OGH 5Ob76/06x

OGH5Ob76/06x30.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Anita J*****, geboren am *****, wohnhaft bei der Mutter Agnieska J*****, die Mutter vertreten durch Dr. Elisabeth Constanze Schaller, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Zenon J*****, vertreten durch Dr. Robert Brande, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Februar 2006, GZ 45 R 691/05h-90, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in diesem Verfahren zu 5 Ob 100/04y dargelegt, dass nach Art 13 lit b des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung die Verpflichtung zur sofortigen Rückgabe des Kindes nur dann nicht besteht, wenn der Elternteil, der sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist, dass die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage bringt. Maßgebliches Kriterium des Art 13 Abs 1 lit b des Übereinkommens ist das Kindeswohl. Dem Übereinkommen liegt der Gedanke zugrunde, dass die Rückführung des Kindes dessen Wohl dient, weil es das wirkliche Opfer der Entführung ist und Kindesentführungen durch dieses Übereinkommen verhindert werden sollen RIS-Justiz RS0106455).

Ob das Kindeswohl mit der Rückführung gefährdet ist oder nicht, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0112662). Die Rückgabe des Kindes kann vom angerufenen Gericht unter anderem dann abgelehnt werden, wenn sich das Kind widersetzt und ein Alter und eine Reife erreicht hat, angesichts deren es angebracht erscheint, seine Meinung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0074552). Im erläuternden Bericht zum Übereinkommen wurde festgehalten, dass den Kindern eine Möglichkeit gegeben werden solle, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Die Bemühungen, zu einer Einigung über ein Mindestalter, von dem an die Absicht des Kindes berücksichtigt werden könnte, zu gelangen, seien fehlgeschlagen, da alle Zahlen einen künstlichen, wenn nicht willkürlichen Charakter hätten und es daher besser erscheine, die Anwendung dieser Bestimmung dem Ermessen der zuständigen Behörde zu überlassen (2 Ob 537/92). Die Rückgabe des Kindes hat zu unterbleiben, wenn sie mit einer schwerwiegenden psychischen Gefährdung verbunden wäre, und zwar auch dann, wenn die Gefährdung erst durch einen längeren Aufenthalt im Verbringungsland verursacht worden wäre (RIS-Justiz RS0074565). Dem konkreten Kindeswohl kommt immer der Vorrang vor dem vom Übereinkommen angestrebten Ziel, Kindesentführungen ganz allgemein zu verhindern, zu (vgl RIS-Justiz RS0106455; RS0106456).

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, dass es der behauptungs- und beweisbelasteten (vgl RIS-Justiz RS0074561) Mutter gelungen sei, ein Rückführungshindernis darzulegen, hält sich im Rahmen der zitierten Judikatur. Es steht fest, dass das seelische und körperliche Wohl der Minderjährigen bei der Rückgabe an den Vater massiv gefährdet wäre und dass die Minderjährige selbst, die sehr verständig und ihren Willen zu äußern in der Lage ist, die Rückkehr zum Vater nach Polen ablehnt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor. Der Vater hätte die Möglichkeit gehabt, seinen Beitrag zur Beweisaufnahme zu leisten, nahm diese jedoch nicht wahr. Er erschien weder beim Gericht noch beim Gutachter. Die pauschale Begründung, die Mutter habe ihn „mit dem Umbringen" bedroht, ist zusammenhanglos, nicht objektiviert und erklärt nicht, warum sich der Vater einer persönlichen Kontaktaufnahme mit dem Gericht in welcher Form immer entzogen hat.

Es wurden insgesamt keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

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