OGH 5Ob38/97t

OGH5Ob38/97t25.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin S***** Ges.m.b.H., ***** vertreten durch Rechtsanwalt Dr.Witt & Partner KEG in Wien, wegen Einverleibung eines Pfandrechtes und Anmerkung der Vollstreckbarkeit ob der Liegenschaft EZ*****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. November 1996, 46 R 1292/96g, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 19.April 1996, TZ 3572/96, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Am 19.4.1996 beantragte die Antragstellerin beim Erstgericht die Einverleibung eines Pfandrechtes für eine Kaufpreisforderung von S 1,276.000,- samt 14 % Zinsen, die Einverleibung einer Nebengebührensicherstellung im Höchstbetrag von S 150.000,- sowie die Anmerkung der Vollstreckbarkeit des diesen Pfandrechten zugrundeliegenden Notariatsaktes vom 13.4.1996 auf der dem I*****, gehörigen Liegenschaft EZ *****.

Das Erstgericht bewilligte diese Grundbuchseintragungen; das Rekursgericht wies jedoch das Eintragungsbegehren ab, weil ihm auf Grund eines im Rechtsmittelverfahren offenkundig gewordenen Sachverhalts Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des Pfandbestellers gekommen waren. Die Gründe hiefür lauten wie folgt:

In einem beim Erstgericht am 26.3.1996 eingeleiteten Sachwalterschaftsverfahren wurde mit Beschluß vom 17.4.1996 ein einstweiliger Sachwalter für I***** bestellt. Zu dessen Wirkungskreis gehörte unter anderem die Überprüfung des Kaufvertragsabschlusses mit dem Kunsthaus Z***** Ges.m.b.H. (Kaufpreis S 1,276.000,-) sowie des gegenständlichen Notariatsaktes vom 13.4.1996. Dabei wurde angenommen, daß der Betroffene auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung alle oder einzelne seiner Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteiles für sich selbst besorgen kann. Dieser Beschluß wurde am 15.5.1996 im Grundbuch angemerkt (TZ *****). Mit Beschluß vom 28.8.1996 erfolgte schließlich die Bestellung eines Sachwalters gemäß § 273 ABGB mit dem folgendem Aufgabenkreis:

Vertretung (des Betroffenen) vor Ämtern und Behörden, Einkommens- und Vermögensverwaltung sowie Vertretung bei Abschluß von Verträgen.

In der Begründung (des letztgenannten Beschlusses) führte das Erstgericht aus, daß beim Betroffenen ein hirnorganisches Psychodrom mit einer Einschränkung kognitiver Funktionen im Sinne einer beginnenden Demenz bestehe, verursacht durch eine Lues im Spätstadium im Sinne einer progressiven Paralyse. Die progressive Paralyse äußere sich meist durch Merkfähigkeitsstörungen leichter Art, Verhaltensauffälligkeiten sowie Gereiztheit bis zu Wutanfällen mit Kaufwut des Betroffenen. Er sei in seiner Kritikfähigkeit und Korrigierbarkeit deutlich vermindert, neige zu Selbstüberschätzung und erhöhter Suggestibilität, sodaß er nicht in der Lage sei, ohne Nachteil für sich selbst seine Angelegenheiten ausreichend zu regeln.

Eine höhergradige krankhafte Störung sei beim Betroffenen seit November, Dezember 1995 gegeben. Auch am 13.4.1996 habe er sich in diesem Zustand befunden, sodaß die (an diesem Tag) unterschriebenen Vereinbarungen unter diesen Krankheitsbedingungen zustandegekommen seien.

Rechtlich begründe dieser Zustand ein Eintragungshindernis.

Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG habe das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und dürfe eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn keine begründeten Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der bei der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den Gegenstand, den die Eintragung betrifft, oder gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden sind. Das Gesetz untersage dem Grundbuchsrichter nicht erst dann die Bewilligung einer Grundbuchseintragung, wenn der Mangel der Verfügungsmacht eines Beteiligten klar zutage liegt, sondern mache ihm diese Vorsicht schon dann zur Pflicht, wenn die Beschränkung der Verfügungsfähigkeit aus beachtlichen Gründen anzunehmen ist (SZ 27/53). Dabei obliege dem Gericht die Pflicht, zu prüfen, ob im Zeitpunkt seiner Amtshandlung (§ 93 GBG) die Voraussetzungen für die Bewilligung des Ansuchens vorliegen (RPflSlgG 882). In seiner Entscheidung vom 10.7.1979, 5 Ob 20/79 (RPflSlgG 1926) habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß im Hinblick auf den im dortigen Fall vorliegenden kurzen Zeitraum (2 Monate) zwischen Vertragserrichtung und Beistandsbestellung das Grundbuchsgericht zur Verweigerung der bezüglichen Eintragung geradezu verpflichtet gewesen sei. In diesem Fall sei auf der Liegenschaft am 20.12.1978 die Bestellung eines vorläufigen Beistandes für die Eigentümerin angemerkt worden, die Bewilligung der grundbücherlichen Eintragung dann auf Grund eines am 21.12.1978 beim Erstgericht eingelangten Grundbuchsgesuches erfolgt. Der hier zu entscheidende Fall könne nicht anders beurteilt werden. Hier stehe auf Grund des im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Gutachtens sogar fest, daß die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen beim Abschluß des Notariatsaktes am 13.4.1996 nicht gegeben war; außerdem sei zu diesem Zeitpunkt bereits das Sachwalterschaftsverfahren anhängig und beim Einlangen des Grundbuchsgesuches beim Erstgericht am 19.4.1996 ein einstweiliger Sachwalter bestellt gewesen, mag auch die diesbezügliche Anmerkung im Grundbuch erst am 15.5.1996 erfolgt sein. Hätte das Erstgericht von der zwei Tage vor Einlangen des gegenständlichen Grundbuchsgesuches erfolgten Sachwalterbestellung gewußt, wäre es nach der Entscheidung 5 Ob 20/79 verpflichtet gewesen, die beantragte Eintragung zu verweigern. Es handle sich hiebei um eine offenkundige Tatsache, die ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichtes zu ersehen gewesen wäre. In einem solchen Fall sei es dem Rekursgericht - ähnlich wie bei einer zwischenzeitig erfolgten und dem Erstgericht nicht bekannten Konkurseröffnung über das Vermögen des Verpflichteten im Exekutionsverfahren - nicht verwehrt, darauf von Amts wegen Bedacht zu nehmen (vgl E 131 zu § 122 GBG in Dittrich/Angst/Auer4; RPflSlgG 2236; 46 R 1102/96s des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen). Es sei zwar richtig, daß auch das Rekursgericht die Berechtigung des Antrages nach dem Zeitpunkt seines Einlangens zu beurteilen hat (OGH EvBl 1959/367 = RPflSlgG 278, NZ 1989, 226), doch sei im vorliegenden Fall der Verbücherungsantrag ohnehin erst beim Grundbuchsgericht eingelangt, als die Bestellung des einstweiligen Sachwalters bereits erfolgt war. Damit habe die erfolgte Sachwalterbestellung auch vom Rekursgericht ohne Verstoß gegen das Neuerungsverbot wahrgenommen werden können.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß bislang an den Obersten Gerichtshof nur Fälle herangetragen worden seien, in denen auch der Grundbuchsstand bei Einlangen des Verbücherungsantrages bereits die Anmerkung der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters bzw nach der alten Rechtslage eines vorläufigen Beistandes aufgewiesen habe.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht die Antragstellerin die ihrer Meinung nach als Nichtigkeitsgrund aufzugreifende Verletzung des Neuerungsverbotes durch das Rekursgericht geltend. Außerdem habe I***** erst mit der Bestellung eines definitiven Sachwalters am 28.8.1996 seine Geschäftsfähigkeit verloren, die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters am 17.4.1996 dürfe nicht als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden, dem Gesuch um Einverleibung des Pfandrechts der Antragstellerin komme ein besserer Rang als der Anmerkung der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zu, der Notariatsakt belege mit dem Gewicht einer öffentlichen Urkunde die Geschäftsfähigkeit des Pfandbestellers am 13.4.1996, und schließlich sei I***** durch die Einverleibung des Pfandrechtes gar nicht beschwert, weil ohnehin bereits ein Rechtsstreit wegen Anfechtung der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde anhängig und eine diesbezügliche Streitanmerkung erfolgt sei. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß so abzuändern, daß die erstgerichtliche Eintragungsbewilligung wiederhergestellt und vollzogen wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig.

