OGH 5Ob402/97x

OGH5Ob402/97x9.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Univ.‑Doz.Dr.Walter K*****, 2.) Waltraud K*****, und 3.) Edda R*****, alle vertreten durch Dr.Walter Poschinger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Mag.Christiana V*****, vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 16.April 1997, GZ 3 R 44/97f‑37, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 13.Dezember 1995, GZ 7 C 494/94v‑31, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1997:0050OB00402.97X.1209.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung

Die Kläger sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus ***** in Graz, die Beklagte ist Wohnungseigentümerin des Parterre dieses Hauses gelegenen Geschäftslokals.

Das fragliche Geschäftslokal war weder im Baubewilligungsbescheid vom 4.12.1969 noch im Parifizierungsbescheid vom 3.8.1973 mit einer bestimmten Zweckwidmung versehen. Auch der Wohnungseigentumsvertrag enthält diesbezüglich keine Festlegung. Es war zwar einigen Wohnungseigentumsbewerbern bekannt, daß die Unterbringung eines Lebensmittelgeschäftes geplant war; eine diesbezügliche Zusicherung seitens des Wohnungseigentumsorganisators (einer GBV) gab es aber nicht.

Tatsächlich wurde im Geschäftslokal ein Lebensmittelgeschäft mit Buffet untergebracht und über ein Jahrzehnt lang betrieben. Nach dem Konkurs der Unternehmensinhaberin kaufte die Beklagte im Jahr 1993 das Objekt und vermietete es (ohne Kellerräumlichkeiten) ihrem Lebensgefährten, einem Tierarzt, der dort eine tierärztliche Ordination einrichten wollte.

Obwohl sich in Hausversammlungen die Mehrheit der anwesenden Wohnungseigentümer gegen die Einrichtung einer Tierarztordination im verfahrensgegenständlichen Objekt aussprach (ohne daß hierüber formell Beschluß gefaßt worden wäre), eröffnete darin der Lebensgefährte der Beklagten im Sommer 1994 seine Ordination. Diese wird als moderne Kleintierpraxis mit tierärztlichem Notdienst geführt (siehe dazu noch weitere Feststellungen in der späteren Wiedergabe der berufungsgerichtlichen Rechtsausführungen; auf zusätzliche Details, die den Seiten 10 bis 12 sowie 13 und 14 des erstgerichtlichen Urteils entnommen werden können, ist wegen der im Revisionsverfahren beschränkten rechtlichen Fragestellung nicht einzugehen).

Um es seinen Erfordernissen anzupassen, gestaltete der Lebensgefährte der Beklagten das Geschäftslokal innen um. Bestand es früher im wesentlichen aus einem Raum, weist es nun einen Warte‑ und drei Behandlungsräume auf. Außerdem ließ er die schon desolate Fassade des Geschäftslokals erneuern und ändern. So besteht jetzt nur mehr eine Eingangstür; zwei andere wurden durch Glasfenster ersetzt. Als Sichtschutz wurden Jalousien angebracht. Eine Änderung des Charakters der Fassade hat sich daraus nicht ergeben.

Von den abgeschrankten Abstellplätzen des Hauses werden insgesamt vier von der Beklagten, ihrem Lebensgefährten und zwei fallweise beschäftigten Tierärzten benützt. Besucher der Tierarztpraxis parken auf öffentlichen Flächen (in der blauen Zone, aus der zwei Parkplätze vor der Tierarztordination in Ladetätigkeitszonen umgewandelt wurden), ohne daß es zu einer Verschärfung der Parkraumnot gekommen wäre.

Hinsichtlich weiterer hier nicht maßgeblicher Details wird auf die Seiten 14 bis 20 des erstgerichtlichen Urteils verwiesen. Ergänzt sei nur noch, daß die Beklagte die Änderungen (jedenfalls bis jetzt) nicht gerichtlich genehmigen ließ. Es liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, daß ein Verfahren beim Außerstreitrichter nach § 26 Abs 1 Z 2 WEG anhängig wäre.

