Spruch:
Besteht ein Anspruch auf Ableitung der gesamten Wasserschüttung einer auf dem Gründe des Dienstbarkeitsverpflichteten befindlichen Quelle, so werden die Rechte des Verpflichteten nicht beeinträchtigt, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte das auf seinen Grund geleitete Wasser nicht mehr ausschließlich für seine Zwecke verwendet
OGH 14. Juni 1977, 5 Ob 559/77 (LG Innsbruck 1 R 854/76; BG Kitzbühel C 1429/75)
Text
Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 70 I KG S (F-Hof) zu der das Grundstück 1515/5 gehört. Dort entspringt eine Quelle, an der ein nicht verbüchertes Wasserbezugsrecht zugunsten des je zur Hälfte im Eigentum der beiden Beklagten stehenden J-Hofes besteht.
Hinsichtlich des Umfanges dieses Wasserbezugsrechtes ist zwischen den Parteien Streit entstanden.
Der Kläger begehrte mit der am 30. Dezember 1975 eingebrachten Klage die Unterlassung der Weiterleitung von aus der Gp. 1515/5 der KG S stammenden Wassers an Dritte, weil das Wasserbezugsrecht nur im Umfang der bisherigen Nutzung ersessen sein konnte, die sich auf die Verwendung des Wassers für eigene Zwecke des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes der beiden Beklagten beschränkt habe. Die Beklagten beschränkten sich aber nicht mehr auf die Ableitung des Wassers für ihre Landwirtschaft, sondern hätten den Anschluß Dritter an die Wasserleitung zugelassen.
Demgegenüber behaupteten die beklagten Parteien, daß den Eigentümern des J-Hofes jedenfalls seit dem Jahre 1910 das Recht zustehe, die gegenständliche Quelle ganz und uneingeschränkt in dem Ausmaß, in dem Wasser daraus fließe, für den J-Hof zu benützen und über dieses Wasser nach Belieben zu verfügen. Es sei auch immer das gesamte Quellwasser zum J-Hof und mit Wissen und Willen seines Eigentümers teilweise zum Sp-Hof geleitet worden. Im Umfang der Wasserentnahme aus der Quelle habe sich durch den Anschluß dreier Einfamilienhäuser an die Wasserleitung deshalb nichts verändert, weil ein früher ständig laufender Brunnen vor dem Hofe der Beklagten abgestellt worden sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien Folge und wies das Klagebegehren auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen ab.
Im Revisionsverfahren ist demnach von folgendem wesentlichen Die auf der Gp. 1515/5 KG S entspringende Quelle diente schon zumindest im Jahre 1910 zur Wasserversorgung des J-Hofes und wurde dementsprechend auch teilweise "J-Wasser" genannt. 1910 wurde das Brunnmoos um die Quelle trockengelegt, ein Kanal aus Stein und an seinem Ende eine lärchene Holzkiste angebracht. sammelnde Wasser wurde mit Holzrohren von 5/4 bis 11/2 Zoll Querschnitt zum J- Hof geleitet und "J-Leitung" genannt. Diese Wasserleitung führte zum Teil durch Liegenschaften die zum benachbarten Sp-Hof gehören. Im Zusammenhang mit der Durchnässung des Erdreiches aus undichten Holzrohren gestattete Christian S, der damalige Eigentümer des J-Hofes, dem Eigentümer des Sp-Hofes den Anschluß an die Quellfassung derart, daß der Sp-Hof nur das Überwasser aus einer Holzleitung bezog, die den gleichen Querschnitt wie die J-Leitung hatte. Diese wurde 1925 durch Eisenrohre mit einem Querschnitt von einem Zoll ersetzt. 1974 errichteten die Beklagten auf ihrem Grund ein großes Sammelbassin mit einem Fassungsvermögen von etwa 50 m3, das mit einer eineinhalb Zoll starken Eisenleitung mit der alten Quellfassung verbunden wurde. Vom Sammelbecken wird das Wasser seither mit einem drei Zoll starken Kunststoffrohr zum J-Hof abgeleitet. Bis zum Jahr 1973 stand vor diesem ein ständig laufender Brunnen, der auch der Viehtränke diente und seither außer Betrieb gesetzt ist. Das Vieh wird nunmehr in Selbsttränkebecken getränkt, die wesentlich weniger Wasser benötigen.
