Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.263,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 543,04 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist seit 1986 Hauptmieterin des den klagenden Parteien gehörigen Wohnhauses Mauthausen, Hinterholz 6, samt dem daneben befindlichen Gebäude, in dem Holz gelagert wird. Von 1967 bis zum Tode ihres Ehemannes im Jahr 1984 und im Anschluß daran bis etwa Mitte 1986 waren zwei Räume des Wohnhauses vom Mietvertrag nicht umfaßt. Die Grundfläche des Wohnhauses beträgt etwa 84 m2. Im Obergeschoß befinden sich zwei über eine Zugstiege erreichbare Mansardenzimmer. Nach dem Tode ihres Mannes ließ die Beklagte auf ihre Kosten die Küche erneuern und ein Bad einbauen. Die klagenden Parteien kündigten der Beklagten "alle Wohn- und Nebenräume des Einfamilienhauses, Holzlage und Gartenbenützung" unter Geltendmachung der Kündigungsgründe des § 30 Abs 1 und 2 Z 8 lit a MRG wegen Eigenbedarfes für ihre Tochter (beabsichtigte Verehelichung und Hausstandsgründung in diesem Einfamilienhaus) zum 31. März 1989 auf.
Die Beklagte erhob Einwendungen und bestritt das Vorliegen eines für die Annahme dringenden Eigenbedarfes erforderlichen Notstandes. Dem Wohnbedarf einer zweiten Familie könnte durch Umverteilung der Räume im Haus der Vermieter entsprochen werden. Außerdem liege ein Kündigungsverzicht vor.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt im wesentlichen noch folgende, für das Revisionsverfahren noch bedeutsame Feststellungen:
Waltraud N***, eine Tochter der klagenden Parteien, beabsichtigt nach Ablegung der Lehramtsprüfung ihren Freund Josef I*** zu heiraten. Die Brautleute wohnen getrennt, Waltraud N*** bei ihren Eltern, Josef I*** bei seinem Vater in einer 70 m2 großen Mietwohnung. Die Verlobten sowie die Eltern des Bräutigams haben weder Grundbesitz noch eine Eigentumswohnung. Die klagenden Parteien sind Eigentümer der Liegenschaft Mauthausen, Hinterholz 3, einer 12,2 ha großen Landwirtschaft mit einem aus einem Wohntrakt und einem Wirtschaftstrakt bestehenden Bauernhaus. Der zweigeschoßige Wohntrakt mit einer (Wohn)Fläche von rund 74 m2 und 72 m2 wird derzeit von den klagenden Parteien und ihren beiden Töchtern Waltraud und Maria N***, der Pächterin des Bauernhofes, bewohnt. Einer Schwester des Erstklägers, die noch ledig ist und als Pfarrersköchin außer Haus wohnt, steht aufgrund des Übergabsvertrages vom 17.5.1962 für die Zeit ihres ledigen Standes ein Wohnrecht an einem im Parterre des Wohntraktes gelegenen, nur durch die Hausstube erreichbaren Raum sowie an einem darüber im ersten Stock rechts vom Stiegenaufgang befindlichen, bloß 2 m hohen, derzeit zur Lagerung von Getreide verwendeten Wohnraumes zu; sie hat auf ihr Wohnrecht nicht verzichtet und hat in den Räumen Möbel stehen. Der Wirtschaftstrakt mit einem Stall mit 15 Rindern, 15 Schweinen und 26 Hühnern ist voll ausgenützt. In diesem Trakt gibt es ein WC. Im ersten Stock des Wohntraktes wird ein Zimmer als Getreidespeicher verwendet, ein weiteres Zimmer dient als Speisekammer und zur Lagerung landwirtschaftlicher Produkte, in einer Kammer werden Schweine tranchiert, weiters ist eine Selchkammer vorhanden. Im ersten Stock dieses Traktes hat die Tochter Maria N*** ein eigenes ca 15 m2 großes Zimmer und daneben Waltraud ein Zimmer in der Größe von etwa 10 m2. Im selben Stockwerk, neben dem der Schwester des Erstklägers zustehenden Raum haben die klagenden Parteien ihr Schlafzimmer (ca 20 m2). Im ersten Stock ist noch ein WC (das einzige im Wohntrakt) und eine Waschgelegenheit mit Waschbecken vorhanden. Im Parterre des Wohntraktes befinden sich folgende Räume: Ein Waschraum ohne WC; daneben ein Badezimmer mit einer Badewanne, eine ca 8 m2 große Küche - die einzige im Wohntrakt -, ein etwa 20 m2 großes Wohnzimmer, das Zimmer (ca 10 m2), das der Schwester des Erstklägers zur Verfügung stehen muß, in dem sich derzeit Schulsachen der Tochter Waltraud befinden, ein Arbeitsraum (ca 15 m2) zum Nähen und für ähnliche Zwecke, sowie ein etwa 7 m2 großer Eßraum. Schließlich ist noch ein als Preßhaus verwendeter Raum vorhanden. Anläßlich des Begräbnisses des Ehegatten der Beklagten kam es beim Totenmahl zu einem Gespräch zwischen dem Erstkläger und Verwandten der Beklagten, bei dem der Erstkläger sagte, die Beklagte könne im Mietobjekt bleiben, solange sie lebe oder solange sie wolle. Die Beklagte hat Teile dieses Gespräches von ihrem entfernteren Sitz mitgehört. Zu einem direkten Gespräch zwischen den Parteien, in dem die klagenden Parteien der Beklagten das Wohnen im Mietobjekt auf Lebensdauer oder solange sie wolle, zugesicherte hätten, ist es nicht gekommen.