Die Kläger sehen in den Änderungen eigenmächtige Eingriffe der Beklagten in ihr Miteigentum. Sie klagen sie auf Beseitigung der Änderungen, und zwar der auf den Betrieb einer Tierarztpraxis hinweisenden Schilder an der Außenseite des Gebäudes, begehren weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Verwendung des streitgegenständlichen Geschäftslokals als Tierarztpraxis sowie die Gestattung der Benützung von Parkflächen auf der Liegenschaft durch Personen, die nicht Wohnungseigentümer sind (in eventu durch gleichzeitig mehr als zwei Fahrzeuge), zu unterlassen, und haben schließlich noch ein die Umbauten in den Geschäftsräumlichkeiten betreffendes Wiederherstellungsbegehren des Inhalts gestellt, daß wieder der dem Parifizierungsbescheid vom 3.8.1973 bzw dem Wohnungseigentumsvertrag vom 7.5.1974 entsprechende Zustand geschaffen wird.

Die Beklagte hat mit dem Argument, daß die Änderungen nicht in geschützte Interessen der Kläger eingreifen, und dazu noch aus Gründen, die für die Erledigung der Revision nicht von Bedeutung sind, die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Seine Gründe zur hier allein interessierenden materiellen Berechtigung der Beklagten, die beanstandeten Änderungen vorzunehmen, lassen sich wie folgte zusammenfassen:

Gemäß § 13 Abs 2 WEG sei ein Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten auf seine Kosten berechtigt; die Änderung dürfe aber weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, besonders keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und auch keine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Bei Widmungsänderungen sei stets auf den Einzelfall abzustellen und dabei auch die Benützungssituation der Gesamtliegenschaft zu berücksichtigen. Ob es zu einer Widmungsänderung gekommen ist, sei nach der dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegenden Parifizierung zu beurteilen. Waren die Miteigentümer bereits bei Wohnungseigentumsbegründung mit jeder beliebigen Art der Verwendung eines Geschäftslokales einverstanden, hätten sie damit künftige Verwendungsänderungen mit in Kauf genommen. War jedoch eine bestimmte Verwendung vereinbart, könne die Zustimmung nur dann ersetzt werden, wenn durch den beabsichtigten Betrieb die Miteigentümer in ihren schutzwürdigen Interessen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Hier sei weder im Parifizierungsbescheid noch im Wohnungseigentumsvertrag eine spezielle Widmung - außer als Geschäftslokal ‑ erfolgt. Wohnungseigentumsbewerber, die gesprächsweise erfahren haben, daß der Wohnungseigentumsorganisator mit einer Lebensmittelkette verhandle, hätten nicht erwarten können, daß im Streitobjekt tatsächlich (nur) ein Lebensmittelgeschäft eröffnet und in Hinkunft ständig dort betrieben wird, weshalb eine Widmungsänderung nicht vorliege. Zu den baulichen Veränderungen im Geschäftslokal (insbesondere das Aufstellen von Zwischenwänden) sei die Beklagte nach § 13 Abs 2 WEG jedenfalls berechtigt gewesen. Die Verwendungsänderung habe gesamtheitlich betrachtet zu keinen (wesentlichen) Beeinträchtigungen anderer Miteigentümer geführt. Eine übermäßige Inanspruchnahme der allen Wohnungseigentümern zustehenden, nicht zugeordneten Abstellflächen durch die Beklagte und/oder Benützer des Streitobjektes liege nicht vor. Wenn die Kläger mit der derzeitigen Benützungsform nicht einverstanden seien, stehe es ihnen nach § 15 WEG frei, eine gerichtliche Benützungsregelung zu beantragen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte zu den im Revisionsverfahren relevante Rechtsfragen aus:

Nach § 13 Abs 2 WEG sei der Wohnungseigentümer grundsätzlich zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit auf seine Kosten berechtigt. Gemäß Z 1 bis Z 5 dieser Bestimmung werde dieses Recht Einschränkungen unterworfen, die umso weiter gehen, je massiver der Eingriff in fremden Rechtsbereich in Erscheinung tritt. Änderungen lediglich an der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeit seien nur nach § 13 Abs 2 Z 1 WEG zu beurteilen. Nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer stehe einer Änderung entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Miteigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen läßt, daß das Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers auf Änderungen der im Wohnungseigentum stehenden Räumlichkeiten zurückzustehen hat. Dabei sei auf den Einzelfall abzustellen, und es seien alle in Betracht kommenden Umstände der Interessenbeeinträchtigung zu berücksichtigen, wobei es nicht nur auf die Interessenlage einzelner Miteigentümer untereinander, sondern auch auf die Benützungssituation der gesamten Liegenschaft ankommen könne. Es seien auch die einzelnen Änderungen nicht für sich, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen. Nicht jede bauliche Veränderung stelle schon einen empfindlichen Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer und damit eine Beeinträchtigung ihrer schutzwürdigen Interessen dar (vgl MietSlg 41.465 mwN).

Wenn nun die Kläger eine Änderung ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer jedenfalls als unzulässig ansehen, weil bereits im Wohnungseigentumsvertrag eine "spezielle" Widmung des Geschäftslokals erfolgt sei, gingen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Daß eine Änderung des Verwendungszweckes stattgefunden hat, stehe außer Zweifel. Waren aber die Miteigentümer bereits in Wohnungseigentumsbegründung mit einer beliebigen Art der Verwendung eines Geschäftslokales einverstanden, hätten sie damit künftige Verwendungsänderungen mit in Kauf genommen. Nur wenn eine bestimmte Verwendung vereinbart war, setze die Ersetzung der Zustimmung der Miteigentümer voraus, daß sie durch den beabsichtigten Betrieb in ihren schutzwürdigen Interessen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Bei der Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, welche tatsächliche Verwendung den Wohnungseigentumsbewerbern angegeben wurde und von welchen Erwartungen sie diesbezüglich ausgehen konnten (vgl Markl in WoBl 1994, 99).

Da in dem der Parifizierung zugrunde liegenden Gutachten das Streitobjekt ohne jeden Hinweis auf eine Widmung als Lebensmittelgeschäft mit "Ein Kellermagazin, ein Geschäftslokal, ein Vorraum, Waschküche mit WC, ein Lastenaufzug in das Kellergeschoß" umschrieben wurde, könne nicht gesagt werden, daß mit der Wohnungseigentümergesamtheit eine bestimmte Verwendung vereinbart war, mag auch einigen Wohnungseigentümern bei Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages gesprächsweise bekannt gewesen sein, daß die Absicht bestand, im Streitobjekt ein Lebensmittelgeschäft unterzubringen.

Zu prüfen bleibe, ob durch die Änderung von einem Lebensmittelgeschäft in einen Tierarztbetrieb eine wesentliche Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Wohnungseigentümer einhergehe. Bejahendenfalls wäre der Klagsanspruch zumindest im Umfang des Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens gegeben.

Nach den Feststellungen sei das Lebensmittelgeschäft von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr mit einer Mittagspause von 12.30 Uhr bis 15.00 Uhr geöffnet gewesen; der Buffetbetrieb habe durchgehend bis 21.00 Uhr oder auch bis 22.00 Uhr gedauert. Die Tierarztpraxis habe Öffnungszeiten an Werktagen (Montag bis Samstag) von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Der Notdienst, welcher vier‑ bis sechsmal im Quartal verrichtet werde, gelte von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr an Wochentagen und von Samstag 11.00 Uhr bis Montag 7.00 Uhr an Wochenenden. Bei den Betriebszeiten des Lebensmittelhandels sei aber auch zu beachten, daß Warenanlieferungen ab 4.00 Uhr früh stattgefunden hätten. Ein Vergleich dieser Betriebszeiten zeige, daß insgesamt keine wesentliche Erweiterung stattgefunden habe und die im Rahmen der Notarztverpflichtungen vorgeschriebenen Nachtdienste nicht als derart schwerwiegend anzusehen seien, daß dadurch die Interessen der Wohnungseigentümer wesentlich verletzt würden. Zu bedenken sei dabei auch, daß damit nach den Feststellungen keine (wesentlichen) Lärmbeeinträchtigungen verbunden seien. Dem Erstgericht sei zuzustimmen, daß auch durch die Warenmanipulationen beim Betrieb eines Lebensmittelgeschäftes Geräuschentwicklungen entstanden, mit welchen sich die Wohnungseigentümer abfinden mußten. Weiters könne nicht außer acht bleiben, daß ein Lebensmittelgeschäft eine wesentlich stärkere Kundenfrequenz aufweise als eine Tierarztpraxis, in welcher durchschnittlich etwa 20 Tiere täglich (außer bei Notfällen) behandelt würden. Sonstige mögliche Beeinträchtigungen (wie Ansteckungsgefahr durch kranke Tier oder Röntgenstrahlung) seien nicht festgestellt worden. Es lägen somit insgesamt keine wesentlichen Beeinträchtigungen der Miteigentümer vor.

