OGH 5Ob316/98a

OGH5Ob316/98a15.12.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragstellerin Eva Maria S*****, vertreten durch Mag. Michael Gruner und Dr. Robert Pohle, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin Eileen M*****, vertreten durch Hausverwaltung Dipl. Ing. Otto Vest, Bösendorferstraße 7, 1010 Wien, diese vertreten durch Mayrhofer & Rainer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. August 1998, GZ 41 R 452/98v-15, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. Mai 1998, GZ 44 Msch 24/97a-10, bestätigt wurde, folgenden

S a c h b e s c h l u ß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Mietvertrag vom 24. 3. 1994 mietete die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die Wohnung top Nr 10 im Haus K*****gasse***** in ***** W*****. Beginn des Mietverhältnisses war der 1. 4. 1994. Es wurde ein Hauptmietzins von S 5.280 vereinbart.

Die Antragsgegnerin ist Fruchtgenußberechtigte der Liegenschaft K*****gasse ***** in ***** W*****.

In diesem Haus ist schon seit Jahrzehnten ein Lift vorhanden, der allerdings infolge der Notwendigkeit einer Generalsanierung von 1982 bis Dezember 1995 nicht in Betrieb war. Es steht nicht fest, welche Sanierungsarbeiten zur Inbetriebnahme erforderlich waren, jedenfalls wurde der Liftschacht neu verputzt und im Dachgeschoß ein neues Triebwerk installiert. Ursache für die durch 13 Jahre hindurch unterlassene Reparatur des Liftes waren ungeklärte Fragen der Finanzierung.

Im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses der Antragstellerin war also der Lift schon seit ca 12 Jahren nicht in Betrieb. Es dauerte von Mietvertragsbeginn an weitere 17 Monate, bis der Lift betriebsfähig war.

In § 7 des Mietvertrages wurde vereinbart:

"Derzeit wird die Liftanlage im Haus erneuert und verpflichtet sich der Mieter schon heute, die anteiligen Kosten des Lifteinbaus und des Liftbetriebs bei Vorschreibung der Hausverwaltung zu übernehmen. ....

"

Tatsächlich wurden der Antragstellerin Lifterrichtungskosten nicht vorgeschrieben.

Der auf die Wohnung der Antragstellerin entfallende Richtwertzins beträgt ohne Berücksichtigung des Aufzugs S 4.625,12, mit dessen Berücksichtigung S 6.442,27.

Am 18. 12. 1996 stellte die Antragstellerin einen Zinsüberprüfungsantrag.

Das Erstgericht wies den Zinsüberprüfungsantrag ab. Ein Abstellen nur auf den Mietvertragszeitpunkt führe zu dem unbilligen Ergebnis, daß der Mieterin letztlich doch ein funktionsfähiger Aufzug zur Verfügung stünde, dieser aber bei der Mietzinsbildung später nicht mehr berücksichtigt werden könne. Dabei ging das Erstgericht von der Ansicht aus, daß dies zu einer Benachteiligung der übrigen Mieter des Hauses führen würde, welche anteilige Lifterrichtungskosten zu bezahlen hätten (letzterer Umstand steht allerdings keineswegs fest).