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Äußerung des Erstklägers zu Verwandten der Beklagten beim Totenmahl keine Grundlage für die Annahme biete, die klagenden Parteien hätten gegenüber der Beklagten eine verbindliche Erklärung abgeben wollen; eine rechtlich bindende Zusage der klagenden Parteien bezüglich der Dauer des Mietverhältnisses liege daher nicht vor. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 8 MRG sei gegeben, weil die Tochter der klagenden Parteien heiraten und einen Hausstand gründen wolle und daher eine Wohnung benötige; da auch unter Berücksichtigung der Neuverteilung der Räume im Haus Hinterholz 3 für die Verlobten nur eine Wohnfläche von ca 25 m2 zur Verfügung gestellt werden könnte, liege ein wohnungsmäßiger Notstand auf der Vermieterseite durch den Wohnbedarf der genannten Tochter vor, zumal eine solche Wohnfläche auch im Lichte der in wirtschaftlich schlechten Zeiten ergangenen Rechtsprechung unzumutbar erscheine. Eine Interessenabwägung habe zu entfallen, weil es sich um ein Einfamilienhaus handle. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und erachtete die in der Berufung erhobene Rechtsrüge aus denselben Gründen wie das Erstgericht als nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen dieses berufungsgerichtliche Urteil aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.
In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Revisionswerberin in erster Linie gegen die Annahme der Vorinstanzen, es handle sich hier um ein Einfamilienhaus. Der Oberste Gerichtshof ist sowohl bei der Auslegung des Begriffes Haus in den §§ 17 und 18 MRG von der Rechtsprechung zu § 4 Abs 1 und § 7 MG ausgegangen, wonach unter Haus grundsätzlich alle vermieteten Teile eines Grundbuchskörpers zu verstehen waren; es war jedoch auch damals schon eine Ausnahme von dieser Regel in den Fällen zu machen, in denen mehrere Gebäude vorhanden waren, die zueinander nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebensache standen und von denen jedes für sich allein eine wirtschaftlich selbständige Sache bildete, so daß die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine Gleichstellung aller auf einem Grundbuchskörper errichteten Bauwerke unbillig erscheinen ließen (MietSlg 38.379 samt Hinweis auf Rechtsprechung und Lehre; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 17 MRG). Diese Grundsätze gelten auch für die Auslegung des Begriffes Einfamilienhaus oder Wohnhaus iS der §§ 1 Abs 4 Z 2, 29 Abs 1 Z 3,
2. Fall und 30 Abs 2 Z 8 lit a MRG. Bei Vermietung eines ausschließlich Wohnzwecken dienenden Gebäudes auf einer Liegenschaft, die ansonsten einer Landwirtschaft dient und auf der außerdem noch (noch dazu auf einem im Grundbuch ebenfalls aus Baufläche gesondert ausgewiesenen Grundstück) ein vom Betriebsinhaber und seiner Familie benütztes Wohngebäude und ein Wirtschaftsgebäude vorhanden sind, wäre es unbillig, alle auf der Liegenschaft (auf verschiedenen Grundstücken) vorhandene Gebäude als Einheit zu betrachten. Die Vorinstanzen haben daher mit Recht dem Umstand, daß das von der Beklagten gemietete Haus nach der allgemeinen Verkehrsauffassung (vgl Würth-Zingher, aaO, Rz 50 zu § 30 MRG) eine gesonderte wirtschaftliche Einheit bildet, mehr Bedeutung beigemessen als der Grundbuchseinlage. Da die Beklagte seit 1986 das gesamte, bloß eine Wohneinheit umfassende Gebäude gemietet hat, kann in der Qualifikation des Bestandgegenstandes als Einfamilienhaus durch die Vorinstanzen und deren Annahme, die Abwägung der beiderseitigen Interessen habe nach § 30 Abs 2 Z 8 lit a MRG zu entfallen, kein