage aufgehoben werden könne, wenn die Aufhebung dem Willen des Wohnungseigentümers zuwider laufe (vgl 5 Ob 47/01z = MietSlg 53.559 = wobl 2003/41). Zwar lege der Wortlaut des § 35 Abs 2 WEG 2002 nahe, dass die Aufhebungsklage für den Bereich des Wohnungseigentums gänzlich ausgeschlossen und nur dann zulässig sei, wenn das (einzige) Wohnungseigentumsobjekt in schlichtes Miteigentum umgewandelt worden sei. Zur Frage, ob § 35 Abs 2 WEG 2002 in Fallkonstellationen, in denen der einzige Wohnungseigentümer der Zivilteilung der schlichten Miteigentumsanteile zustimme, teleologisch reduziert werden könne, habe aber der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht Stellung genommen.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die ordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des auf Zivilteilung der schlichten Miteigentumsanteile gerichteten Hauptbegehrens. Hilfsweise stellt die Klägern auch einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dieser keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Die Klägerin geht in ihrer Revision weiterhin von der Zulässigkeit der Zivilteilung der schlichten Miteigentumsanteile aus. Sie stützt sich dabei zunächst auf die von T. Hausmann (wobl 2009, 281 [Glosse]) gegen die Entscheidung 5 Ob 12/09i (= wobl 2009/130, 280) vorgetragene Kritik, wonach die von der Rechtsprechung für zulässig erachtete Wohnungseigentumsbegründung an der Restliegenschaft durch Realteilung auch durch Einzelschritte ermöglicht werden sollte. Für die Zulässigkeit der Zivilteilung im vorliegenden Fall spreche auch der Zweck des § 35 Abs 2 WEG 2002, welcher dem Schutz des Wohnungseigentums, nicht aber jenem des schlichten Miteigentümers diene. Die teleologische Reduktion des § 35 Abs 2 WEG 2002 könne im vorliegenden Kontext gerade das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Zurückdrängung von Mischhäusern fördern und eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung der Teilungsmöglichkeiten im schlichten Miteigentum an einer Liegenschaft einerseits und bei Mischhäusern andererseits verhindern, wozu andernfalls die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens angeregt werde. Den Entscheidungen der Vorinstanzen hafte außerdem deshalb ein sekundärer Feststellungsmangel an, weil die Frage der Unmöglichkeit weiterer Wohnungseigentumsbegründung ungeprüft geblieben sei. Gleiches gelte für das Vorliegen der von der Klägerin behaupteten, aber ebenfalls nicht geprüften Ausschließungsgründe, habe sich die Klägerin zur Rechtfertigung ihres Begehrens doch ausdrücklich auch auf § 36 WEG 2002 gestützt.
Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:
1.1. Nach § 3 Abs 2 WEG 2002 ist die Begründung von Wohnungseigentum nur zulässig, wenn sie sich auf alle wohnungseigentumstauglichen Objekte bezieht, die nach der Widmung der Miteigentümer als Wohnungseigentumsobjekte vorgesehen sind. Damit soll in „Neufällen“, also bei Wohnungseigentumsbegründung nach dem In-Kraft-Treten des WEG 2002 - abgesehen von dem (mit der WRN 2006 ausdrücklich vorgesehenen) Sonderfall des § 43 Abs 1 WEG 2002 - Wohnungseigentum nur noch an allen gewidmeten Objekten begründbar und damit die Neuschaffung von sogenannten Mischhäusern ausgeschlossen sein.
1.2. Im Fall eines vor dem In-Kraft-Treten des WEG 2002 begründeten Mischhauses, bei dem der Eigentümergemeinschaft noch schlichte Miteigentümer angehören, ist gemäß § 56 Abs 12 letzter Satz WEG 2002 die in § 2 Abs 2 Z 1 zweiter Halbsatz WEG 1975 vorgesehene Beschränkung des Rechts eines Wohnungseigentümers auf Verweigerung der Zustimmung zur weiteren Begründung von Wohnungseigentum nach dem 30. Juni 2002 sowohl auf Wohnungseigentümer als auch auf schlichte Miteigentümer anzuwenden.
