OGH 5Ob58/04x

OGH5Ob58/04x29.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller Hanns F*****, geboren 11. Juli 1967 und Andrea F*****, geboren 23. Dezember 1970, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Kollmann, öffentlicher Notar in 9462 Bad St. Leonhard, wegen Grundbuchshandlungen in der EZ 360 Grundbuch *****, infolge des Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 20. Jänner 2004, AZ 1 R 418/03t, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Judenburg vom 24. Oktober 2003, TZ 2723/03, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Aufgrund des Kaufvertrages vom 25. 4. 2003, der Zustimmungserklärungen vom 8. 10. 2003, des Rangordnungsbeschlusses vom 5. 5. 2003, TZ 1054/03 des Bezirksgerichtes Judenburg wird ob den jeweils 71/2076-Anteilen des Leo T*****, geboren am 8. 1. 1949, und der Hermine T*****, geboren 26. 9. 1945, an der EZ 360 Grundbuch *****, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an der Wohnung W 7 verbunden ist, die Einverleibung des Eigentumsrechts je zur Hälfte im Rang der Anmerkung TZ 1054/03 für

Hanns F*****, geboren 11. 7. 1967 und Andrea F*****, geboren 23. 12. 1970, beide *****

bewilligt.

Diese Anteile werden gemäß § 5 Abs 3 und § 13 Abs 3 WEG 2002 verbunden.

Hievon werden verständigt:

1. Dr. Wilhelm Kollmann, öffentlicher Notar, 9462 Bad St. Leonhard, mit Beilagen,

2. Hanns F*****

3. Andrea F*****, ebendort,

4. Leo T*****

5. Hermine T*****, ebendort,

6. Amt der Steiermärkischen Landesregierung Abteilung 15, 8010 Graz, Dietrichsteinplatz 15 (zu GZ 15-44 E 585),

7. Marktgemeinde *****

8. Finanzamt Judenburg, 8750 Judenburg,

9. Grundverkehrsbezirkskommission Judenburg."

Text

Begründung

Leo T***** und Hermine T***** sind je zu 71/2076-Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 360 Grundbuch *****, mit welchen Anteilen Wohnungseigentum an der Wohnung 7 verbunden ist. Die Liegenschaft besteht aus dem Grundstück 217/2, das im Grundbuch als Baufläche mit dem Gebäude ***** ausgewiesen ist.

Mit Kaufvertrag vom 25. 4. 2003 verkauften die beiden Miteigentümer ihre Liegenschaftsanteile gleichteilig an die Antragsteller unter Begründung einer Eigentümerpartnerschaft um den Kaufpreis von EUR 61.725,76. Darin ist in Punkt 6 festgehalten: "Die Käufer erklären an eidesstatt, österreichische Staatsbürger zu sein. Herr Hanns F***** ist deutscher Staatsbürger."

Die Antragsteller sind im Besitz einer Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung der Liegenschaftsanteile, die am 5. Mai 2003 zu TZ 1054/03 des Bezirksgerichtes Judenburg ausgestellt wurde.

Unter Vorlage des Kaufvertrages, der Unbedenklichkeitsbescheinigung, einer Zustimmungserklärung des Landes Steiermark, der Bestätigung der Marktgemeinde ***** vom 9. 5. 2003 über den Flächenwidmungsplan und unter Vorlage des Rangordnungsbeschlusses begehren die Antragsteller, die Einverleibung des Eigentumsrechts an den bezeichneten Liegenschaftsanteilen zu bewilligen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Einer der beiden Käufer sei deutscher Staatsbürger. Ausländer, die nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften wie Inländer zu behandeln seien, könnten gemäß StmkGVG 1993 in das Grundbuch nur eingetragen werden, wenn sie mit dem Grundbuchsgesuch einen Negativbescheid der Grundverkehrsbehörde vorlegten (5 Ob 72/99w). Dies sei unterblieben. Die Abweisung des Antrags hinsichtlich Andrea F*****, mit der eine Eigentümerpartnerschaft begründet wurde, sei eine notwendige Folge.