Christian A, ab 1957 Eigentümer des J-Hofes, verkaufte aus dessen Gutsbestand drei Parzellen als Baugrunde, auf denen ab 1969 drei Häuser errichtet wurden. Zwei davon sind bereits bewohnt, das dritte ist noch im Bau. Die fertiggestellten Häuser wurden zur Wasserversorgung an jene Wasserleitung angeschlossen, die das Wasser aus der Quelle des Klägers ableitet. Der Anschluß des dritten Hauses ist geplant.
Der Bezug des Überwassers aus der Quelle des Klägers durch die jeweiligen Eigentümer des Sp-Hofes war auf Grund des zweiten Anschlusses ersichtlich. Zumindest Stefan E, Eigentümer des F-Hofes ab 1936 und auch der Kläger wußten von diesem Wasseranschluß, haben aber nie etwas dagegen unternommen. Beide schöpften aber selbst Wasser aus ihrer Quelle, was den Eigentümern des J-Hofes nicht bekannt war. Johann B, der derzeitige Eigentümer des Sp-Hofes bezog das Wasser für seine Landwirtschaft nur zum Teil aus der Quelle des Klägers, zum Teil aus einer anderen Quelle, weil in trockenen Jahren nicht immer ausreichend Überwasser vorhanden war. Er erschloß im Jahre 1970 eine eigene Quelle und benötigte daher das Überwasser aus der Quelle des Klägers nicht weiter. Überwasser floß aus der Quellfassung in ein Bächlein ab. Die Quelle des Klägers liefert je nach Witterung und Wasseranfall 0.15 bis 0.5 l pro Sekunde, sohin 12 960 bis 34 200 l pro Tag. Für den derzeitigen Bedarf des Hofes der Beklagten also ohne laufenden Hofbrunnen, werden 3200 l Wasser pro Tag benötigt. Ein üblicher laufender Hofbrunnen benötigt eine Wassermenge von 0.15 bis 0.21 pro Sekunde.
Bereits im Jahre 1970 erklärte Johann B dem Kläger gegenüber, er verzichte auf das Überwasserbezugsrecht dieser Quelle zugunsten der Häusler, die beim J-Hof bauten.
Bei einem Zusammentreffen des Klägers mit dem Erstbeklagten im Zusammenhang mit einer amtlichen Untersuchung der Wasserversorgungsmöglichkeiten im Jahre 1975 bestritt der Kläger ein Recht der Beklagten, die drei Neubauten im Bereiche ihres Hofes an diese Wasserleitung anschließen zu lassen, während der Erstbeklagte den Standpunkt vertrat, er habe ein solches Recht, weil ihm das Überwasserbezugsrecht des B zugefallen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß § 484 ABGB kann der Besitzer des herrschenden Gutes sein Recht aus der Grunddienstbarkeit auf die ihm gefällige Art ausüben. Servituten dürfen aber nicht eigenmächtig erweitert werden. Bei dem Recht, Wasser aus einer auf fremdem Grund gelegenen Quelle zu beziehen, handelt es sich in erster Linie um eine Felddienstbarkeit im Sinne des § 496 ABGB, wobei über den Bestand und Umfang von Wasserbezugs- und Wasserleitungsdienstbarkeiten die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (vgl. Klang in Klang[2] II, 572, 574). Auch für diese Dienstbarkeiten gelten in entsprechender Anwendung die in den §§ 494, 495 ABGB aus den allgemeinen Grundregeln abgeleiteten Rechtssätze. Demnach hat sich dann, wenn das Ausmaß der Ausübung der Dienstbarkeit im Erwerbstitel nicht ausdrücklich bestimmt ist, wie dies beim Erwerb durch Ersitzung der Fall ist, dieses nach dem Umfang der tatsächlichen Ausübung zu richten; bei ungemessenen Dienstbarkeiten ist nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Augenblick der Bestellung, sondern das jeweilige Bedürfnis maßgebend (Klang a. a. O., 564; EvBl. 1961/333, 437; 6 Ob 535/76 u. a.). Grundsätzlich ist dabei immer davon auszugehen, daß eine