Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Beschluß des Erstgerichtes vom 7.9.1992 (ON 55 dA), mit dem die Unterhaltspflicht des Vaters der Minderjährigen herabgesetzt worden war, wurde der Sachwalterin am 24.9.1992 zugestellt. Mit dem am 5.2.1993 beim Erstgericht eingelangten Schreiben vom 4.2.1993 teilte die Sachwalterin dem Erstgericht mit, daß ihr Rekurs vom 28.9.1992 bei Gericht offensichtlich nicht eingelangt sein dürfte; sie stellte den Antrag, die unter einem vorgelegte Durchschrift dieses Rekurses dem Rekursgericht zur Entscheidung vorzulegen. Einem der Eingabe angeschlossenen maschinschriftlichen - nicht unterfertigten - Amtsvermerk ist zu entnehmen, daß die "KM über den Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 7.9.1992 informiert und ihr mitgeteilt wurde, daß dagegen Rekurs eingebracht wurde".
Das Rekursgericht, dem die Akten vorgelegt worden waren, wies den Rekurs mit dem weiteren Ausspruch zurück, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Rekurses ging es von der Bestimmung des § 11 Abs 1 AußStrG aus, wonach Rekurse binnen 14 Tagen - vom Tag der Zustellung an gerechnet - zu überreichen seien und diese Frist nur dann gewahrt werde, wenn das Rechtsmittel zumindest an ihrem letzten Tag zur Post gegeben oder bei Gericht überreicht werde (EFSlg 58.260 = RZ 1989/1; LGZ Wien EFSlg 64.599). Für diesen Umstand sei der Rechtsmittelwerber beweispflichtig. Dieser Beweispflicht werde er idR nur dann nachkommen können, wenn er sich entweder die Postaufgabe (zB durch rekommandierte Absendung) oder die persönliche Überreichung des Rechtsmittels bei Gericht (auf die im § 99 Abs 4 Geo vorgesehene Weise) bestätigen lasse. Im vorliegenden Fall könne zwar auf Grund der vorgelegten Aktenstücke als erwiesen angenommen werden, daß ein Rekurs am 28.9.1992 verfaßt und mit einem Abfertigungsvermerk vom selben Tag versehen worden ist, ob er allerdings tatsächlich die Sphäre des Sachwalters verlassen habe und an die Post oder direkt an das Gericht übergeben worden sei, sei hingegen nicht nachvollziehbar. Es bleibe somit - neben einem Verlust des Schriftstückes auf dem Postweg oder bei Gericht - auch die Möglichkeit offen, daß der Rekurs noch im Bereich der Bezirkshauptmannschaft in Verstoß geraten sei. Solange aber diese Möglichkeit nicht auszuschließen sei, könne der Rekurs nicht als rechtzeitig angesehen werden, weil ansonsten die Einhaltung von Rechtsmittelfristen mit der bloßen Behauptung umgangen werden könnte, das Rechtsmittel sei rechtzeitig abgesandt oder überreicht worden, jedoch danach in Verlust geraten. Da eine Rücksichtnahme auf die verspätete Beschwerde gemäß § 11 Abs 2 AußStrG im vorliegenden Fall nicht in Betracht komme, weil eine - wenn nur teilweise - Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die Rechtsposition des Vaters der Minderjährigen nachteilig beeinflussen würde, sei der Rekurs als verspätet zurückzuweisen gewesen. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß in der von ihm vertretenen Rechtsansicht über die Beweispflicht für die rechtzeitige Postaufgabe oder Überreichung eines Rechtsmittels ein Abweichen von der höchstgerichtlichen Judikatur erblickt werden könnte, wonach ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich habe und so lange als rechtzeitig gelte, als das Gegenteil nicht feststehe (EFSlg
61.357 f; LGZ Wien EFSlg 58.264).
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmanschaft W*****, der iS des Zulassungsausspruches zulässig, aber nicht berechtigt ist.
In ihrem Revisionsrekurs vertritt die Sachwalterin unter Darstellung des bei ihr üblichen Ablaufes der Abfertigung von Schriftstücken zusammengefaßt die Ansicht, daß es bei der überschaubaren Größe der Bezirkshauptmannschaft W***** höchst unwahrscheinlich sei, daß ein abzufertigendes Schriftstück versehentlich "in Verstoß gerate"; wäre der Rekurs irrtümlich nicht abgesendet worden, so hätte er in der Auslaufstelle übrig bleiben müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Da durchaus die Möglichkeit bestehe, daß der Rekurs beim Postamt W*****, aber auch in der gemeinsamen Einlaufstelle des Erst- und Rekursgerichtes "in Verstoß geraten" sei, hätte das Rekursgericht bei objektiver Würdigung all dieser Umstände zur Ansicht gelangen müssen, daß das von ihr am 28.9.1992 abgefertigte Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich habe. Das Gegenteil stehe jedenfalls nicht fest. Dem kann nicht gefolgt werden.
Es entspricht wohl der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß ein Rechtsmittel die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich hat und es jedenfalls entgegenzunehmen und sachlich zu erledigen ist, solange nicht seine Verspätung durch die Aktenlage eindeutig ausgewiesen ist, und daß die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers wirkt (SZ 46/86 = EvBl 1974/30; 1 Ob 123/75; 2 Ob 155/88; 8 Ob 615/89 ua), die Rechtsmittelwerberin bzw deren Vertreterin übersieht aber, daß diese Grundsätze zur Voraussetzung haben, daß überhaupt ein "Gesuch", also eine zu den Akten gelangte Parteienerklärung vorliegt. Nach § 4 Abs 1 AußStrG haben die Parteien - von Ausnahmen kraft besonderer Vorschriften abgesehen - ihre Gesuche schriftlich oder mündlich anzubringen. Dies gilt auch für Rechtsmittel. Im vorliegenden Fall wurde kein Rekurs zu gerichtlichem Protokoll genommen. Es befindet sich aber auch kein wirksamer Schriftsatz im Akt, der als Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß ON 55 angesehen werden könnte, denn das mit Schriftsatz der Bezirkshauptmannschaft W***** vom 4.2.1993 vorgelegte Schreiben vom 28.9.1992, JW - ***** - ***** - *****, ist lediglich die Fotokopie der Durchschrift eines an das Erstgericht adressierten Schriftsatzes und stellt damit kein als wirksam "angebracht" anzusehendes Rechtsmittel dar. Liegt aber nach dem Akteninhalt gar kein "angebrachtes" Rechtsmittel vor, so kann dieses auch nicht die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich haben.
Insoweit die Rechtsmittelwerberin das Original des Schreibens vom 28.9.1992 als rechtzeitig erhobenen Rekurs gewertet wissen will, ist sie darauf zu verweisen, daß dieser Schriftsatz nicht zu den Akten gelangt ist.
Im Hinblick darauf, daß sich die Rechtsmittelwerberin zur Darlegung der Anbringung des Rekurses auf den Abfertigungsvermerk, der der vorgelegten Fotokopie der Durchschrift des Rekurses zu entnehmen ist, beruft und kein konkretes Vorbringen über die Überreichung des Rechtsmittels bei Gericht selbst erstattet hat, kommt für die Anbringung des Rekurses nur der Postweg in Betracht.
In einem solchen Fall ist - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - die Partei, die behauptet, das Rechtsmittel zur Post gegeben zu haben, verhalten, die Postaufgabe in der für Postsendungen vorgesehenen Art, nämlich durch Vorlage der postamtlichen Bestätigung über die rechtzeitige Aufgabe der Sendung oder - im Falle des Verlustes dieser Bestätigung - durch eine Auskunft des Aufgabepostamtes nachzuweisen. Auf andere Art kann die Postaufgabe nicht nachgewiesen werden, denn aus der für bürgerliche - somit auch für die im außerstreitigen Verfahren geltend zu machenden (vgl Fasching II 670) - Rechtssachen geltenden Bestimmung des § 89 GOG, wonach die Tage des Postenlaufes ua bei gesetzlichen Fristen in die Frist nicht eingerechnet werden, ergibt sich, daß die Post als "verlängerter Arm des Gerichtes" empfangsberechtigt und damit die Annahme des Schriftstückes durch die Post innerhalb der laufenden Frist rechtzeitig ist (Fasching, aaO). Voraussetzung für die Rechtzeitigkeit der Aufgabe ist dabei, daß das Schriftstück noch am letzten Tag der zu wahrenden Frist in postalische Behandlung genommen wird, also den Postaufgabevermerk mit dem Datum dieses Tages erhält (vgl Fasching II 671; Fasching, Lehrbuch2, Rz 549). Unterbleibt eine solche postalische Behandlung, bzw läßt sie sich nicht postamtlich nachweisen, so gilt das Schriftstück als nicht rechtzeitig eingelangt. Das Risiko der Fristversäumung bei der Übermittlung des Schriftstückes an die Post trägt der Aufgeber (vgl Fasching II 672). Unter den hier gegebenen Umständen kann somit nicht zum Vorliegen eines wirksamen und rechtzeitigen Rekurses gegen die erstgerichtliche Entscheidung ausgegangen werden.
Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt werden.
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