Rechtsirrtum erblickt werden. Es entspricht wohl der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß bei Beurteilung der Frage des dringenden Eigenbedarfes nach wie vor ein strenger Maßstab anzulegen und der Kündigungsgrund des dringenden Eigenbedarfes nur dann gegeben ist, wenn auf Seite des Vermieters für diesen selbst oder für dessen Verwandte in absteigender Linie ein Notstand, also eine unabweisliche Notwendigkeit, den bestehenden Zustand so bald wie möglich zu beseitigen, vorliegt, und dies nur durch die Kündigung des bestehenden Mietvetrages möglich ist, dringender Eigenbedarf dagegen nicht gegeben ist, wenn dem Bedarf des Vermieters oder seiner Verwandten in absteigender Linie durch eine entsprechende Neuverteilung der zur Verfügung stehenden Räume abgeholfen werden kann (MietSlg 28.312; 30.379; 7 Ob 598/85; MietSlg 37.448; 3 Ob 550/85; 7 Ob 724/86; 7 Ob 580/89 ua). Der Oberste Gerichtshof hat allerdings auch schon zum Ausdruck gebracht, daß bei Beurteilung der Frage, ob der Eigenbedarf durch Neuverteilung vorhandener Räume befriedigt werden kann, nicht in kleinlicher Weise der Nachkriegsstandard zugrundezulegen ist (7 Ob 527/89). Nach den für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen ist vor allem entscheidend, daß die klagenden Parteien die Landwirtschaft (den Bauernhof) ihrer Tochter Maria verpachtet haben und damit nicht mehr allein berechtigt sind, durch bauliche Veränderungen in die Rechte der Pächterin einzugreifen, eine Neuverteilung der zur Deckung des Wohnbedürfnisses der Familienangehörigen zur Verfügung stehenden Räume im Wohntrakt des Hauses Hinterholz 3 vorzunehmen und ihnen - wie die Vorinstanzen auch richtig erkannten - auch kein Recht zusteht, über die vom Wohnrecht der Schwester des Erstklägers betroffenen Räume zu verfügen und sie dem Brautpaar zur Verfügung zu stellen. Damit scheiden aus der Möglichkeit einer Umverteilung jene Räume aus, die betrieblichen Zwecken dienen und die von der Pächterin benützt werden. Der Neuverteilung können somit nur die von den klagenden Parteien und der Tochter Waltraud allein benützten Räume zugeführt werden. Daß mit zwei der Neuverteilung zuführbaren Zimmern im ersten Stock (dem Schlafzimmer der klagenden Parteien in der Größe von etwa 20 m2 und dem ca 10 m2 großen Zimmer der Tochter Waltraud) der zusätzliche Wohnbedarf des zukünftigen Ehepaares nicht gedeckt werden kann, bedarf keiner näheren Erörterung. Die Vorinstanzen haben daher das Vorliegen des dringenden Eigenbedarfes mit Recht bejaht.
Der Revisionswerberin kann aber auch darin nicht gefolgt werden, daß die Aufkündigung des gesamten Bestandgegenstandes nicht erforderlich gewesen wäre, um den Eigenbedarf zu decken. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ist aus der Tatsache des Vorhandenseins von zwei Mansardenzimmern für die Beurteilung der abgesonderten Benützbarkeit des verbleibenden Teiles des Bestandgegenstandes nichts zu gewinnen, weil diese beiden Zimmer nur über eine Zugstiege erreichbar sind und auch nicht erkennbar ist, wie die Notwendigkeit der gemeinsamen Benützung der im Parterre gelegenen Sanitärräume sowie der Küche beseitigt werden könnte. Im Falle der Notwendigkeit der gemeinsamen Benützung solcher Nebenräume kommt aber - wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung zutreffend erkannte - eine Teilkündigung nicht in Frage.
Was schließlich die Frage des von den Vorinstanzen verneinten Kündigungsverzichtes anlangt, so haben die Vorinstanzen mit Recht die näheren Umstände mitberücksichtigt, unter denen es zu diesem Gespräch gekommen ist. Gesprächweise Erklärungen anläßlich eines Totenmahles in Ansehung der Belange einer dritten, am Gespräch nicht beteiligten Person lassen eher den Schluß auf den Mangel eines ernst zu nehmenden Erklärungswillens des Gesprächspartners zu, insbesondere wenn man berücksichtigt, daß bei der Auslegung von Erklärungen als Verzicht auf ein Recht besondere Vorsicht geboten erscheint.
Damit erweist sich aber die Revision als unberechtigt, weshalb ihr kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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