ausgedehntere, das dienende Grundstück stärker belastende Benützung unzulässig sein muß (Ehrenzweig, System[2] I/2, 311 f.; SZ 42/10). Im Falle eines Wasserbezugsrechtes, das die gesamte abgeleitete Wasserschüttung einer auf dem Gründe des Dienstbarkeitsverpflichteten befindlichen Quelle umfaßt, ist allerdings eine stärkere Inanspruchnahme und damit eine Beeinträchtigung seiner Rechte nicht gegeben, wenn der Dienstbarkeitsberechtigte das auf seinen Grund geleitete Wasser nicht mehr ausschließlich für seine Zwecke verwendet. Es kann nicht übersehen werden, daß eine Veränderung des Verwendungszweckes des abgeleiteten Wassers keinerlei Rückwirkungen für das Ausmaß der Belastung des Dienstbarkeitsverpflichteten haben kann. Daß der Berechtigte das einmal auf seinen Grund gelangte Wasser bestimmungsgemäß oder anders oder gar nicht verwendet, ist ohne Bedeutung. Andauernde Nichtverwendung könnte allerdings als Hinweis für die Entbehrlichkeit der Dienstbarkeit in Betracht kommen und zu ihrem erlöschen führen (Klang in Klang a. a. O., 573). Da die Sachlage bei einer Zweckänderung bei der Ausübung eines Geh- und Fahrtrechtes zufolge der damit im allgemeinen gegebenen Veränderung der Belastung des Dienstbarkeitsverpflichteten wesentlich anders gelagert ist, kann die diesbezüglich vorhandene Judikatur für den vorliegenden Fall keine Bedeutung haben.
Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers geht das angefochtene Urteil im Ergebnis den Tatsachen entsprechend davon aus, daß den beklagten Parteien das Recht der ausschließlichen Nutzung der gesamten Wasserschüttung der klagsgegenständlichen Quelle zustehe. Dies erhellt schon daraus, daß diese Quelle je nach Witterung und Wasseranfall 0.15 bis 0.50 l Wasser pro Sekunde liefert und der bis zum Jahre 1973 ständig laufende Brunnen vor dem J-Hof wie ein üblicher laufender Hofbrunnen eine Wassermenge von 0.15 bis 0.2 Liter pro Sekunde benötigt. Dieser Hofbrunnen verbraucht sohin in trockenen Zeiten die gesamte aus der Quelle geschüttete Wassermenge. Dem entspricht auch die Feststellung, daß in solchen Zeiten der Sp-Hof kein Überwasser beziehen konnte. Daß die Eigentümer des F-Hofes selbst auch immer wieder Wasser aus der Quelle schöpften, war den Eigentümern des J-Hofes nicht bekannt und auch nicht erkennbar, weil die Quellfassung in der lärchenen Holzkiste offenbar immer eine hinlängliche Wassermenge aufwies. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers kann dem Umstand, daß die Wasserleitung von der Quellfassung zur Liegenschaft der beklagten Parteien mit Rohren " erfolgte, die in verschiedenen Zeiträumen unterschiedliche Querschnitte aufwies, keine wesentliche Bedeutung zukommen, weil nicht feststeht, daß der geringere Querschnitt zur Ableitung des gesamten geschütteten Wassers nicht hingereicht hätte. Dem entspricht auch die Bekundung des als sachverständiger Zeuge vernommenen Ing. Josef M, eines Beamten der Tiroler Landesregierung, der mit dem Projekt der Wasserversorgung im Bereiche der Streitteile beauftragt war. Demnach kann wohl ein Sechsviertel-Zoll-Rohr eine Wassermenge von 1 Liter pro Sekunde befördern. Es war aber die frühere Leitung mit einem Querschnitt von einem Zoll zufolge der Sogwirkung, die mit der Länge der Leitung verbunden war, geeignet, die gesamte maximal anfallende Wassermenge von 0.5 Liter pro Sekunde zu befördern, wenn der Querschnitt in seiner gesamten Breite frei war.
