OGH 5Ob41/22y

OGH5Ob41/22y1.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, Slowenien, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei A* GmbH,*, vertreten durch Dr. Edwin A. Payr, Rechtsanwalt in Graz, wegen 20.000,06 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 3. November 2021, GZ 4 R 161/21k‑101, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 17. Mai 2021, GZ 44 Cg 38/18a‑95, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00041.22Y.0601.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin enthalten 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die beklagte Bauträgerin beauftragte die Klägerin, die ihren Sitz in Slowenien hat, mit der Lieferung von Fenster‑ und Türelementen für die Wohnungen Top 1 bis 5 im Haus Nr 2, das Teil eines insgesamt aus vier Häusern bestehenden Bauprojekts ist. Dem Vertrag lag das Anbot der Klägerin vom 3. 4. 2017 zugrunde, das die Beklagte am 4. 4. 2017 annahm. Die Lieferung erfolgte in der Zeit vom 24. 4. bis 15. 5. 2017. Am 15. 5. 2017 stellte die Klägerin für die aus diesem Vertrag insgesamt gelieferten 57 Elemente 44.786,66 EUR in Rechnung. Davon ist der Klagebetrag offen. Die Lieferung von Fenstern und Türen für die Häuser 1, 3 und 4 des Bauprojekts beruht auf jeweils eigenständigen Vertragsverhältnissen.

[2] Die Klägerin begehrt das restliche Entgelt aus der Rechnung vom 15. 5. 2017 von 20.000,06 EUR samt unternehmensbezogenen Zinsen seit 26. 5. 2017. Mängel lägen nicht (mehr) vor, die Beklagte habe daher keinen Anspruch (mehr) auf Verbesserung (Austausch).

[3] Die Beklagte wendete mangelnde Fälligkeit des Entgelts ein. Die Lieferung sei unvollständig geblieben, weil sie keinen Garantieschein erhalten habe. Zudem bestünden nach wie vor – rechtzeitig nach Einbau gerügte – Mängel. Hilfsweise berief sie sich auf Preisminderung und erhob eine Gegenforderung in der Höhe von 60.000 EUR, die sie aus einem ihr von der Klägerin verursachten Schaden von je 15.000 EUR pro Haus ableitet.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels Fälligkeit ab. Dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rechtsmittel gab das Berufungsgericht teilweise Folge, sprach mit dem nunmehr angefochtenen Teilurteil aus, dass die Klageforderung mit 18.557,64 EUR sA zu Recht, die auf das Haus Nr 2 entfallende Gegenforderung von 15.000 EUR hingegen nicht zu Recht bestehe, und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 18.557,64 EUR sA. Das Mehrbegehren wies es ab. Im Übrigen, also hinsichtlich der Gegenforderung von 45.000 EUR an Schadenersatz aus den Lieferungen für die Häuser 1, 3 und 4, verwies es die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Anders als das Erstgericht verneinte es ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten, weil der begehrte Austausch der Fenster unverhältnismäßig sei. Auch der Umstand, dass der Garantieschein nicht mitgeliefert worden sei, berechtige die Beklagte nicht, das restliche Entgelt zurückzuhalten. Die Preisminderung für die mangelhaften Fenster betrage 1.442,42 EUR, die vom restlichen Kaufpreis abzuziehen sei, sodass der Klägerin 18.557,64 EUR zustünden. Daneben gebühre der Beklagten nicht auch noch Schadenersatz, weswegen die Gegenforderung, soweit sie sich auf das Haus 2 beziehe, nicht zu Recht bestehe. Es lägen jeweils getrennte Verträge vor, weswegen Mängel der Lieferungen für die Häuser 1, 3 und 4 der zu beurteilenden (restlichen) Kaufpreisforderung aus dem Vertrag für das Haus Nr 2 nicht entgegengehalten werden könnten. Die auf diese Häuser entfallende Gegenforderung stehe der Fällung eines Teilurteils mangels Konnexität nicht entgegen.

