Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten dieses Rechtsmittels sind als weitere Kosten des Verfahrens über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 7.12.1992 zu behandeln.
Text
Begründung
In der gegenständlichen Streitsache erging am 13.10.1992 ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil, das dem Beklagten laut Rückschein am 22.10.1992 durch Hinterlegung beim Postamt 1150 Wien zugestellt wurde. Am 7.12.1992 setzte das Erstgericht auf dieses Urteil die Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit.
Mit Beschluß vom 31.8.1993 hob das Erstgericht diese Bestätigung auf. Es nahm dabei als bescheinigt an, daß der Beklagte im Zeitpunkt der Urteilszustellung nicht mehr an der angegebenen Adresse in Wien, sondern in G***** wohnte. Damit sei die Zustellung unwirksam.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs der klagenden Partei Folge, hob den angefochtenen Beschluß wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs der klagenden Partei als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung an das Erstgericht zurück. Da durch die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung entscheidend in die Befriedigungsrechte des betreibenden Gläubigers eingegriffen wird, sei es geboten, ihn bereits dem erstinstanzlichen Verfahren beizuziehen. Es stelle nämlich ein "prozessuales Grundrecht" dar, daß jeder, der von einer gerichtlichen Entscheidung in seinen Rechten betroffen wird, das Recht hat, im zu dieser Entscheidung führenden Verfahren gehört zu werden. Wegen des geltenden Neuerungsverbotes reiche es nicht aus, das rechtliche Gehör erst nach der Entscheidung zu gewähren.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Rekurs zulässig sei. Zur Frage, ob das zur Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung führende Verfahren ein- oder zweiseitig sei, liege nämlich keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vor.
Im nunmehr vorliegenden Rekurs macht der Beklagte geltend, daß zu Unrecht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der klagenden Partei angenommen worden sei, weil eine Vollstreckbarkeitsbestätigung auch von Amts wegen aufgehoben werden könne und die in § 7 Abs 3 EO angeordnete Zustellung des Beschlusses an alle Beteiligten nicht bedeute, daß der Gegner auch schon dem Bescheinigungsverfahren zugezogen werden müsse. Im übrigen sei der Zustellfehler eindeutig belegt. Der Rechtsmittelantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß entweder ersatzlos oder mit dem Auftrag an das Rekursgericht aufzuheben, in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden.
Das Rechtsmittel ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, daß eine gesetzwidrig oder irrtümlich erteilte Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs 3 EO nicht nur auf Antrag eines Beteiligten, sondern auch von Amts wegen aufzuheben ist. Geschieht dies aufgrund der Aktenlage, also ohne besonderes Verfahren, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs desjenigen, der an der Vollstreckbarkeitsbestätigung festhalten will, nicht schon deshalb vor, weil ihm keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde. Ihm steht es frei, die Unzulänglichkeit der Entscheidungsgrundlagen mit Rekurs geltend zu machen.
Wird jedoch ein Verfahren durchgeführt, um Entscheidungsgrundlagen für die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zu schaffen, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, zu den Verfahrensergebnissen Stellung zu nehmen. Das rechtliche Gehör in einem Zivilverfahren wird nämlich schon dann verletzt, wenn einer gerichtlichen Entscheidung die Ergebnisse eines Beweis- oder Bescheinigungsverfahrens zugrundegelegt werden, zu denen die Parteien nicht Stellung nehmen konnten und - wegen des Neuerungsverbotes - auch im Rechtsmittelverfahren nicht Stellung nehmen können (SZ 62/129; RZ 1991, 146/49; SZ 64/1; 7 Ob 519/92). Das erfordert zumindest eine Ladung der Parteien zur Beweisaufnahme oer die Bekanntgabe der Verfahrensergebnisse mit der Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit (vgl SZ 62/129).
Für ein Verfahren, das zur Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung führt, kann - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - nichts anderes gelten. Es handelt sich dabei um ein an das Titelverfahren anschließendes Verfahren, in dem, wenn der Titel von einem Gericht stammt, die Vorschriften der ZPO anzuwenden sind (SZ 17/29; EvBl 1958/279; EvBl 1972/275 ua; zuletzt 9 Ob A 164/92). Im besonderen gilt das Neuerungsverbot (2 Ob 152/75), weshalb es aus den dargestellten Erwägungen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bedeutet, daß der klagenden Partei keine Möglichkeit gegeben wurde, schon im erstinstanzlichen Verfahren zu den aus der Vernehmung des Beklagten gewonnenen Entscheidungsgrundlagen Stellung zu nehmen. Ob das entsprechende Verfahren, das sich ja auch in der Verwertung vorhandener Bescheinigungsmittel erschöpfen kann, formell einseitig (wie offenbar in ÖBA 1991, 468/281 angenommen) oder zweiseitig ist, spielt dabei keine entscheidende Rolle, weil § 7 Abs 3 EO ausdrücklich auch die amtswegige Wahrnehmung eines Fehlers bei Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung ermöglicht und Nichtigkeitsgründen generell von Amts wegen nachzugehen ist (vgl EvBl 1972/275). Die Verwertung neu gewonnener Verfahrensergebnisse setzt jedoch immer voraus, daß der davon betroffenen Partei rechtliches Gehör gewährt wird.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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