Was die den Eigentümern des Sp-Hofes durch die Eigentümer des J-Hofes eingeräumte Teilnahme am Wasserbezug durch Überlassung des Überwassers anbelangt, so steht fest, daß dies auf Grund des ohne weiteren erkennbaren zweiten Anschlusses ersichtlich war und daß der Kläger und sein Rechtsvorgänger Stefan E, der den F-Hof im Jahre 1936 übernommen hat, von diesem Wasseranschluß wußten, aber nichts dagegen unternommen haben. Es steht auch fest, daß Christian S, der Eigentümer des J-Hofes im Jahre 1910 es war, der dem Eigentümer des Sp-Hofes dieses Recht einräumte. Gerade aus dem Umstand, daß es sich bei dem Wasserentnahmeanschluß für den Sp-Hof nur um eine Möglichkeit zum Bezug des Überwassers handelte, ergibt sich aber zwingend der Schluß, daß den beklagten Parteien grundsätzlich das Recht zum Bezug der gesamten Quellschüttung zustand, das in trockenen Zeiten von ihnen auch zur Gänze ausgenützt wurde. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß durch diese bis zum Jahre 1974 aufrecht erhaltene Anlage der Quellfassung auch eine bis dahin bestehende Verfügung der beklagten Parteien über das gesamte anfallende Wasser der Quellschüttung stattgefunden hat. Im Hinblick auf die festgestellte Zustimmung des Eigentümers des J-Hofes zur Überwasserbezugsleitung für den Sp-Hof kann entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht als Rechtsgrund die Ersitzung durch die Eigentümer des Sp-Hofes angenommen werden. Damit sind auch die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen auf den Verzicht auf diesen Überwasserbezug seitens des letzten Eigentümers des Sp-Hofes unstichhältig.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist sohin davon auszugehen, daß die beklagten Parteien und ihre Rechtsvorgänger das gegenständliche Wasserbezugsrecht in einem Ausmaß ersessen haben, das im Hinblick auf den stark unterschiedlichen Wasseranfall aus der Quellschüttung das Recht der praktisch ausschließlichen Nutzung der Quelle zur Versorgung ihrer Liegenschaft mit Trink- und Nutzwasser bedeutet hat, wobei das gelegentliche Wasserschöpfen durch die Kläger nicht ins Gewicht fallen konnte und von der Anlage der Quellfassung her in jedem Falle gewährleistet war, sofern diese nicht zur Gänze versiegte. Daß die unrationelle Verwendung des Wassers durch die beklagten Parteien, nämlich das ständige Ablaufenlassen in einen Hofbrunnen durch die Aufnahme in einem Wasserbecken abgeändert wurde, die eine entscheidende Einsparung des Wasserverbrauches ermöglicht, die auf der anderen Seite durch den Anschluß von Wasserbeziehern auf den von der beklagten Partei verkauften Teilen des herrschenden Grundstückes ausgenützt wurde, kann demnach für die Entscheidung der vorliegenden Rechtssache keine entscheidende Bedeutung haben. Die Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit kann nicht auch dahin verstanden werden, daß in Zeiten erhöhter Quellschüttung, die über das jeweilige Bedürfnis der beklagten Parteien vorübergehend hinausgeht, dementsprechende Einschränkungen ihres Wasserbezuges zu erfolgen hätte und hier auch noch der Bezug von Trink- oder Nutzwasser zu unterscheiden wäre. Dies wäre auch nach der seit Jahrzehnten bestehenden Anlage der Quellfassung und der Wasserableitung praktisch kaum durchführbar.
Im Hinblick auf diese Erwägungen kann auch der allenfalls bestehenden Möglichkeit des neuerlichen Anschlusses des Hausbrunnens sowie des zusätzlichen Anschlusses eines Hydranten an die Wasserleitung keine rechtliche Bedeutung zukommen, sodaß die diesbezüglich ausgeführten Revisionsgrunde schon deshalb ins Leere gehen müssen.
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