[5] Die Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO für zulässig, weil angesichts des aus vier Häusern bestehenden Bauvorhabens ein so inniger wirtschaftlicher Zusammenhang vorliegen könnte, der die Fällung eines Teilurteils nach § 391 Abs 3 ZPO verbiete, und nicht auszuschließen sei, dass die Beklagte mit der Rechtsansicht zur fehlenden Konnexität überrascht worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen.

[7] 1.1 Nach § 391 Abs 3 ZPO ist die Fällung eines Teilurteils auch dann möglich, wenn der Beklagte mittels Einrede eine Gegenforderung geltend gemacht hat, sofern diese mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in einem rechtlichen Zusammenhang steht.

[8] 1.2 Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen Klage‑ und Gegenforderung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn beide Ansprüche auf demselben Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis beruhen, einander bedingen oder wenn die Aufrechnung beider Forderungen vereinbart war (RIS‑Justiz RS0040760; vgl auch RS0040702). Er wird auch bejaht, wenn zwischen beiden Ansprüchen ein so inniger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, dass die Durchsetzung des Klageanspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspräche (RS0040692).

[9] 1.3 Die vom Berufungsgericht noch nicht als entscheidungsreif erachteten Gegenforderungen der Beklagten betreffen ihre aus den Lieferungen von Fenstern für die Häuser 1, 3 und 4 abgeleiteten Schadenersatzansprüche von insgesamt 45.000 EUR, die – wie selbst die Beklagte betont – auf jeweils rechtlich eigenständigen Vertragsverhältnissen beruhen. Die Fällung eines Teilurteils kommt aber selbst dann in Betracht, wenn die Geschäftspartner über einen längeren Zeitraum hinweg gleichartige Verträge mit im Wesentlichen gleichartigen Bedingungen abschließen (vgl 6 Ob 575/86; RS0040836 [T1]; Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny 3 III/2 § 391 ZPO Rz 58/1). Es mag daher zutreffen, dass die Lieferungen für Häuser einer einheitlichen Reihenhaussiedlung bestimmt waren; das ändert aber nichts an der rechtlichen Selbständigkeit der Verträge und an dem Umstand, dass die (noch offenen) Gegenforderungen aus anderen Vertragsverhältnissen abgeleitet werden als der eingeklagte Kaufpreisrest. Dass sie ihre Gegenforderung in allen Fällen aus einer mangelhaften Vertragserfüllung ableitet, gibt daher noch nicht zu erkennen, warum die Durchsetzung der Klageforderung ohne Bedachtnahme auf die (übrigen) Gegenforderungen gegen Treu und Glauben verstoßen soll. Auf den dafür in der Rechtsprechung geforderten „innigen wirtschaftlichen Zusammenhang“, der der Erlassung eines Teilurteils entgegenstünde, kommt die Beklagte auch nicht zu sprechen und kann damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in seinem nachträglichen Ausspruch über die Zulässigkeit auch keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[10] Auch sonst gibt das Rechtsmittel der Beklagten keinen Anlass zur Erörterung von Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO:

[11] 2. Mit ihrem Vorwurf, das Berufungsgericht habe sie mit seiner Rechtsansicht überrascht, macht die Beklagte den Revisionsgrund des § 503 Z 2 ZPO geltend. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten nach § 182a ZPO hat der Revisionswerber aber darzulegen, dass der Verfahrensfehler erheblich ist, sich also auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken konnte. Dazu muss er jenes Vorbringen nachholen, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (RS0120056 [T7; T8]). Mit ihrem Hinweis, sie hätte ihr Vorbringen wesentlich verbreitert, wäre mit ihr die Frage der Konnexität erörtert worden, wird die Beklagte dieser Anforderung nicht gerecht. Worin eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor dem Berufungsgericht gelegen sein soll, weil das Prozessgericht keine weiteren Beweise zu den Mängeln und Gegenforderungen aufgenommen hat, legt sie nicht dar. Ansprüche aus einer Verletzung der Lieferverträge für die Häuser 1, 3 und 4 sind zudem Gegenstand des fortzusetzenden Verfahrens.