Einem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Unter Wiedergabe der Bestimmungen des StmkGVG beurteilte das Rekursgericht den vorliegenden Sachverhalt wie folgt:

Rechtserwerbe an Baugrundstücken im Sinn des § 16 StmkGVG, welche außerhalb einer Vorbehaltsgemeinde gelegen seien, seien ohne vorherige Befassung der Grundverkehrsbehörde zu verbüchern, es sei denn der Rechtserwerber sei Ausländer. Sei ein Ausländer aufgrund europarechtlicher Bestimmungen einem Inländer gleich gestellt, so habe er darüber einen rechtskräftigem Bescheid gemäß § 22 Abs 3 StmkGVG vorzulegen. Zur Erwirkung eines solchen Bescheides habe der Erwerber das Vorliegen der in § 22 Abs 2 Z 1 bis 5 genannten Tatbestände nachzuweisen, nämlich dass der Erwerb in Ausübung einer der in Artikel 28, 31 und 34, 36 und 39, 40 EWR geregelten Rechte stattfinde oder in Ausübung des Aufenthaltsrechts gemäß Anhang VIII Z 6, 7 und 8 EWR-Abkommens. Gegebenenfalls habe die Grundverkehrsbehörde zu bestätigen, dass eine Genehmigung eines Rechtsgeschäftes nach den Bestimmungen dieses Abschnitts nicht erforderlich sei. Die Inländergleichhandlung sei also vom Rechtserwerber geltend zu machen. Er habe sich auf die entsprechenden Bestimmungen des Europarechts zu berufen und die Voraussetzungen des gemeinschaftsrechtlichen Grunderwerbs der Grundverkehrsbehörden nachzuweisen. Über die Gleichstellung sei gegebenenfalls eine Negativbestätigung auszustellen. Erst dann sei die Voraussetzung dafür gegeben, dass der aufgrund des Europarechts mit Inländern gleichzubehandelnde EU-Bürger nicht als Ausländer gelte und somit nicht dem Abschnitt über den Ausländergrundverkehr (§§ 22 ff), sondern wie ein Inländer den Bestimmungen über den Grundverkehr mit Baugrundstücken unterliege.

Mit dieser Gleichstellung von EU-Ausländern und Inländern entspreche das StmkGVG der Vorschrift des Artikels 73b Abs 1 EG-Vertrag, der mit 1. 1. 1996 die volle Kapitalverkehrsfreiheit und damit auch die Freiheit des Liegenschaftsverkehrs bestimme.

Das Rekursgericht vertrat die Ansicht, die anzuwendenden Bestimmungen des StmkGVG seien EU-rechtskonform.

Zu Recht habe daher das Erstgericht die begehrte Grundbuchseintragung wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 22 Abs 3 StmkGVG abgelehnt.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar könne sich das Rekursgericht zur Stützung seiner Rechtsansicht auf die Entscheidung 5 Ob 72/99w = NZ 2000/461 stützen, doch sei seit der (nachfolgenden) Entscheidung des EuGH vom 1. 6. 1999 in der Rechtssache Konle gegen Österreich (Slg 1999/I) keine weitere höchstgerichtliche Entscheidung ergangen, die sich mit der Beschränkung des Kapitalverkehrs im Zusammenhang mit Grunderwerb durch EU-Bürger befasst habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Bewilligung der beantragten Grundbuchshandlungen. Darüber hinaus wird die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften angeregt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargestellten Gründen zulässig. Er ist auch berechtigt.

§ 30 StmkGVG fordert für Inländer beim Erwerb eines Baugrundstücks außerhalb einer Beschränkungszone als Voraussetzung für die Zulässigkeit der entsprechenden Grundbuchseintragungen über den Rechtserwerb (hier Übertragung des Eigentums) keinerlei Befassung der Grundverkehrsbehörde. Ausländer hingegen, die Rechte an einem solchen Baugrundstück erwerben wollen und sich auf die Ausübung der im EG-Vertrag vorgesehenen Rechte berufen, haben der Grundverkehrsbehörde das Vorliegen der in § 22 Abs 2 Z 1 bis 5 genannten Tatbestände nachzuweisen. Gegebenenfalls hat die Grundverkehrsbehörde zu bestätigen, dass eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts nach den Bestimmungen dieses Abschnitts nicht erforderlich ist (§ 22 Abs 3 StmkGVG).

Die in § 22 Abs 2 Z 1 bis 5 StmkGVG genannten Tatbestände lauten:

Z 1: Personen in Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer gemäß Art 39 EG-Vertrag bzw Art 28 EWR-Abkommen,

2. Personen und Gesellschaften in Ausübung des Niederlassungsrechts gemäß den Art 43 und 48 EG-Vertrag bzw Art 31 und 34 EWR-Abkommen,

3. Personen und Gesellschaften in Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art 49 EG-Vertrag bzw Art 36 und 39 EWR-Abkommen,

4. Personen in Ausübung des Aufenthaltsrechts gemäß den Richtlinien 90/364/EWG ...,

5. Personen und Gesellschaften zum Zweck von Direktinvestitionen, Immobilieninvestitionen oder sonstigen Geschäften des Kapitalverkehrs gemäß Art 56 EG-Vertrag bzw Art 40 EWR-Abkommen.

Zu 5 Ob 72/99w (= NZ 2000/461) hatte der Oberste Gerichtshof erkannt, dass nach dem StmkGVG Ausländer, die nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften wie Inländer zu behandeln seien, in das Grundbuch nur eingetragen werden könnten, wenn sie einen nach dem StmkGVG erforderlichen Negativbescheid der Grundverkehrsbehörde vorlegten. Diese Entscheidung war in der Lehre auf Kritik gestoßen (vgl Hoyer Anm zu NZ 2000/461).

Kurz danach hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in der Entscheidung Konle gegen Österreich vom 1. 6. 1999 (Rs C-302/97 , Slg 1999/I-03099 = wbl 1999, 405 = ecolex 1999, 881) festgestellt, dass der Gesetzgeber im Grundverkehrsrecht zur Durchsetzung grundverkehrsrechtlicher Anliegen (zB zur Einhaltung raumplanerischer Vorgaben, wie Erhaltung einer dauerhaft ansässigen Bevölkerung) nur das jeweils gelindeste, die Kapitalverkehrsfreiheit möglichst wenig einschränkende Mittel einsetzen dürfe. Als gemeinschaftsrechtskonform sei demnach vor allem die Einräumung einer nachträglichen Sanktionsmöglichkeit für die Grundverkehrsbehörde bei Verstößen gegen Beschränkungen des Grundverkehrs durch EU-Ausländer anzusehen. Die Bindung des Erwerbs von Baugrundstücken durch EU-Ausländer an eine Genehmigung der Grundverkehrsbehörde, wie dies das TGVG 1996 vorsah, sei jedenfalls nicht gemeinschaftsrechtskonform.

Aus der weiteren Entscheidung des EuGH vom 5. 3. 2002 Hans Reisch u.a. gegen Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg u.a. (Slg 2002/I-02157) lässt sich entnehmen, dass auch ein Anzeigeverfahren, wie es im SbgGVG vorgesehen ist, nämlich vorausgehende Erklärung, die mit der Möglichkeit von Sanktionen im Falle des Verstosses gegen die abgegebene Erklärung bewehrt ist, als gemeinschaftsrechtskonform angesehen wird. Das bedeutet - wie es Herzig in "Grundverkehr und europäisches Gemeinschaftsrecht, Überlegungen zum Urteil des EuGH Konle gegen Republik Österreich", wbl 1999, 395 f ausdrückt -, dass auch ein "Erklärungsmodell" nur dann gemeinschaftsrechtskonform ist, wenn es gänzlich auf eine materielle Prüfung vor der grundbücherlichen Durchführung des Liegenschaftserwerbs verzichtet (vgl dazu auch die differenzierenden Ausführungen Schneiders in "Die Konle-Entscheidung des EuGH und ihre Auswirkungen auf das österreichische Grundverkehrsrecht" ZfV 2000/2).

