OGH 5Ob536/86

OGH5Ob536/8610.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Vogel, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Franz A***, geboren 27. Juni 1976, und Angelina A***, geboren 17. März 1979, beide vertreten durch die Kindesmutter Anna D***, Unterlindach 9, 5230 Mattighofen, diese vertreten durch Dr. Josef Bleierer, Rechtsanwalt in Mattighofen, infolge Revisionsrekurses der beiden Kinder gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Ried i.I. als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ R 17/86-49, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 28. November 1985, GZ P 64/85-40, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die im Jahre 1978 geschlossene Ehe der Eltern wurde am 23.2.1984 geschieden, wobei die Rechte im Sinne des § 144 ABGB bezüglich der beiden Kinder Franz, geboren 27.6.1976, und Angelina, geboren 17.3.1979, der Mutter zuerkannt wurden. Die Eltern hatten nach der Eheschließung zunächst im Hause der mütterlichen Großeltern in Straßwalchen, in der Folge im Hause der väterlichen Großmutter Hedwig K*** und zuletzt bis zur Scheidung in einer eigenen Wohnung in Schalchen gewohnt. Wegen der Berufstätigkeit der Mutter wurden die Kinder tagsüber oft von der väterlichen Großmutter betreut, bei der sie sich insgesamt mehrere Jahre befanden. Am 7.11.1984 verunglückte der Vater bei einem Verkehrsunfall tödlich. Danach brachte die Mutter, die seit 11.5.1985 mit Johann D*** verheiratet ist, die beiden Kinder zu den mütterlichen Großeltern, wo sie auch noch einige Zeit bleiben werden. Mit der Begründung, die Kinder würden gegen sie und den Stiefvater aufgehetzt, schnitt die Mutter jeden Kontakt zur väterlichen Großmutter und den väterlichen Verwandten ab.

Das Erstgericht wies den Antrag der väterlichen Großmutter Hedwig K***, Hausfrau, Unterweinberg 7, ihr hinsichtlich der mj. Kinder Franz und Angelina A*** ein Verkehrsrecht dahin einzuräumen, daß sie die Minderjährigen an jedem ersten Samstag oder Sonntag im Monat um 9 Uhr abholen könne und um 18 Uhr desselben Tages wieder zurückzubringen habe und daß sie in den Weihnachtsferien und Osterferien die Kinder drei Tage und in den großen Ferien drei Wochen bei sich haben könne, zur Gänze ab. Die Mutter der Kinder hatte sich gegen jedes Besuchsrecht mit der Begründung ausgesprochen, daß die väterliche Großmutter die Kinder nur gegen sie und ihren jetzigen Mann aufhetzen würde und daß das Verhältnis zwischen der väterlichen Großmutter einerseits, ihr, ihrem Gatten und den mütterlichen Großeltern äußerst gespannt sei. Das Erstgericht verwies zwar darauf, daß nach dem eingeholten eingehenden fachpsychologischen Gutachten das beantragte Besuchsrecht im Interesse der Kinder sei, erachtete aber als ausschlaggebend, daß zwischen der väterlichen Großmutter einerseits und der Mutter, deren jetzigen Gatten und der mütterlichen Großeltern andererseits so schwere Differenzen und Spannungen bestünden, daß dadurch die ruhige Entwicklung der Minderjährigen gestört werden könnte. Damit fehle es an den Voraussetzungen für die Einräumung des beantragten Verkehrsrechtes im Sinne der Bestimmungen des § 148 Abs.2 ABGB.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin teilweise Folge und räumte ihr ein Verkehrsrecht in der Form ein, daß die väterliche Großmutter die Minderjährigen an jedem ersten Samstag oder Sonntag im Monat um 9 Uhr abholen könne, wobei sie die Kinder bis 18 Uhr desselben Tages wieder zurückzubringen habe. Die Abweisung des Mehrbegehrens auf Einräumung des Verkehrsrechtes in den Ferien wurde bestätigt. Das Rekursgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß das Besuchsrecht der Großeltern insoweit einzuschränken sei, als dadurch nicht die Ehe oder das Familienleben der Eltern bzw. eines Elternteiles oder deren Beziehungen zum Kind gestört werden dürften. Insbesondere im Hinblick auf die relativ starken Beziehungen der Kinder zur Antragstellerin wegen des insgesamt mehrjährigen Aufenthaltes in ihrem Haushalt sowie im Hinblick auf das eine Besuchsrechtseinräumung befürwortende Sachverständigengutachten sei aber nicht ersichtlich und sei auch vom Erstgericht nicht ausreichend zum Ausdruck gebracht worden, worin die konkrete Gefährdung der Kinder im Falle der Zuerkennung eines Verkehrsrechtes bestehen sollte. Im wesentlichen seien dafür die gespannten Beziehungen zwischen der Kindesmutter und der Antragstellerin herangezogen worden, doch sei der hartnäckige Widerstand eines Elternteiles gegen das Verkehrsrecht der Großeltern nicht von den im Gesetz angeführten Versagungsgründen umfaßt (EFSlg. 35.934). Abstrakte Befürchtungen vermöchten nicht zu einer Beschränkung des Besuchsrechtes der Großeltern zu führen. Da sich die Kinder ohnedies nicht bei der Mutter, sondern bei den mütterlichen Großeltern befänden, seien auch keine konkreten Anzeichen dafür gegeben, daß sie infolge der Spannungen zwischen der Antragstellerin und der Mutter in diesen Konfliktskreis hineingezogen würden. Da für die Beantwortung der Frage, ob die Ausübung eines Besuchsrechtes durch die Großmutter eine Störung der Eltern-Kind-Beziehung bilde, nicht die persönliche Einstellung eines Elternteiles, sondern ein objektiver Beurteilungsmaßstab maßgeblich sei (EFSlg. 38.293), könne bei der gegebenen Sachlage kein ausreichender Grund für die gänzliche Verweigerung eines Verkehrsrechtes der Großmutter gefunden werden. Es erscheine allerdings unter Bedachtnahme auf das Wohl der Kinder angebracht, das beantragte Besuchsrecht - zumindestens vorläufig - auf einmalige Kontakte im Monat zu beschränken. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der beiden Kinder mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wiederherzustellen, in eventu die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlußfassung an das Erstgericht oder an das Rekursgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Insoweit die Rechtsmittelwerber eine "Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens" darin erblicken, daß keine Beweise darüber aufgenommen worden seien, ob das beantragte Besuchsrecht der väterlichen Großmutter sich zum Nachteil der beiden Minderjährigen "ausüben" werde, und ob durch die wiederkehrende Einflußnahme der väterlichen Großmutter sowie durch die bereits bestehenden Spannungen zwischen ihr und der Mutter und den mütterlichen Großeltern eine konkrete Gefährdung des Kindeswohles gegeben sei, ist auf die eingehende Exploration und Befundaufnahme durch die Sachverständige Dr. Elisabeth G*** zu verweisen. Diese hat sowohl in ihrem schriftlichen Gutachten vom 8.7.1985 als auch in der mündlichen Ergänzung vom 17.10.1985 die hier aufgeworfenen Fragen berücksichtigt und dazu Stellung genommen. So wurde bei Darstellung der Vorgeschichte insbesondere auch darauf hingewiesen, daß jedweder Kontakt zur väterlichen Großmutter und den väterlichen Verwandten von der Mutter der Kinder mit der Begründung abgeschnitten worden sei, diese würden gegen sie und den Stiefvater aufgehetzt, außerdem lehne die Mutter das Milieu und den verwöhnenden Erziehungsstil bei der Großmutter ab (AS 69 f). Diesbezüglich wurde von der Sachverständigen darauf hingewiesen, daß eine eingehende Besprechung mit der väterlichen Großmutter stattgefunden habe, daß jedwede Beeinflussung der Kinder gegen die Mutter, den Stiefvater oder die mütterlichen Großeltern den Kindern zum Schaden gereichen würde und Frau K*** glaubhaft versichert habe, sich in dieser Richtung Mühe zu geben. Das Gutachten gelangte demnach unter Berücksichtigung dieser Einwendungen zu dem Ergebnis, daß aus psychologischer Sicht eine Ausübung des Besuchsrechtes der väterlichen Großmutter durchaus im Interesse der Entwicklung der Kinder gelegen sei, die einen Großteil ihrer früheren Lebenszeit in ihrer Obhut verbracht hätten. Dies umso mehr, als in diesem Rahmen auch eine Aufarbeitung des tragischen Vaterverlustes eher möglich sei als bei anderen Bezugspersonen (AS 97). Die Mutter solle zwar die bevorzugte Bezugsperson für die Kinder sein. Durch die vielen Spannungen sei es aber nie zu einer echten Bindung mit der Mutter gekommen. Eine besondere Bezugsperson für die Kinder sei die väterliche Großmutter. Diese solle nun auch noch den Kindern weggenommen werden. Wenn der mj. Franz eindeutig sage, daß er weder mit der Mutter noch mit den mütterlichen Großeltern über den Verlust seines Vaters sprechen könne, so sei das nicht zu seinem Vorteil. Der Vater sei zwar nicht mehr da, aber das Kind könne durch Gespräche mit der Großmutter von ihm erfahren. Die Gutachterin hat schließlich noch darauf hingewiesen, daß die Beobachtungen der Interaktionen zwischen der Großmutter und den Kindern Hinweise auf ein gewachsenes vertrautes Verhältnis zueinander gäben und die Kinder den Eindruck erweckten, daß sie sich bei der väterlichen Großmutter wohlfühlten und auch aktiv Kontakte zu Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen anstrebten. Damit liegt eine hinlängliche Sachverhaltungsgrundlage für die gezogene Schlußfolgerung in der Richtung vor, daß die beantragte Besuchsrechtsausübung durch die väterliche Großmutter auch angesichts der Gesamtlage, d.h. der angespannten Beziehungen zwischen den Verwandten väterlicher- und mütterlicherseits und der psychischen Situation der Kinder durchaus in deren Interesse gelegen sei und eine konkrete Gefährdung ihres Wohles insbesondere bei einem angemessenen und angepaßten Verhalten dieser beiden Personengruppen nicht anzunehmen sei.

Die Untergerichte haben zutreffend darauf hingewiesen, daß das Recht der Großeltern auf persönlichen Verkehr im Sinne des § 148 Abs.2 ABGB nicht zum Tragen kommen könne, wenn dadurch entweder die Ehe oder das Familienleben der Eltern (bei Wiederverehelichung des pflegenden Elternteiles allein) oder die Beziehungen zwischen Eltern und Kind gestört würden (vgl. Pichler in Rummel, Rz 5 zu § 148). Es kann aber nur ein objektiver Beurteilungsmaßstab und nicht die persönliche Einstellung der Eltern dafür maßgebend sein, ob das Besuchsrecht der Großeltern eine Störung ihres Familienlebens oder ihrer Beziehungen zum Kind darstellt. Wenn das Wohl des Kindes den persönlichen Kontakt mit den Großeltern wünschenswert erscheinen läßt, muß auch von den Eltern verlangt werden, daß sie eine Atmosphäre schaffen, die einen solchen Kontakt ermöglicht. Die Feindschaft des Elternteiles, bei dem sich das Kind befindet, mit dem das Besuchsrecht anstrebenden Großelternteil ist nicht geeignet, dem Großelternteil das Besuchsrecht zur Gänze abzusprechen (EFSlg.45.789). Wohl haben aber auch die Großeltern bei Ausübung des Besuchsrechtes alles zu vermeiden, was zu einer Störung des Familienlebens oder ihrer Beziehungen zu dem Kind führen könnte (EFSlg.33.527). Bei dieser Rechtslage ist dem Rekursgericht darin beizupflichten, daß die gespannten und labilen Beziehungen der Verwandten der Kinder mütterlicher- und väterlicherseits noch keine abschließende Grundlage für die gänzliche Verweigerung eines Verkehrsrechtes der Großmutter abgeben können. Wenn die Revisionsrekurswerber in ihren Ausführungen immer neue Vorwürfe bezüglich einer Aufhetzung und Einflußnahme gegen die Kindesmutter und die mütterlichen Großeltern vorbringen und diesbezüglich auf das Protokoll vom 17.10.1985 verweisen, so ist dazu zu bemerken, daß der Vorwurf einer "Aufhussung" der Kinder gegen sie oder die mütterlichen Großeltern zumeist nur in ganz allgemeiner Form geschehen ist. Konkret vorgebracht wurde etwa, daß die Mutter jetzt einen Lebensgefährten habe und die väterliche Großmutter die beiden Kinder schon gegen ihn in der Weise aufgehußt habe, daß er nicht ihr richtiger Vater sei (AS 23 f). Auch in der Eingabe vom 29.7.1985, auf die die Rekurswerber Bezug nehmen, wird nur darauf hingewiesen, daß die Antragstellerin den Bemühungen der Mutter der Kinder entgegen gegen sie und ihre Eltern hetze und dies nicht nur vor Dritten, sondern auch in Gegenwart der Kinder. Wie bereits dargelegt, hat dies aber keine negative Beurteilung der psychologischen Situation durch die Gutachterin gefunden. Daß schließlich das Wohl der beiden Kinder auch durch eine Beeinträchtigung der Erziehungskontinuität gefährdet wäre, ist aus dem festgestellten Sachverhalt gleichfalls nicht abzuleiten. Dem Berufungsgericht ist demnach in der Auffassung beizupflichten, daß jedenfalls bei der gegebenen Sachlage und für eine gewisse Beobachtungs- und Bewährungsphase keine gravierenden Bedenken gegen die beantragte Verkehrsrechtseinräumung wahrgenommen werden können.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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