OGH 5Ob532/89

OGH5Ob532/897.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Huber und Dr.Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Androja I***, Arbeiter, Ölweingasse 36/12, 1150 Wien, vertreten durch Dr.Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Franz S***, Pensionist, und 2.) Martha S***, im Haushalt, beide Anton Stöcklgasse 39, 2191 Gaweinsthal, Schrick, beide vertreten durch Dr.Barbara Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2,000.000,-- S sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Juli 1987, GZ 18 R 142/87-42, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Dezember 1986, GZ 36 Cg 206/84-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 21.545,86 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.958,71 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2.) Der Antrag der klagenden Partei auf Verhängung einer Mutwillensstrafe über die beklagten Parteien wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Als der Kläger im Jahre 1982 vom Erstbeklagten die Herausgabe von 4 Sparbüchern mit einem Einlagestand von je (rund) 500.000,-- S verlangte, die er zunächst seiner Tante (der Mutter der Zweitbeklagten) übergeben hatte und die in der Folge vom Erstbeklagten verwahrt worden waren, mußte er erfahren, daß dieser die Sparbücher als Sicherstellung für einen aufgenommenen Kredit hinterlegt hatte. Beide Beklagten sagten die Herausgabe der Sparbücher bis 15.August 1982 zu und unterfertigten gleichzeitig folgende Erklärung:

"Ich, Franz S***, habe von I***-S*** Androja vier

Sparbücher der Länderbank Wien, jedes auf den Betrag von 502.000

(fünfhundertzweitausend) Schilling zur Aufbewahrung übernommen.

Diese Sparbücher haben folgende Nummern:

114-465-795

114-465-806

114-855-704

114-375-511

und alle das Losungswort "S***".

Ich habe sie ohne das Wissen und die Zustimmung I***-S*** Androjas bei der Raiffeisenkassa als Pfand und zur Deckung meiner Schuld hinterlegt und Sperren lassen.

Die Unterzeichner dieser Erklärung verpflichten sich, die oben angeführten Sparbücher bis 15.August 1982 Herrn I***-S*** Androja frei von allen Lasten zu übergeben oder den Gesamtwert mit allen Zinsen zu bezahlen.

Wien, 15.Juni 1982".

Die in dieser Erklärung genannten Sparbuchnummern stimmen nicht. Sparbücher mit solchen Nummern existieren bei dieser Bank nicht. Der Betrag von 2 Mill. S sA wurde bisher von den Beklagten nicht zurückbezahlt.

Mit der am 1.Juni 1984 erhobenen Klage begehrte Androja I*** von den beklagten Parteien die Herausgabe der in der Erklärung vom 15. Juni 1982 im einzelnen angeführten Sparbücher der Österreichischen Länderbank samt Stand vom 1.Juni 1982 und laufenden Zinsen sowie "alternativ" die Zahlung des Betrages von 2 Mill. S sA. Die Beklagten seien ihrer Verpflichtung, ihm seine Sparbücher zurückzugeben, nicht nachgekommen. Wie er in Erfahrung habe bringen können, hätten die Beklagten die Einlagen samt Zinsen für sich und ihre Kinder ohne sein Wissen und Wollen verbraucht. Die Beklagten beantragten die "Klagsabweisung". Der Erstbeklagte habe die ihm vom Kläger zur Verwahrung übergebenen Sparbücher bereits zurückgestellt und seit August 1982 solche nicht mehr in Händen. Der Zweitbeklagten sei überhaupt kein Sparbuch übergeben worden.

Das Erstgericht gab dem "alternativ" gestellten Zahlungsbegehren samt Anhang unter Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenmehrbegehrens sowie des auf Herausgabe der Sparbücher gerichteten Klagebegehrens statt.