[12] 3.1 Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer nach § 932 Abs 4 ABGB das Recht auf Preisminderung. Die Unverhältnismäßigkeit ist dann zu bejahen, wenn der mit der Verbesserung verbundene Aufwand in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Mangels für den Übernehmer steht. Dabei kommt es zwar nicht allein auf die Höhe der Behebungskosten an, weil auch die Bedeutung der Behebung des Mangels für den Besteller zu berücksichtigen ist. Der vom Unternehmer zu leistende Aufwand (hier Austausch der Fenster) ist aber unverhältnismäßig, wenn der Vorteil, den die Beseitigung des Mangels dem Besteller gewährt, gegenüber den für die Beseitigung erforderlichen Aufwand an Kosten und Arbeit so geringwertig ist, dass der Vorteil und der Aufwand im offensichtlichen Missverhältnis stehen (RS0021717). Ob das der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0021717 [T7]; 7 Ob 29/15p).

[13] 3.2 Nach den Feststellungen entspricht ein Teil der für das Haus 2 gelieferten Fenster nicht den „Anforderungen an die visuelle Qualität von Isolierglas“, weil die Dichtmasse mehr als 2 mm in den Scheibenzwischenraum hineinragt. Der Sachverständige hat dazu betont, dass die Überstände nicht auf Zehntelmillimeter genau gemessen werden können, und ging nur von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines Dichtmasseaustritts von mehr als 2 mm, der eine ÖNORM-Widrigkeit begründet, bei allen Fenstern aus. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass diese optische Mangelhaftigkeit bei unbefangener Betrachtung weitestgehend unauffällig und damit kein Einfluss auf den Gebrauch oder die Lebensdauer der Fenster verbunden sei, tritt die Beklagte in ihrer Revision inhaltlich nicht entgegen, wenn sie lediglich auf das Verhältnis des Lieferwerts der betroffenen Fenster zu den für die mit einem Austausch der Fenster verbundenen Kosten der Klägerin abstellt. Dabei übersieht sie, dass weder der Kaufpreis noch der Lieferwert der mangelhaften Sache den Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung des Mangelbehebungsaufwands bilden, sondern primär der durch die Mangelbehebung erzielbare Vorteil für den Übernehmer maßgeblich ist (RS0022044 [T13]; vgl auch 6 Ob 134/08m mwN; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 ABGB Rz 17).

[14] 3.3 Bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit einer Verbesserung im Sinn des § 932 Abs 4 ABGB sind zwar auch die für den Besteller durch den Verweis auf die bloßen Geldansprüche (Preisminderung) verbundenen zusätzlichen Unannehmlichkeiten zu berücksichtigen (RS0121684). Warum die optisch weitestgehend unauffällige Mangelhaftigkeit im Verhältnis zu ihren Käufern anders zu beurteilen wäre als zur Klägerin, ist nicht zu erkennen und zeigt die Beklagte auch nicht auf. Mit dem Hinweis auf mögliche Mängelrügen von Wohnungskäufern kann sie daher auch keine solche Unannehmlichkeiten aufzeigen, die eine andere Beurteilung dieser Frage rechtfertigen könnten, sodass auch insoweit keine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zu erkennen ist, die einer Korrektur im Einzelfall bedürfte.

[15] 4. Eine Garantiezusage war für die Beklagte nach den Feststellungen kein Grund, den Kaufvertrag über den Erwerb und die Lieferung der Fenster abzuschließen. Damit begegnet es auch keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht in der von der Beklagten vermissten Ausfolgung einer Garantieurkunde lediglich eine unwesentliche Nebenleistungspflicht der Klägerin erkannte, die ihr noch nicht die Einrede gemäß § 1052 Satz 1 ABGB gibt (vgl dazu RS0019972; Verschraegen in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.08 § 1052 Rz 10; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1052 ABGB Rz 18).

[16] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

[17] 6. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit der Revision gegen ein Teilurteil findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222). Die Klägerin, die darauf hingewiesen hat, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist, hat daher Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung.

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