Unbekämpft stehe fest, daß durch die Umgestaltung der Glasfassade deren Charakter nicht verändert wurde. Unter Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses im Sinne des § 13 Abs 2 Z 1 WEG sei nicht schon jede (wertneutrale) Veränderung zu versehen, sondern nur eine solche Veränderung, die eine Verschlechterung des Erscheinungsbildes bewirkt.

Die Parkplatznot, die auf den steigenden PKW‑Anteil der Bevölkerung und die erhöhte Mobilität an sich zurückzuführen sei, könne der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Soweit die Kläger eine einseitige Ausweitung der Benützungsrechte der Beklagten hinsichtlich der hauseigenen Parkplätze geltend machen, gingen sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Zusammenfassend sei daher dem Erstgericht darin beizupflichten, daß die Verwendungsänderung insgesamt gesehen zu keinen wesentlichen Beeinträchtigungen der anderen Miteigentümer geführt habe, weshalb das Klagebegehren - auch das Eventualbegehren ‑ zu Recht abgewiesen worden sei.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß sich keinen iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen gestellt hätten.

In der jetzt vorliegenden außerordentlichen Revision machen die Kläger im wesentlichen geltend, daß sich das Berufungsgericht zu Unrecht eine Entscheidung darüber angemaßt habe, ob durch die Widmungsänderung des Geschäftslokals der Beklagten und die Umbauten (etwa die Umgestaltung der Fassade) wichtige Interessen anderer Mit‑ und Wohnungseigentümer iSd § 13 Abs 2 WEG verletzt werden. Derartiges könne nach der Judikatur nur vom Außerstreitrichter entschieden werden. Fehle dessen Genehmigung, stelle die Veränderung einen eigenmächtigen Eingriff in die Rechte der anderen Miteigentümer dar. Unabhängig davon habe die materielle Prüfung der Zulässigkeit der vorgenommenen Änderungen zu einem unrichtigen Ergebnis geführt, weil das Berufungsgericht nicht berücksichtigt habe, daß schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer ein Versagungsgrund sei; außerdem seien entscheidungswesentliche Umstände, etwa der Einbau zusätzlicher WC‑Einheiten oder die zu erwartende Ausweitung der Tierarztpraxis mit den Folgen einer höheren Kundenfrequenz, nicht bedacht worden. Der Revisionsantrag geht dahin, das angefochtene Berufungsurteil entweder iS einer vollinhaltichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an einer der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Beklagten wurde die Beantwortung der Revision freigestellt. Sie hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung beantragt.

Die Revision erweist sich als zulässig, weil die Vorinstanzen zu Unrecht eine gemäß § 26 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 13 Abs 2 WEG dem Außerstreitrichter vorbehaltene Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen haben; sie ist iS ihres Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht machen die Revisionswerber geltend, daß sich die Vorinstanzen nicht in die materielle Prüfung der Frage hätten einlassen dürfen, ob den beanstandeten Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt der Beklagten sowie an allgemeinen Teilen der Liegenschaft schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümer entgegenstehen. Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausführte, kann zwar die Genehmigungsbedürftigkeit solcher Änderungen (ob sie überhaupt dem § 13 Abs 2 WEG zu unterstellen sind) vom Prozeßrichter als Vorfrage einer Entscheidung über die Berechtigung eines auf § 523 ABGB gestützten Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens betroffener Miteigentümer beurteilt werden (5 Ob 380/97m), doch ist über die Genehmigungsfähigkeit einer Änderung iSd § 13 Abs 2 WEG (also das Vorliegen der in Z 1 bis Z 3 leg cit angeführten Voraussetzungen) allein vom Außerstreitrichter zu befinden (WoBl 1991, 64/53; MietSlg 45.542; Call in WoBl 1993, 61).