Bei eer rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß die Beklagten entgegen ihrer schriftlich übernommenen Verpflichtung weder die Sparbücher noch deren Einlagewert zurückgestellt hätten. Da die Herausgabe der Sparbücher mangels deren Vorhandenseins nicht möglich sei, seien sie im Sinne des "Eventualbegehrens" schuldig zu erkennen gewesen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Es üdernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Würdigung der aufgenommenen Beweise und erachtete von dieser Sachverhaltsgrundlage ausgehend auch die Rechtsrüge als nicht berechtigt. Der Erstbeklagte habe die Sparbücher mit einem Einlagenstand von (rund) 2 Mill. S - wobei es auf die Richtigkeit der Sparbuchnummern nicht entscheidend ankomme - übernommen, diese aber nicht zurückgestellt. Sowohl er als auch seine Ehefrau hätten sich für den Fall der nicht termingerechten Rückstellung der Sparbücher zur Zahlung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Die Zweitbeklagte könne sich nicht erfolgreich darauf berufen, daß sie den Inhalt der von ihr unterschriebenen Erklärung nicht gelesen habe. Wer etwas unterschreibe, ohne es zu lesen, müsse den Inhalt der Urkunde gegen sich gelten lassen. Das Erstgericht habe daher zutreffend dem "alternativ" gestellten Zahlungsbegehren stattgegeben. Das Zahlungsbegehren sei nicht nur eventualiter für den Fall der Abweisung des Herausgabebegehrens, sondern als gleichwertiges Alternativbegehren gestellt worden. Durch die Abweisung des Herausgabebegehrens und die bloße Stattgebung des Alternativbegehrens werde in die Rechte der beklagten Parteien nicht eingegriffen, behaupteten sie doch selbst, die Sparbücher zu besitzen, sodaß sie durch die bloße Verurteilung zur Zahlung des entsprechenden Geldbetrages statt - für sie günstigenfalls nach ihrer Wahl - auch zur Herausgabe der Sparbücher nicht beschwert seien.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung "der Klage" abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf den Wert des Streitgegenstandes zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerber machen unter den gemeinsam ausgeführten Anfechtungsgründen vorerst geltend, das Klagebegehren sei als "echtes" Alternativbegehren zu qualifizieren, nicht jedoch als "gleichwertiges" Alternativbegehren, bei dem ein Wahlrecht nicht erforderlich sei. Insoweit das Berufungsgericht ihr, der Beklagten, Wahlrecht verneine, wäre das gesamte Klagebegehren - auch bei Durchsetzbarkeit des Zahlungsbegehrens - abzuweisen gewesen. Da im vorliegenden Fall die bloße Verurteilung zur Zahlung ein aliud und nicht bloß ein minus darstelle, habe das Berufungsgericht gegen § 405 ZPO verstoßen. Dem kann nicht gefolgt werden. Insoweit die Revisionswerber mit diesen Ausführungen den Vorinstanzen einen Verstoß gegen § 405 ZPO zum Vorwurf machen, übersehen sie, daß sie diesen Verfahrensmangel inhaltlich bereits vergeblich in der Berufung geltend gemacht haben. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO, der vom Berufungsgericht verneint wurde, kann jedoch - wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat - mit Revision nicht mehr angefochten werden (6 Ob 541/81, 6 Ob 585/82, 7 Ob 25/86, 8 Ob 562/86, 2 Ob 39/86 ua). Der mit diesen Ausführungen erhobenen Rechtsrüge ist im übrigen zu entgegnen, daß bei der Auslegung der von den Beklagten übernommenen Verpflichtung das Grundverhältnis nicht außer Betracht bleiben darf, wonach der Erstbeklagte auf Grund eines Verwahrungsvertrages verpflichtet ist, die übernommenen Sparbücher zurückzustellen. Aus der zwischen den Streitteilen am 15.Juni 1982 geschlossenen Vereinbarung ergibt sich, daß die von den Beklagten dabei übernommene Verpflichtung ihren Grund darin hatte, daß der Erstbeklagte sich offenbar unrechtmäßig außerstande gesetzt hatte, der ihn treffenden Rückstellungspflicht in absehbarer Zeit zu entsprechen. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß der Kläger die Verpflichtungserklärung der Beklagten als "reine" oder "echte" Auswahlschuld annehmen wollte, die Wahl also gerade deswegen ausbedungen wurde, um dem Berechtigten eine spätere Entscheidung zu ermöglichen. Es ist vielmehr anzunehmen, daß der Kläger diese Vereinbarung nur deshalb eingegangen ist, um später jedenfalls eine Leistung zu erhalten und sich des Rechtes, primär die Ausfolgung der Sparbücher zu begehren, nicht begeben (vgl. Koziol-Welser8 I, 208), den beklagten Parteien aber auch nicht das alleinige Wahlrecht überlassen wollte. Außerdem hat ein echtes Alternativbegehren die Behauptung des Bestehens eines Wahlschuldverhältnisses zur Voraussetzung (EvBl. 1973/50). Eine Behauptung über das Vorliegen einer solchen echten Alternativobligation wurde aber weder vom Kläger noch von den beklagten Parteien aufgestellt. Nach den Prozeßbehauptungen der beklagten Parteien war der Erstbeklagte jedenfalls nicht bereit - nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 15.Juni 1982 aber offenbar auch nicht in der Lage die zur Verwahrung übernommenen Sparbücher dem Kläger termingerecht zurückzustellen. Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen dem Zahlungsbegehren unter Abweisung des von den beklagten Parteien bestrittenen Herausgabebegehrens stattgaben, so können sich die beklagten Parteien dadurch mit Recht nicht beschwert erachten. Wenngleich der Revision damit ein Erfolg versagt werden mußte, so kann doch nicht gesagt werden, daß diese mutwillig oder ausschließlich zur Verzögerung der Sache angebracht worden ist, sodaß für die Verhängung einer Mutwillensstrafe über die beklagten Parteien kein Anlaß besteht. Da es sich bei der Mutwillensstrafe um eine rein amtswegige Strafmaßnahme handelt, eine Antragstellung der Gegenpartei daher unzulässig ist (JBl. 1957, 566; RZ 1968, 107 ua), mußte der auf die Verhängung einer solchen Strafe abzielende Antrag des Klägers zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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