Mit der Rechtsfrage, ob und unter welchen Umständen das Rekursgericht die ihm erst im Rechtsmittelverfahren vorgetragenen Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit des von der begehrten bücherlichen Eintragung Betroffenen aufgreifen kann, war der Oberste Gerichtshof bereits befaßt. In der diesbezüglichen Entscheidung vom 14.1.1997, 5 Ob 2432/96z, wurde ausgesprochen, daß das die Eintragungsvoraussetzungen nach § 94 GBG überprüfende Gericht, also auch das Rekursgericht, Bedenken im Sinne des § 94 Abs 1 Z 2 GBG aus allen ihm (wie immer, auch amtlich) bekannt gewordenen Tatsachen ableiten kann (vgl 5 Ob 1045/91 ua), folglich auch angeregt durch an sich unzulässige Neuerungen im Rekurs jenes Buchberechtigten, gegen den sich die begehrte Eintragung richtet. Bedenken gegen die persönliche Fähigkeit der an der Eintragung Beteiligten zur Verfügung über den die Eintragung betreffenden Gegenstand können nämlich immer erst im Zeitpunkt der Entscheidung über das Eintragungsgesuch wahrgenommen werden (5 Ob 1036/91; 5 Ob 106/92 = NZ 1993, 133/268 = RPflSlgG 2363); maßgeblich ist allein, ob durch sie die Geschäftsfähigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt des Verfügungsaktes in Frage gestellt ist.

Damit fehlt der vom Rekursgericht für die Zulassung des ordentlichen Revisionsrekurses ins Treffen geführten Rechtsfrage die gemäß § 14 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG zur Anrufung des Obersten Gerichtshofes erforderliche Erheblichkeit. Auch die übrigen im Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Eintragungsbegehrens vorgebrachten Argumente erweisen sich als nicht stichhältig, sodaß in Anwendung der durch § 126 Abs 3 GBG gewährten Begründungserleichterung nur noch kurz folgendes auszuführen ist:

Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit einer Person, die bücherliche Rechte beschränkt, belastet, aufhebt oder überträgt, können sich auch aus der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters ergeben (5 Ob 1045/91 = RPflSlgG 2330; zuletzt 5 Ob 2409/96t).

Es trifft auch nicht zu, daß derartige Bedenken nur aus einer bücherlichen Anmerkung des diesbezüglichen Bestellungsbeschlusses entnommen werden könnten; vielmehr genügt dazu jedes amtliche Wissen des mit der Entscheidung über das Eintragungsgesuch befaßten Rechtspflegers oder Richters, ja sogar sein privates Wissen, sofern es objektiv überprüfbar ist (5 Ob 1045/91 = RPflSlgG 2330; 5 Ob 2409/96t).

Von einer bücherlichen Rangordnung zwischen einem Einverleibungsgesuch und einer Anmerkung (Ersichtlichmachung) persönlicher Verhältnisse nach § 20 lit a GBG kann überhaupt keine Rede sein. Letztere hat nur deklarative Bedeutung (Dittrich/Angst/Auer4, Anm 2 zu § 20 GBG).

Daß die besonderen Kautelen eines Notariatsaktes Bedenken gegen die Verfügungsfähigkeit eines daran Beteiligten nicht generell ausschließen können, wurde gleichfalls schon entschieden (5 Ob 2409/96t).

Schließlich fehlt dem Rekurs desjenigen, der eine seine bücherlichen Rechte beeinträchtigende Eintragung mit dem Argument bekämpft, es liege das Eintragungshindernis des § 94 Z 2 GBG vor, nicht schon deswegen die Beschwer, weil er das Verfügungsgeschäft ohnehin mit Klage angefochten und eine diesbezügliche Streitanmerkung erwirkt hat. Sieht das Gesetz im einzelnen Fall zur Durchsetzung eines Anspruchs mehrere Rechtsbehelfe vor, dann hat nämlich die Partei das Recht, zwischen ihnen zu wählen oder sie auch gehäuft zu ergreifen (4 Ob 519/96 = EvBl 1996/135). Ob sich durch die Anfechtung des gegenständlichen Schuld- und Pfandbestellungsvertrages iVm der Streitanmerkung tatsächlich dieselbe Rechtsposition des Eigentümers der Pfandliegenschaft (wieder-)herstellen ließe wie durch die Verhinderung der Pfandrechtseinverleibung, ist dabei nicht weiter zu untersuchen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

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