OGH 5Ob45/16b

OGH5Ob45/16b20.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Dipl. Ing. W***** K. M*****, vertreten durch die MM Metzler & Musel Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen sämtliche übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, darunter 1. D***** T*****, 2. E***** H*****, 3. M***** P*****, 4. A***** R*****, 5. K***** P*****, 6. H***** C*****, 7. F***** H*****, 8. C***** H*****, 9. mj L***** R*****,10. mj R***** R*****, 11. M***** P*****, diese vertreten durch Dr. Ewald Wirleitner, Mag. Claudia Oberlindober, Dr. Hubert Niedermayr, MBA, Mag. Harald Gursch, MBA, Rechtsanwälte in Steyr, als Antragsgegner, wegen Beschlussanfechtung (§ 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG) über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 25. Jänner 2016, GZ 1 R 246/15t‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00045.16B.0420.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung einzelner von den Wohnungseigentümern der Liegenschaft EZ ***** GB ***** am 11. Dezember 2013 gefasster und am 20. Dezember 2013 bekannt gemachter Beschlüsse. Mit seinem gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Antrag begehrte der Antragsteller deren Aufhebung und hilfsweise die gerichtliche Feststellung ihrer Rechtsunwirksamkeit. Bei den angefochtenen Beschlüssen handle es sich um keine Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung und deren Inhalte würden den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen. Die Beschlüsse seien daher gemäß § 29 WEG aufzuheben. Der Umstand, dass in der Einberufung zur Eigentümerversammlung die Beschlussgegenstände nicht umschrieben worden seien, stelle einen formellen Mangel gemäß § 24 Abs 6 WEG dar. Der Beschluss „2“ sei zudem nichtig, weil er keine Maßnahme der Liegenschaftsverwaltung zum Gegenstand habe, die Beschlüsse „3“ und „6“ seien nichtig, weil deren Inhalt gegen zwingendes Recht verstoße und/oder sittenwidrig sei. In der Tagsatzung vom 8. Juli 2015 schränkte der Antragsteller den Antrag auf die Anfechtung der Beschlüsse „1“, „2“, „3“ und „6“ ein.

Das Erstgericht wies den ‑ eingeschränkten ‑ Antrag ab.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Antragstellers im Umfang der Anfechtung der Beschlüsse „4“, „5“ und „7“ mangels Beschwer zurück. Im Übrigen gab es diesem nicht Folge. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jeder einzelnen Beschlussanfechtung jeweils 10.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers. Das Rekursgericht habe zwar nicht festgestellt, dass die Beschlüsse insgesamt und damit der Entscheidungsgegenstand 10.000 EUR übersteige. Aufgrund der vom Rekursgericht in seinem Bewertungsausspruch gewählten Formulierung sei dies jedoch wahrscheinlich. Aus diesem Grund erhebe der Antragsteller zwar (mit gesondertem Schriftsatz) zusätzlich auch eine Zulassungsvorstellung nach § 63 AußStrG, er beantrage aber ausdrücklich, dass vorerst über den außerordentlichen Revisionsrekurs entschieden werde und erst danach über die Zulassungsvorstellung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig und daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 52 Abs 2 WEG gelten für die in § 52 Abs 1 WEG genannten Verfahren die allgemeinen Bestimmungen über das Außerstreitverfahren unter anderem mit den in § 37 Abs 3 Z 1, 6, 8, 10 bis 19 sowie Abs 4 MRG genannten Besonderheiten. Der Revisionsrekurs ist daher ‑ außer im Fall der Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63Abs 3AußStrG ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt10.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59Abs 1Z 2AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62Abs 3AußStrG iVm §§ 52 Abs 2 WEG und 37Abs 3Z 16MRG).

2. Als „Revisionsrekurs“ erfasst § 62 AußStrG alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Beschwer (RIS‑Justiz RS0120565 [T4]).

3. Besteht der Entscheidungsgegenstand ‑ wie hier - nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, dann hat das Rekursgericht gemäß § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR übersteigt oder nicht. Bei diesem Ausspruch ist (unter anderem) die Bestimmung des § 55 Abs 1 JN sinngemäß anzuwenden. Bei Vorliegen mehrerer selbständiger, miteinander nicht in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang stehender Begehren ist daher eine jeweils gesonderte Bewertung vorzunehmen (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 59 Rz 10 mwN).

4. Das Rekursgericht hat die angefochtenen Beschlüsse jeweils einzeln bewertet und keine Gesamtbewertung vorgenommen. Diese Vorgangsweise wäre (nur) dann zutreffend, wenn die vom Antragsteller geltend gemachten Anfechtungsansprüche in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang iSd § 55 Abs 1 JN stehen. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Anspruchsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag, einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0037899 [T3]). Demgegenüber besteht kein innerer tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS-Justiz RS0037899). Der tatsächliche oder rechtliche Zusammenhang wird also nicht allein durch den Umstand hergestellt, dass die Ansprüche gleichartig sind; in einem solchen Fall sind die Ansprüche zwar nach derselben Norm zu beurteilen, sie werden aber weder aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet.

Bei Beurteilung der Frage, ob nun zwischen mehreren Forderungen ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht, ist grundsätzlich vom Vorbringen des Antragstellers auszugehen. Da die Jurisdiktionsnorm vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung mehrerer geltend gemachter Ansprüche ausgeht (vgl RIS-Justiz RS0122950, RS0110872 [T8], RS0042882 [T4]), trifft ihn die Behauptungslast für den rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang (Gitschthaler in Fasching/Konecny 3 § 55 JN Rz 13). Gegenstand des Antrags hier sind mehrere in der selben Eigentümerversammlung gefasste Beschlüsse, wobei diese offenbar ‑ auch der Antragsteller hat nichts Gegenteiliges behauptet ‑ inhaltlich und formal nicht in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl 5 Ob 51/15h). Liegt aber kein tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang vor, sind die Streitwerte gemäß § 55 JN nicht zusammenzurechnen.

5. Der Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz ist ‑ auch im Verfahren außer Streitsachen ‑ unanfechtbar und für den Obersten Gerichtshof bindend, wenn zwingende Bewertungsvorschriften nicht verletzt wurden, eine offenkundige Unterbewertung oder Überbewertung nicht vorliegt oder eine Bewertung nicht überhaupt hätte unterbleiben müssen (RIS-Justiz RS0042410 [T28], RS0042450 [T8], RS0109332 [T1]). Hier liegt keine dieser vom Obersten Gerichtshof anerkannten Ausnahmen von dessen Bindung an den Bewertungsausspruch des Rekursgerichts vor. Der jeweilige Entscheidungsgegenstand übersteigt demnach 10.000 EUR nicht und das Rekursgericht hat den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt. Ohne Abänderung dieses Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Antragstellers daher jedenfalls unzulässig. Da der Antragsteller bereits hilfsweise einen Antrag auf Abänderung des Zulassungsausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG gestellt hat, ist der dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegte gesonderte außerordentliche Revisionsrekurs auch nicht als solcher zu behandeln und dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (vgl RIS-Justiz RS0109503, RS0109505, RS0109623), sondern zurückzuweisen.

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