OGH 5Ob566/94

OGH5Ob566/9424.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ursula E*****, Private, ***** vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Peter S*****, Landwirt, ***** vertreten durch Dr.Klaus Dieter Strobach und Dr.Wolfgang Schmidauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen S 450.000,- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1.September 1994, GZ 6 R 16/94-31, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 10. November 1993, GZ 3 Cg 208/92h-20, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin verkaufte dem Beklagten eine Liegenschaft um S 11,950.000,-. Sie begehrt (Hauptbegehren) die Zahlung eines Restkaufpreises von S 450.000,- bzw. (erstes Eventualbegehren) die Herausgabe einer abstrakten Bankgarantie eines österreichischen Geldinstitutes über S 450.000,- bzw (zweites Eventualbegehren) die ausdrückliche Einwilligung des Beklagten gegenüber dem öffentlichen Notar Dr.Johann P*****, daß der bei diesem Notar erliegende Betrag von S 450.000,- samt Zinsen an die Klägerin ausbezahlt werden könne.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage ua mit der Begründung, der Restpreiskaufpreis sei mangels Räumung der verkauften Liegenschaft durch die Klägerin, insbesondere von der darauf befindlichen Mülldeponie, nicht fällig.

Das Erstgericht wies das Haupt- und beide Eventualbegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 24.3.1992 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über die Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** (S*****-Gut) mit Ausnahme zweier Trennstücke (332/12 und 332/13), die im Eigentum der Klägerin verbleiben sollten. In diesem Kaufvertrag wurde unter anderem vereinbart:

"§ 3. Die Verkäuferin wird längstens binnen dreier Monate ab

Unterfertigung dieses Vertrages durch beide Vertragsteile das

restliche Kaufobjekt dem Käufer geräumt übergeben .......

§ 5. Haftung und Gewährleistung:

Der Käufer nimmt die bücherlichen Belastungen ........ zur Kenntnis.

Darüber hinaus haftet die Verkäuferin dafür, daß das Kaufobjekt frei von Schulden und sonstigen Lasten, Bestands- und Besitzrechten Dritter in das Eigentum des Käufers überzugehen hat, während eine weitergehende Haftung oder Gewährleistung, so für die angeführten Katasterausmaße und den Zustand der Baulichkeiten, ausgeschlossen wird. Sie wird diesbezüglich sowie überhaupt aus jeglicher Sachmangelhaftung entlassen. Hiezu erklärt die Verkäuferin, daß keine bau- oder feuerpolizeilichen Auflagen bestehen, welche noch nicht erfüllt wurden.

§ 11. Änderung der Kaufpreisberichtigung:

Dr.Johann P*****, Notar in L*****, ist auf Grund eines unwiderruflichen Zahlungsauftrages des Käufers an die Z-***** AG berechtigt, den Betrag von S 10 Mio am 17.4.1992 und den Betrag von S 1,500.000,- am 30.6.1992 abzufordern. Die Vertragsparteien beauftragen hiemit den vorgenannten Notar, die genannten Beträge unverzüglich abzufordern und erteilen ihm hiemit den einseitig unwiderruflichen Treuhandauftrag, aus diesem Betrag die eventuell erforderliche Lastenfreistellung des Vertragsobjektes zu bewerkstelligen und den verbleibenden Betrag zuzüglich Anderkontozinsen an die Verkäuferin auszubezahlen, all dies sobald die Übertragung des Vertragsobjektes im vereinbarten Lastenstand an den Käufer gewährleistet bzw. hinsichtlich des Teilbetrages

..........".

Die zuständige Bezirksgrundverkehrskommission gab hierauf zu erkennen, diesen Vertrag wegen der Zurückbehaltung von Teilflächen durch die Klägerin nicht zu genehmigen. Die Parteien einigten sich danach am 10.7.1992, daß der Beklagte auch die Restflächen um S 450.000,- kauft. Hierüber schlossen die Parteien am 17.7.1992 einen Nachtrag zum Kaufvertrag, worin die zurückbehaltenen Restflächen an den Kläger um S 450.000,- verkauft wurden. Hinsichtlich der Fälligkeit des Erhöhungsbetrages von S 450.000,- vereinbarten sie "mit vollständiger Räumung des Objektes durch die Verkäuferin zur Zahlung und über eine Bankgarantie des Käufers abgesichert" (Beilage B).

Der Passus betreffend die Fälligkeit erst bei vollständiger Räumung wurde über Wunsch des Beklagten in den Vertrag aufgenommen, weil es zwischenzeitig schon zu Zerwürfnissen über die Räumung gekommen war. Die Besicherung durch eine Bankgarantie erfolgte nur zu dem Zweck, den Erlag dieser S 450.000,- bei Dr.P***** sicherzustellen.

Vertrag und Zusatzvertrag wurden mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Gmunden vom 4.9.1992 rechtskräftig genehmigt.

Etwa 80 m östlich vom Haus befindet sich in einer Geländemulde in einem Ausmaß von bis zu 20 m3 eine Ansammlung von Müll, der teilweise auch aus Dosen mit Farb- und Lackresten, Spraydosen, Ölbehälter, Wasserglas, Speiseölen, Reinigungsmitteln und gebrauchten Batterien besteht. Diese Abfälle lagern dort schon seit Jahren oder Jahrzehnten. Die Deponie liegt auf dem Grundstück Nr.391, möglicherweise auch auf 389/1 und 389/6, nicht jedoch auf den von der Klägerin ursprünglich zurückbehaltenen Flächen. Der Beklagte wußte bei Vertragsschluß am 24.3.1992 nichts über das Vorhandensein dieser Deponie, der Klägerin war sie hingegen auch schon am 24.3.1992 bekannt.

Die Klägerin führte im Juli 1992 Räumungsarbeiten durch; dabei wurde dabei vereinbart, daß die Übergabe am 17.7.1992 endgültig an den Beklagten erfolgen sollte und daß sämtliche Fahrnisse der Klägerin, die sich mit diesem Stichtag auf der Liegenschaft befinden, ins Eigentum des Beklagten übergehen sollten. Bei diesem Termin kam es neuerlich zu erheblichen Reibereien zwischen den Parteien und die Räumung erfolgte nicht vollständig. Es blieben Kleinigkeiten auf der Liegenschaft zurück. Der Beklagte erlaubte später der Klägerin jedoch, weitere Fahrnisse abzuholen. Weiters wurde von der Klägerin eine oberflächliche Räumung der Deponie durchgeführt; es kann nicht festgestellt werden, daß dabei sämtlicher in der Deponie gelagerter Müll entfernt wurde.

Die Klägerin ist nicht bereit, die Deponie zu räumen oder zu den Räumungskosten einen Beitrag zu leisten.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen folgendes aus:

Nach § 1052 ABGB müsse der Vertragsteil, der die Leistung des anderen verlange, entweder schon erfüllt haben oder zur Erfüllung bereit und im Stande sein, widrigenfalls jede im Austauschverhältnis stehende, jedoch nicht erbrachte Gegenleistung zur Einrede des nicht erfüllten Vertrages und im Ergebnis zur Zurückbehaltung der eigenen Leistung berechtige.

Die in § 5 des Kaufvertrages festgeschriebene Entlassung der Klägerin aus der Sachhaftung könne sich nur auf die auch dem Beklagten bekannten oder zumindest erkennbaren Mängel beziehen. Hier sei jedoch dem Beklagten Lastenfreiheit mit Ausnahme der im Vertrag genannten Lasten ausdrücklich zugesagt worden, jedoch insofern wider besseres Wissen der Klägerin, der zumindest das Vorhandensein der Deponie bekanntgewesen sei. Das Vorhandensein dieser Deponie berechtige daher den Beklagten zur Zurückbehaltung des eingeklagten Betrages.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Schon nach dem Wortlaut des Kaufvertragnachtrags (Beilage ./B) und dem daraus erkennbaren Parteiwillen lägen nicht zwei voneinander unabhängige Kaufverträge, sondern ein einheitliches Rechtsgeschäft vor. Daher sei es ohne Bedeutung, daß sich die Mülldeponie nicht auf den ursprünglich zurückbehaltenen Grundstücken befindet, die Gegenstand des Nachtrages waren und für die der klagsgegenständliche Kaufpreis von S 450.000,- vereinbart wurde.

Aus § 2 des Kaufvertrages (Beilage ./A) lasse sich kein Parteiwille

des Inhalts ableiten, daß der Beklagte auch die Ablagerungen auf der

Liegenschaft habe mitkaufen wollen. Die von der Berufungswerberin in

diesem Zusammenhang zitierte Vertragsbestimmung laute: "........ wie

das Kaufobjekt liegt und steht und dem Käufer aus eigener

Besichtigung bekannt ist, mit allen Rechten, Pflichten und Vorteilen,

.........". Daß dem Käufer zur Zeit des Vertragsabschlusses die

Mülldeponie nicht (weder aus eigener Besichtigung noch sonst) bekannt gewesen sei, habe das Erstgericht unangefochten festgestellt.

Gegen die im Kaufvertragsnachtrag enthaltene Bestimmung, daß der Erhöhungsbetrag von S 450.000,- mit vollständiger Räumung des Objektes durch die Verkäuferin fällig werde, argumentiere die Berufungswerberin damit, daß der Beklagte bei Abschluß des Nachtrages längst Kenntnis von den Ablagerungen gehabt habe; weil trotzdem keine Erwähnung im Nachtrag gemacht worden sei, habe der Beklagte die Ablagerungen jedenfalls akzeptiert.

Dieser Argumentation vermöge sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen. Zu fragen sei, was "vollständige Räumung des Objektes durch die Verkäuferin" zu bedeuten habe. Das Berufungsgericht lege diese Vertragsbestimmung nach dem Redlichkeitsgrundsatz des § 914 ABGB so aus, daß die Verkäuferin all das zu räumen habe, was sich auf der verkauften Liegenschaft befinde und was vom Käufer nicht gekauft worden sei. Nichts deute darauf hin, daß der Beklagte mit der Liegenschaft auch deponierten Müll habe mitkaufen wollen oder daß die Klägerin dem Beklagten mit der Liegenschaft auch den Müll habe mitverkaufen wollen, stehe doch die Klägerin noch im Berufungsverfahren auf dem Standpunkt, daß es auf der verkauften Liegenschaft gar keine alten Ablagerungen gebe.

Daß die Mülldeponie im Zusammenhang mit der vereinbarten Räumungspflicht der Verkäuferin nicht ausdrücklich erwähnt sei, schade nicht, weil im Kaufvertragsnachtrag von vollständiger Räumung des Objektes durch die Verkäuferin die Rede sei und daher eine detaillierte Anführung der zu räumenden Gegenstände entbehrlich sei.

Das Erstgericht habe unangefochten eine Vereinbarung zwischen den Parteien festgestellt, wonach die Übergabe der Liegenschaft am 17.7.1992 endgültig an den Beklagten erfolgen sollte und daß sämtliche Fahrnisse der Klägerin, die sich mit diesem Stichtag auf der Liegenschaft befänden, ins Eigentum des Beklagten übergehen sollten. Daß die Parteien damit auch den Müll gemeint haben sollten, könne nicht angenommen werden. Abgesehen davon, daß man im allgemeinen Sprachgebrauch unter dem Begriff "Fahrnis" nur solche bewegliche Sachen verstehe, die dem Gebrauch dienen (vgl § 285 ABGB), nicht aber Müll, sei hier neuerlich darauf hinzuweisen, daß nach dem Standpunkt der Klägerin keine alten Ablagerungen auf der Kaufliegenschaft zurückgeblieben seien, sodaß ein beiderseitiger Parteiwille, alten und insbesondere vergrabenen Müll in das Eigentum des Käufers übergehen zu lassen, auszuschließen sei.

Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs "Objekt" im Kaufvertragsnachtrag Beilage ./B etwa in dem Sinne, daß damit nur das Haus und nicht die gesamte Kaufliegenschaft gemeint wäre, biete zwar das Verständnis des Vertragsverfassers, welches dieser in seiner Zeugenaussage auf S.8 des Protokolls vom 1.10.1993 dargestellt habe, einen gewissen Anhaltspunkt, jedoch sei aufgrund dieser Zeugenaussage nicht davon auszugehen, daß der Vertragsverfasser speziell diesen Punkt mit den Parteien erörtert hätte. Maßgeblich sei daher gemäß § 914 ABGB, soweit eine übereinstimmende Parteienabsicht nicht feststellbar sei, wie redliche und vernünftige Parteien die Vertragsbestimmung "vollständige Räumung des Objekts" zu verstehen gehabt hätten. Dabei erlange der Umstand Bedeutung, daß die Klägerin bei Unterfertigung des Kaufvertragsnachtrags bereits Kenntnis von der Mülldeponie hatte und daher nicht darauf habe vertrauen dürfen, daß die von ihr übernommene Räumungsverpflichtung vom Vertragspartner einschränkend ausgelegt werde und die Mülldeponie davon ausgegenommen wäre. Auch die Tatsache, daß die Klägerin gemäß ihrer eigenen Aussage die an der Oberfläche liegenden Gegenstände weggeräumt habe, wobei 6 Müllsäcke zusammengekommen seien, deute darauf hin, daß sich die Klägerin ihrer Räumungsverpflichtung auch in bezug auf die Mülldeponie bewußt gewesen sei und daß sie selbst ihre Räumungsverpflichtung nicht nur auf das Haus, sondern auf die gesamte Kaufliegenschaft bezogen habe.

Aus der von Dr.P***** unterfertigten Bestätigung (Beilage ./F) lasse sich für den Standpunkt der Berufungswerberin nichts gewinnen, weil aus der Unterfertigung dieser Bestätigung durch den Notar Dr.P***** kein Handeln im Namen des Beklagten erkennbar sei. Im Text dieser Bestätigung werde der Notar ausdrücklich als Vertragsverfasser bezeichnet, nicht aber als Parteienvertreter. Dazu komme noch, daß die zitierte Bestätigung wohl den Satz enthält: "Weiters wird Herr S***** mit 20.7.1992 den Betrag von S 450.000,- zur Überweisung bringen", jedoch fehlt die Nennung des Empfängers dieser Überweisung. Da gemäß § 11 des Kaufvertrages Treuhanderlag bei Dr.P***** vereinbart worden sei und der Kaufvertragsnachtrag, wie schon oben dargestellt, nicht als zweiter Kaufvertrag, sondern als Bestandteil eines einheitlichen Kaufvertrages anzusehen sei, könnte man den Treuhänder als Empfänger der Überweisung ansehen. Auch Dr.P***** habe dies so verstanden.

Aus dem Schreiben des Vertreters des Beklagten vom 7.5.1992 (Beilage ./U) sei eindeutig erkennbar, daß damit der Verkäuferin nur eine Ersatzvornahme (Deponieentfernung) auf ihre Kosten habe angedroht werden sollen und sich der Käufer diese Möglichkeit nur vorbehalten habe, ohne sich zu dieser Vorgangsweise zu verpflichten. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der zitierten Textstelle könnten Zweifel, ob der Beklagte durch unsubstantiiertes Bestreiten ein anderes Interpretationsergebnis im Sinne des § 267 Abs 1 ZPO zugestanden habe, nicht auftauchen.