Der erkennende Senat hat zuletzt in der Entscheidung 5 Ob 16/02t = NZ 2002/556 (die allerdings keinen konkreten europarechtlichen Bezug hatte) - den Grundgedanken des EuGH im Urteil Konle gegen Österreich folgend - eine im nöGVG bestehende Gesetzeslücke durch das gelindeste Mittel zur Eröffnung nachträglicher Sanktionsmöglichkeiten für Gesetzesverstösse dadurch geschlossen, dass dem Grundbuchsgericht die Pflicht auferlegt wurde, die Grundverkehrsbehörde von der bewilligten Eintragung zu verständigen (vgl NZ 2003/256 mit Zustimmung Hoyer).

Zur hier anzuwendenden Bestimmung des § 22 Abs 3 StmkGVG ist festzuhalten, dass die dort vorgesehene Verpflichtung der EU-Ausländer, der Grundverkehrsbehörde das Vorliegen der Ausübung einer der EU-Grundfreiheiten nachzuweisen, jedenfalls ein grundverkehrsbehördliches Verfahren in Gang setzt, das nur "gegebenenfalls" mit einer Negativbestätigung, andernfalls offensichtlich mit einer Verweigerung der Genehmigung enden würde. Außerdem ist nicht definiert, worin dieser "Nachweis" bestehen soll. Diese Nachweispflicht ist aber jedenfalls so ausgestattet, dass es zu der vom EuGH in der zitierten Entscheidung Konle gegen Österreich verpönten suspensiven Wirkung kommt, weil eine vorhergehende Prüfung des Nachweises durch die Grundverkehrsbeehörde vorgesehen ist (vgl Herzig aaO).

Es ist daher davon auszugehen, dass das steiermärkische "Nachweismodell" mit vorhergehender Negativbestätigung der europarechtlichen Regelung über die Kapitalverkehrsfreiheit (Art 56 EG-Vertrag) widerspricht.

Kraft des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts ist diese Bestimmung von den innerstaatlichen Gerichts- und Verwaltungsbehörden unmittelbar zu beachten. Entgegenstehende Vorschriften dürfen nicht mehr angewendet werden (vgl R. Weber in Lenz, EG-Vertrag Rn 24 zu Art 56; Ress-Uckrow in Grabitz-Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Anm 25 zu Art 73b EGV; Hoyer Anm zu NZ 2000/461).

So sind zumindest nach Ablauf der Übergangsfrist des Art 17 des Beitrittsvertrages, also ab 1. 1. 2000 die dargestellten Bestimmungen des StmkGVG unanwendbar und zwar auch ohne ausdrückliche Aufhebung durch den Landesgesetzgeber (vgl Hoyer aaO).

Das StmkGVG sieht in seinen §§ 31 und 32 Sanktionsmöglichkeiten vor, wie sie der EuGH in der mehrfach zitierten Entscheidung Konle gegen Österreich im Zusammenhang mit einem bloßen Anzeigemodell als ausreichend zur Durchsetzung grundverkehrsrechtlicher Anliegen angesehen hat.

Das gelindeste ausreichende Mittel zur Eröffnung nachträglicher Sanktionsmöglichkeiten für Gesetzesverstöße sieht der erkennende Senat - wie schon in der Entscheidung 5 Ob 16/02t = NZ 2002/556 in der Verständigung der zuständigen Grundverkehrsbehörde erster Instanz (Grundverkehrsbezirkskommission gemäß § 45 StmkGVG). Eine solche Verständigung wurde zugleich im Spruch dieser Entscheidung angeordnet.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller war daher berechtigt. Das hatte zur Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen im Sinne einer Bewilligung der begehrten Grundbuchseintragungen zu führen.

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