1.3. Aus dem Kontext dieser Bestimmungen wird klar, dass der Gesetzgeber einerseits die Schaffung neuer Mischhäuser ausschließen wollte und andererseits die Notwendigkeit der rechtlichen Berücksichtigung noch bestehender Mischhäuser erkannt hat. Bei dieser Sachlage verbietet sich eine Schlussfolgerung dahin, die Vorschrift des § 35 Abs 2 WEG 2002 über die Unzulässigkeit der Teilung bis zum Erlöschen des auf der Liegenschaft begründeten Wohnungseigentums gelte für eine Zivilteilung nur der schlichten Miteigentumsanteile generell nicht (vgl 5 Ob 12/09i = wobl 2009/103, 280 [Hausmann] = JBl 2010, 117 = EvBl 2010/12, 83 = immolex 2010/29, 92). Ein solches Verständnis würde eindeutig dem insoweit uneingeschränkten Gesetzeswortlaut des § 35 Abs 2 WEG 2002 widersprechen. Es mag zwar, wie die Klägerin hervorhebt, zutreffen, dass § 35 Abs 2 WEG 2002 den Schutz bestehenden Wohnungseigentums bezweckt, doch kann allein dieser Normzweck nicht eine dem Wortlaut des Gesetzes eindeutig widersprechende, eine generelle Ausnahme begründende Auslegung rechtfertigen (vgl RIS-Justiz RS0008765 [T2]) und § 35 Abs 2 WEG 2002 stellt überdies zwingendes Recht dar, ist somit auch dem von der Klägerin angebotenen „Verzicht“ auf die Anwendung dieser Bestimmung nicht zugänglich.
2. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 5 Ob 68/07x (= EvBl 2007/127, 695 = immolex 2007/126, 242 = JBl 2007, 728 = wobl 2008/37, 106 [Oberhofer] = MietSlg 59.391 = SZ 2007/54) zu einer teleologischen Reduktion des § 35 Abs 2 WEG 2002 in einem Fall gefunden, in dem die Aufhebung der Gemeinschaft an den im schlichten Miteigentum der Liegenschaft stehenden Anteile durch Begründung von Wohnungseigentum angestrebt war. Dieses Begehren erwies sich in einschränkender Auslegung des § 35 Abs 2 WEG 2002 deshalb als zulässig, weil die „Realteilung“ durch weitere Wohnungseigentumsbegründung in Wahrheit die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht aufhob, sondern (nur) in anderer Form befestigte und überdies - unmittelbar - der Intention folgte, Mischhäuser zu beseitigen. Alle diese - eine teleologische Reduktion des § 35 Abs 2 WEG 2002 rechtfertigenden - Umstände liegen aber im hier gegebenen Fall nicht vor:
3. Die Zivilteilung führt - im Unterschied zur „Realteilung“ durch Wohnungseigentumsbegründung - tatsächlich zur Aufhebung des Miteigentums und setzt gerade voraus, dass - entsprechend dem eigenen Prozessvorbringen der Klägerin - eine „Realteilung“ durch weitere Wohnungseigentumsbegründung zugunsten der bisherigen Miteigentümer ausgeschlossen ist. Schließlich ist auch nach Feilbietung der schlichten Miteigentumsanteile die von T. Hausmann (Miscellen zum WEG 2002, wobl 2002, 212 [215]) angesprochene Möglichkeit, „dass der verbleibende (alleinige) schlichte Miteigentümer zügig die 'Restparifizierung' der Liegenschaft in Angriff nehmen (wird)“, zwar gegeben, deren Wahrnehmung aber keineswegs gesichert. Nach dem eigenen Prozessvorbringen der Klägerin ist eine solche weitere Wohnungseigentumsbegründung im vorliegenden Fall sogar äußerst unwahrscheinlich, behauptet diese doch eine daraus resultierende 25-50%-ige Wertminderung der gesamten Liegenschaft.
Insgesamt liegen daher - de lege lata - keine zureichenden Gründe vor, die im gegebenen Fall im Wege einer einschränkenden Auslegung des § 35 Abs 2 WEG 2002 die von der Klägerin angestrebte Zivilteilung (nur) der schlichten Miteigentumsanteile zuzulassen.
Auf die allfällige Berechtigung des Eventualbegehrens ist hier nicht einzugehen.
4. Der erkennende Senat teilt auch nicht die von der Klägerin relevierten verfassungsrechtlichen Bedenken. Schlichtes Miteigentum und Wohnungseigentum unterscheiden sich durch unterschiedliche Bindungsintensität, was auch andere Arten der Teilung rechtfertigt. Dass der Gesetzgeber dabei die im Grenzbereich dieser Rechtsinstitute liegende, ohnehin nicht mehr neu begründbare Sonderform der „Mischhäuser“ tendenziell den wohnungseigentumsrechtlichen Regelungen unterwirft, was in einzelnen Punkten zu gewissen Erschwernissen bei der Verkehrsfähigkeit der schlichten Miteigentumsanteile führen mag, erscheint verfassungsrechtlich nicht bedenklich.
5. Den von der Klägerin letztlich behaupteten Gründen für einen Ausschluss der Beklagten ist nicht nachzugehen, hat die Klägerin doch kein darauf gerichtetes Begehren erhoben und ersetzen allenfalls vorliegende Ausschließungsgründe nicht fehlende Teilungsvoraussetzungen.
Die Revision ist somit nicht berechtigt.
6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO.
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