Ausgehend von einem vereinbarten Treuhanderlag auch in bezug auf den klagsgegenständlichen Restkaufpreis sei im Sinne des zweiten Eventualbegehrens die Einwilligungspflicht des Beklagten zu prüfen. Die Berufungswerberin erachte diese Pflicht schon wegen Erfüllung der im § 11 des Kaufvertrages aufgestellten Bedingungen für gegeben. Dabei lasse die Berufungswerberin jedoch die im Kaufvertragsnachtrag speziell für den klagsgegenständlichen Restkaufpreis normierte Auszahlungsbedingung, nämlich die vollständige Räumung des Objektes durch die Verkäuferin, außer Betracht. Der diesbezügliche Halbsatz im Kaufvertragsnachtrag Beilage ./B ("wobei der Erhöhungsbetrag von S 450.000,- mit vollständiger Räumung des Objektes durch die Verkäuferin zur Zahlung und über eine Bankgarantie des Käufers abgesichert wird") sei zwar sprachlich unvollständig, lasse aber zweifelsfrei erkennen, daß die Verkäuferin den Restkaufpreis nicht vor vollständiger Räumung erhalten solle.

Ein Treuhanderlag verschaffe selbst bei einseitiger Unwiderruflichkeit, welche sich aus § 11 des Kaufvertrages (Beilage ./A) ergebe, der Verkäuferin nicht dieselben Rechte wie eine Bankgarantie: Während der Treuhanderlag nur das Insolvenzrisiko absichere, der Verkäuferin aber keinen Zugriff auf den Kaufpreisrest eröffne, würde die Verkäuferin durch eine abstrakte Bankgarantie, in welcher sie selbst oder ihr Vertreter als Begünstigter genannt sei, in die Lage versetzt, sich durch Inanspruchnahme der Bankgarantie bezahlt zu machen.

Übernehme ein Vertragsteil die Pflicht, für die von ihm zu erbringenden Leistungen eine Garantie zu erstellen, so handle es sich nach Sinn und Zweck der Abrede um eine Vorleistungspflicht. Der Begünstigte soll eine Sicherheit erhalten, bevor er seine Leistung erbringt. Verschlechtern sich vor dem Hinauslegen der Garantie die Vermögensverhältnisse des Begünstigten, so könne der Garantieauftraggeber gemäß § 1052 Satz 2 ABGB die Erstellung der Garantie verweigern, wenn ihm die schlechten Vermögensverhältnisse zur Zeit des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein mußten (Koziol in Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II, 3/48). In Analogie zu § 1052 Satz 2 ABGB könne der Vorleistungspflichtige Sicherstellung oder Zug um Zug-Leistung verlangen, wenn der Nachleistungsverpflichtete seine Leistungspflicht im voraus bestreitet (SZ XXVI/99; EvBl 1963/46; dagegen Wahle in Klang2 IV/2 S.73 und Aicher in Rummel I2 RN 11a zu § 1052 ABGB). Dies bedeute für den vorliegenden Fall, daß der in bezug auf die Bankgarantie vorleistungspflichtige Beklagte wegen der Bestreitung einer Räumungsverpflichtung durch die Klägerin die Bankgarantie zurückbehalten könne, ohne daß geklärt werden müßte, ob durch die Bankgarantie die Klägerin begünstigt werden sollte oder ob damit nur der Treuhanderlag bei Dr.P***** sichergestellt werden sollte.

Zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage der analogen Anwendbarkeit des § 1052 Satz 2 ABGB sei das Berufungsgericht der zitierten älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt. Neuere Entscheidungen (WBl 1989, 219; SZ 51/182; SZ 42/162) seien mit der analogen Anwendbarkeit des § 1052 Satz 2 ABGB eher zurückhaltend, ohne sich jedoch ausdrücklich von SZ XXVI/99 und EvBl 1963/46 zu distanzieren. Besonders in der Entscheidung SZ 42/162, die in SZ 61/182 zur Begründung der Ablehnung eines Leistungsverweigerungsrechts des Vorleistungspflichtigen herangezogen worden sei, werde das Thema nur am Rande behandelt. Das Berufungsgericht erblicke daher eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sodaß die ordentliche Revision zulässig sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Hauptbegehren, jedenfalls aber einen der Eventualbegehren stattgegeben werde; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Für den Fall der Zulässigkeit der Revision möge ihr nicht Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Wenn das Revisionsgericht die Revision trotz eines anders lautenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht für zulässig erachtet - wie in der hier zu beurteilenden Rechtssache - so kann es sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken. Demgemäß wurde der bisherige Verfahrensgang nur insoweit dargestellt, als es zum Verständnis des Zurückweisungsbeschlusses erforderlich ist.