Die Umgestaltung der Fassade war zweifellos eine Änderung iSd § 13 Abs 2 Z 2 WEG (vgl jüngst 5 Ob 364/97h), die mangels Genehmigung des Außerstreitrichter einen eigenmächtigen Eingriff in die Rechte der anderen Wohnungseigentümer darstellt. Die Vorinstanzen (besonders deutlich das Berufungsgericht) haben zu Unrecht die Genehmigungsfähigkeit dieser Änderung vorweggenommen. Ähnliches gilt für ihre Aussage, die Umbauten im Inneren des Objekts würden schutzwürdiges Interessen der anderen Wohnungseigentümer keinesfalls beeinträchtigen. Das Vorliegen einer "Änderung" iSd § 13 Abs 2 WEG an sich könnte nur für bagatellhafte Umgestaltungen verneint werden (vgl zB die "Geschäftsschildjudikatur", die für Mieter und Wohnungseigentümer gleichermaßen gilt ‑ MietSlg 24.069 ua). Hinsichtlich der Umwidmung des Geschäftslokals wurde zwar mit dem Hinweis auf die Vertragsgestaltung (schlichte Geschäftslokalwidmung ohne Festlegung einer spezifischen Verwendungsart) eine Änderung iSd § 13 Abs 2 WEG verneint, doch berief sich das Berufungsgericht auch in diesem Zusammenhang auf Argumente einer fehlenden Interessenbeeinträchtigung.

Wegen dieser Vermengung von Problemen der Genehmigungsbedürftigkeit mit Problemen der Genehmigungsfähigkeit von Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt ist offen geblieben, was die Vorinstanzen der Beklagten untersagt bzw aufgetragen hätten, müßte sich ihre Entscheidung allein daran orientieren, inwieweit überhaupt eine Änderung iSd § 13 Abs 2 WEG vorliegt. Das betrifft auch die Einrichtung einer Tierarztpraxis an sich, weil die Umwandlung des Gegenstandes und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens selbst dann unter den weiten Änderungsbegriff des § 13 Abs 2 WEG fallen kann, wenn keine spezielle Geschäftsraumwidmung besteht, aber die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (vgl WoBl 1991, 63/52; WoBl 1993, 61/49 mit Anm von Call; in 5 Ob 380/97m ging es um die durchaus übliche ‑ daher keine Änderung darstellende ‑ Unterbringung der Praxis eines praktischen Arztes in einem Objekt, das dem Wohnen oder einer üblicherweise in Wohnungen ausgeübten Geschäftstätigkeit gewidmet war). Im Berufungsurteil findet sich dazu nur der Satz, daß der Klagsanspruch "zumindest" im Umfang des Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehrens gegeben wäre, wenn man eine wesentliche Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Mit‑ und Wohnungseigentümer unterstellt. Eine weitere Unklarheit ergibt sich daraus, daß die Kläger weder in ihrem Entfernungs- noch in ihrem Wiederherstellungsbegehren die Fassadenumgestaltung ausdrücklich erwähnt haben, aber beide Vorinstanzen (wie die ausführliche Befassung mit der Zulässigkeit dieser Änderung zeigt) offenbar davon ausgegangen sind, die von den Klägern geforderte Wiederherstellung des dem Parifizierungsbescheid zugrundeliegenden Zustands erfasse auch diesen Umbau. Der Oberste Gerichtshof ist zur Entscheidung der damit zusammenhängenden Fragen nicht in der Lage, weil die problematische Abgrenzung zwischen genehmigungsbedürftigen und genehmigungsfähigen Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt von den Vorinstanzen bisher gar nicht erörtert wurde und daher den Parteien Gelegenheit zu geben ist, ihr Tatsachen‑ und Beweisvorbringen darauf abzustimmen. Es muß vermieden werden, sie mit der hier erstmals dargelegten Rechtsansicht und ihren Konsequenzen zu überraschen.

Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte