OGH 5Ob549/89

OGH5Ob549/892.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Karl F.Engelhart, Rechtsanwalt in 1033 Wien, Esteplatz 4, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*** M*** Textilgesellschaft mbH, 1214 Wien, Schererstraße 10, wider die beklagte Partei A*** A*** Grundstückverwaltung Gesellschaft mbH, 1030 Wien, Kundmanngasse 12, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1988, GZ 48 R 637/88-12, womit infolge der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27.Juni 1988, GZ 6 C 255/88-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.949,03 (einschließlich S 3.991,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Masseverwalter in dem am 8.1.1988 (4 S 4/88 des Handelsgerichtes Wien) eröffneten Konkurs über das Vermögen der prot.Firma L*** M*** Textilgesellschaft mbH kündigte mittels des der beklagten Partei als Vermieter am 5.2.1988 zugestellten Schriftsatzes das Mietverhältnis betreffend das Objekt in 1214 Wien, Schererstraße 10 (Liegenschaft EZ 3041 KG Leopoldau) unter Berufung auf § 23 KO und § 560 Abs 1 Z 2 lit e ZPO (dreimonatige Kündigungsfrist) zum 10.5.1988 auf. Vorsichtsweise erklärte der Masseverwalter in dem Kündigungsschriftsatz auch den Rücktritt vom Vertrag nach § 21 KO.

Die beklagte Partei macht in ihren Einwendungen geltend, der Kündigungstermin sei verfehlt, weil eine Kündigung erst zum 30.6.1988 möglich gewesen wäre. Auch werde dem Rücktritt vom Vertrag gemäß § 21 KO entgegengetreten.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und die beklagte Partei kostenpflichtig für schuldig, den Bestandgegenstand binnen 14 Tagen zu übernehmen. Es stellte zusätzlich zu dem oben wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhalt (betreffend die Konkurseröffnung) fest, daß nach dem Inhalt des Mietvertrages das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverhältnis von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Jahresende kündbar sei.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, § 23 KO verhalte den Masseverwalter nur zur Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist, wenn diese kürzer sei als die vertragliche, verlange aber nicht die Beachtung vertraglicher oder gesetzlicher Kündigungstermine. § 23 KO müsse diesbezüglich in gleicher Weise ausgelegt werden wie die die Aufkündigung von Arbeitsverhältnissen betreffende Bestimmung des § 25 KO. Auch dabei habe die Rechtsprechung lediglich die Beachtung der gesetzlichen oder zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist ohne Bindung an gesetzliche oder vertragliche Kündigungstermine für zulässig erachtet. Auf den vom Masseverwalter nach § 21 KO ausgesprochenen Rücktritt vom Vertrag sei daher nicht weiter einzugehen.

Das Berufungsgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung unter gleichzeitigem Ausspruch, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige, dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Übernahembegehren kostenpflichtig abwies. Die zu § 25 Abs 1 KO entwickelte Rechtsprechung zur Aufkündigung von Dienstverhältnissen durch den Masseverwalter, wonach dieser an Kündigungstermine nicht gebunden sei, könne bei Bedachtnahme auf § 560 ZPO nicht im Wege der Analogie auf die völlig andersgeartete Spezialnorm des § 23 KO übertragen werden. § 23 Abs 1 KO ermächtige den Masseverwalter zur Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen oder vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist. Dadurch werde eine materielle Vorschrift über die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung von Bestandverträgen geschaffen. Daraus ergebe sich aber, daß die Begünstigung der vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit genau festgelegt worden sei und im übrigen die Vorschriften der ZPO und somit die dort enthaltenen Kündigungstermine völlige Anwendung zu finden hätten. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rechtsnatur der im § 560 ZPO festgelegten Kündigungstermine. Es solle eben die Beendigung eines Bestandverhältnisses nur zu den im Gesetz oder in der Vereinbarung genannten Terminen möglich sein. Die im Jänner 1988 ausgesprochene Aufkündigung hätte daher unter Einhaltung einer Dreimonatsfrist frühestens zum (dabei nächstmöglichen gesetzlichen Kündigungstermin) 30.Juni 1988 erfolgen können. Die zum verfehlten Kündigungstermin 10.Mai 1988 ausgesprochene Aufkündigung müßte daher aufgehoben werden. Die durch § 21 Abs 1 KO dem Masseverwalter eingeräumte Möglichkeit, von zweiseitigen Verträgen zurückzutreten, sei zur Vermeidung der Umgehung der Kündigungsschutzbestimmungen auf Bestandverträge nicht anwendbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, daß Gegenstand dieses Rechtsstreites die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der vom Masseverwalter vorgenommenen Aufkündigung des Bestandverhältnisses ist, nicht aber die Wirksamkeit eines Rücktrittes vom Vertrag nach § 21 KO. Das gestellte Klagebegehren entspricht nämlich nur demjenigen eines Kündigungsverfahrens. Mit dem vom Masseverwalter vorsichtweise erklärten Rücktritt vom Vertrag unter Berufung auf die letztgenannte Gesetzesbestimmung hat sich das Revisionsgericht daher nicht zu befassen.

Die sowohl vor (SZ 46/73) als auch nach (SZ 57/145 mit ausführlicher Darstellung der Literatur) Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes gleichbleibende Rechtsprechung zu § 25 Abs 1 KO, daß der Masseverwalter bei Aufkündigung eines Arbeitsverhältnisses nur die gesetzlichen oder zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfristen, nicht aber die in verschiedenen Bestimmungen vorgesehenen Kündigungstermine einhalten müsse, kann nicht ohne weiteres auf die Auslegung des § 23 Abs 1 KO betreffend die Aufkündigung von Bestandverträgen übertragen werden. Dies folgt schon daraus, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Konkursordnung bei Beendigung eines Dienstverhältnisses bestimmte Kündigungstermine nicht einzuhalten waren und selbst die erst später eingeführte §§ 1159 ff ABGB einen bestimmten Endzeitpunkt für die Auflösung eines Dienstverhältnisses nur in einem einzigen Fall im Zusammenhang mit der Beschreibung der Kündigungsfrist vorsahen. Die Bestimmung des § 25 Abs 1 KO konnte daher von vornherein gar nicht auf bestimmte Kündigungstermine Bedacht nehmen.

Anders verhält es sich jedoch bei der in § 23 Abs 1 KO vorgesehenen Möglichkeit der Aufkündigung eines Bestandverhältnisses durch den Masseverwalter unter Einhaltung der gesetzlichen oder der vertraglich kürzeren Kündigungsfrist. Bestimmte Kündigungstermine waren nach der damaligen Regelung einzuhalten, wie sich aus der in § 4 Abs 2 Z 2 des Kündigungsfristengesetzes, BGBl 1957/257, enthaltenen Aufzählung der diesbezüglich früher in Geltung gestandenen Vorschriften ergibt (vgl.diesbezüglich auch die Zusammenstellung in der 19. und 20. Auflage der MGA-ABGB, jeweils bei § 1116; ferner die Landesgesetze des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, Wien 1884, Seite 105 ff). Auch die Denkschrift zur Konkursordnung (Denkschrift, 27) geht davon aus, daß die Aufkündigung eines Bestandverhältnisses durch den Masseverwalter unter Einhaltung der vorgegebenen Kündigungstermine zu erfolgen hat. Dieselbe Meinung wird in der Lehre vertreten (Lehmann KO I 164, Petschek-Reimer-Schiemer, Insolvenzrecht 276;

Bartsch-Pollak KO I 135). Die deutsche Lehre und Rechtsprechung (Kuhn-Uhlenbruck, KO10 464 mwN, insbes. JW 1904, 97 zu § 17 der früheren Reichskonkursordnung) geht davon aus, daß der Masseverwalter die Kündigung nach dem dort vergleichbaren § 19 KO nur innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist nach § 565 BGB vornehmen darf. Dabei ist aber zu beachten, daß die Regelung der Kündigungsfristen in § 565 BGB auch jeweils das Fristende an bestimmte Zeitpunkte knüpft, also insofern auch eine Regelung dessen enthält, was nach Terminologie des § 560 der österreichischen ZPO unter Kündigungstermin zu verstehen ist.

Aus der Tatsache, daß § 23 Abs 1 KO nur eine Begünstigung des Masseverwalters hinsichtlich der einzuhaltenden Kündigungsfrist enthält, über Kündigungstermine ausdrücklich aber nichts aussagt, obgleich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Konkursordnung die Kündigung auch nur zu bestimmten Terminen erfolgen konnte, folgt daher, daß der Masseverwalter das Mietverhältnis zum frühestmöglichen Zeitpunkt beenden können soll, und zwar je nachdem, ob der aus den gesetzlichen Vorschriften oder aus der Vereinbarung abgeleitete Endzeitpunkt früher liegt. Eine solche Auslegung des § 23 Abs 1 KO steht auch mit der sonstigen Rechtsprechung zu § 560 ZPO im Einklang, wonach die gesetzliche Regelung des Kündigungstermins in erster Linie den Zweck hat, die Beendigung des Bestandverhältnisses nur zu dem im Gesetz (oder Vertrag) vorgesehenen Termin zu ermöglichen, während zu anderen Terminen die Aufkündigung des Bestandverhältnisses schlechthin ausgeschlossen ist (MietSlg 28.614 ua).

Die vom Masseverwalter zu einem unzulässigen Kündigungstermin (10.5.1988) ausgesprochene Aufkündigung wurde daher vom Berufungsgericht zutreffend aufgehoben.

Der Oberste Gerichtshof muß daher nicht prüfen, ob zur Aufkündigung durch den Masseverwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 116 KO) erforderlich wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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