Von der Vertragsauslegung im Einzelfall als Grundlage für die Berechtigung oder Nichtberechtigung des Haupt- und des zweiten Eventualbegehrens hängt es ab, ob

a) der ursprüngliche Kaufvertrag und der Nachtrag hiezu einen einheitlichen Kaufvertrag über die ganze, zuletzt auch die zunächst von der Verkäuferin nicht veräußerten Grundstücke umfassende Liegenschaft darstellt,

b) die als Voraussetzung für die Fälligkeit des eingeklagten Restkaufpreises vereinbarte Räumungspflicht der Klägerin auch die auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft befindlichen Müllablagerungen umfaßt,

c) ob die Vereinbarung über den Eigentumsübergang hinsichtlich der an

einem bestimmten Tag noch auf der Liegenschaft verbliebenen Fahrnisse

der Klägerin auch die genannten Müllablagerungen umfaßt,

d) ob die vom Beklagten angedrohte Ersatzvornahme (Räumung der Müllablagerungen auf Kosten der Klägerin) einen Verzicht auf eine diesbezügliche Tätigkeit der Klägerin darstellt und als Folge davon die Fälligkeit des Kaufpreisrestes bewirkte, und

e) ob auch der Restkaufpreis treuhändig beim Vertragsverfasser zu erlegen und erst nach vollständiger Erfüllung der von der Klägerin übernommenen Räumungspflicht - auch die Müllablagerungen umfassend - an diese auszuzahlen sei.

Vertragsauslegung im Einzelfall stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage zu einem unvertretbaren Auslegungsergebnis kommt (Kodek in Rechberger, ZPO - Kommentar, Rz 5 zu § 502 mit Judikaturhinweisen). Von einer solchen Vorgangsweise des Berufungsgerichtes kann nach dessen bereits wiedergegebenen Erwägungen zur Vertragsauslegung keine Rede sein.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes hängt aber auch die Entscheidung über das erste Eventualbegehren nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Der vom Berufungsgericht gewonnene (dem vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenbereich angehörende) Vertragsinhalt, daß der Treuhanderlag auch den Kaufpreisrest zum Gegenstand haben sollte und daß zweifelsfrei vereinbart war, daß die Verkäuferin den Restkaufpreis nicht vor vollständiger, dh auf Grund der Ergebnisse der Auslegung der anderen Vereinbarungen der Streitteile auch die Müllablagerungen umfassenden Räumung erhalten sollte, impliziert die berufungsgerichtliche Billigung der vom Erstgericht getroffenen (und im Rahmen der Beweiswürdigung auch eigens erörterten) Feststellung, daß die Besicherung des Restkaufpreises auch noch durch Bankgarantie nur zu dem Zweck erfolgen sollte, den Treuhanderlag beim Vertragsverfasser sicherzustellen, könnte doch andernfalls nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin trotz Mißachtung ihrer Räumungspflicht den Restkaufpreis erhält. Gerade dies sollte nach dem vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegten Sachverhalt (Vereinbarungsinhalt zwischen den Streitteilen) nicht der Fall sein. Daraus folgt, daß den Beklagten bezüglich des Restkaufpreises dann keine Pflicht zur Beibringung einer Bankgarantie mehr traf, sobald er den Treuhanderlag bewirkt hatte und damit der einzige Zweck, zu dem die Bankgarantie rechtmäßigerweise hätte ausgenützt werden dürfen, erfüllt war. Bestand aber keine Pflicht des Beklagten mehr zur Bestellung einer Bankgarantie, so wurde auch das erste Eventualbegehren zutreffend abgewiesen, ohne daß die vom Berufungsgericht im Zusammenhang mit einer allenfalls bestehenden Vorleistungspflicht eines Käufers als erheblich angesehenen Rechtsfragen gelöst werden müßten.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil in der Revisionsbeantwortung keine Kosten verzeichnet wurden.

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