Über Rekurs der Antragstellerin bestätigte das Gericht zweiter Instanz diesen Sachbeschluß. Die Berücksichtigung eines Lifts bei Bemessung des zulässigen Richtwertmietzinses gemäß § 16 Abs 2 Z 2 MRG und § 3 Abs 4 RichtWG erfordere, daß das Gebäude mit einer derartigen Anlage ausgestattet sei, die auch der vom Verfahren betroffenen Wohnung zumindest potentiell zugute komme. Grundsätzlich gebäudebezogene Umstände, wozu auch eine Liftanlage zähle, seien also insoweit zuschlagsbegründend, als sie infolge zumindest zeitweiser Benützbarkeit den Wohnwert des konkreten Mietgegenstandes positiv beeinflußten (vgl Stabentheiner, WoBl 1994, 81 [88 f]; ders in Rainer, Handbuch des Miet- und Wohnrechts 184 f). Ausgeschlossen wäre ein Zuschlag nur dann, wenn der Mieter den Lift entweder vertraglich nicht benützen dürfe (Ostermayer MietR**2 Anm 5 e zu § 16 MRG) oder ihm nach den örtlichen Gegebenheiten im Haus (vgl immolex 1998/127 mwN) eine sinnvolle Benützungsmöglichkeit fehle (auch Dirnbacher/Heindl/Rustler, Der Richtwertmietzins, 84 f). Die Bestimmung des § 15a Abs 2 MRG könne zur Lösung dieser Frage nicht analog herangezogen werden. Sie betreffe schon ihrem Wortlaut nach nur Kategoriemerkmale der Wohnung selbst, also nicht einen im Haus vorhandenen Lift. Das vorübergehende Fehlen der Benützbarkeit einer vertraglich zugesicherten Anlage im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 MRG ermögliche dem Mieter den Anspruch auf Vertragszuhaltung. Bei Verschulden sei darüber hinaus Schadenersatz zu leisten. Solche Umstände seien jedoch im streitigen Rechtsweg zu prüfen. Auf die im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG festzustellende Höhe des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses seien Mietzinsminderungsansprüche ohne Einfluß.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Auslegung des § 16 Abs 2 Z 2 MRG bei Berechnung der Höhe des zulässigen Richtwertmietzinses bisher höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diesen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin, in dem diese weiterhin den Rechtsstandpunkt vertritt, ein den Richtwert erhöhender Zuschlag für die in § 16 Abs 2 Z 2 MRG genannten Anlagen komme nur bei benutzbaren Anlagen in Betracht. Die Revisionsrekurswerberin gesteht zu, daß bloß eine vorübergehende Unbenutzbarkeit des Liftes, auch wenn sie im Zeitpunkt der Anmietung vorgelegen wäre, keine Auswirkung auf die gesetzlich zulässige Höhe des Mietzinses nach sich gezogen hätte. Hier sei jedoch eine Unbenützbarkeit über einen Zeitraum von über 13 Jahren zu beurteilen. Eine Analogie zu § 15a MRG sei durchaus vorzunehmen, werde doch in beiden Fällen auf wertbestimmende Mietzinsfaktoren Rücksicht genommen, die der Bequemlichkeit des Mieters bei Benützung der Wohnung dienlich seien. Eine Wohnung mit funktionierendem Personenaufzug habe zweifellos einen höheren Gebrauchswert als eine Wohnung ohne Aufzug. Lasse man dies außer Betracht, verstoße man gegen den Zweck der Mietzinsvorschriften. Darüber hinaus sei nach dem Gesetz auf den Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses abzustellen.

Die Revisionsrekurswerberin begehrt daher, den bekämpften Sachbeschluß dahin abzuändern, daß eine monatliche Überschreitung des Hauptmietzinses um S 654,88 festgestellt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Es komme nur auf die potentielle Nutzbarkeit einer im Haus vorhandenen Anlage für den Mieter an. Der vorhandene Aufzug beeinflusse die Benützbarkeit und den Wohnwert des konkreten Mietgegenstandes.

Die Antragstellerin könne nicht für sich ins Treffen führen, daß vor Abschluß des Mietvertrages der Aufzug längere Zeit unbenützbar gewesen sei. Ihr sei von der Antragsgegnerin die Liftsanierung zugesagt worden, diese sei auch auf Kosten der Antragsgegnerin durchgeführt worden. Bei Beurteilung des Ausstattungszustandes der Wohnung komme es, wenn der Vermieter die Kosten der durchzuführenden Arbeiten trage, nicht nur auf den tatsächlichen, sondern auch auf den vom Vermieter herzustellenden Zustand an. Die Kosten der Liftsanierung habe die Antragstellerin nicht getragen. Insofern sei also schon im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses auf den vertragsmäßig herzustellenden Zustand abzustellen.

Stehe die Antragstellerin auf dem Standpunkt, daß die Sanierungsarbeiten verzögert worden seien und die Dauer der Nichtbenützbarkeit ungebührlich erstreckt worden sei, stünden ihr andere Rechtsbehelfe, wie etwa ein Anspruch auf Mietzinsminderung, zur Verfügung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig aber nicht berechtigt.

Für nach dem 1. 3. 1994 abgeschlossene Mietverträge gilt, daß die Ausstattung eines Gebäudes mit einer in § 3 Abs 4 RichtWG ausdrücklich angeführten Aufzugsanlage gemäß § 16 Abs 2 Z 2 MRG idF des 3. WÄG einen Zuschlag zum Richtwertmietzins (§ 1 RichtWG) rechtfertigt, wobei die Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zu berücksichtigen sind.

Das Vorhandensein von im typischen, im Althaus üblicherweise fehlenden Räumen, Flächen oder Anlagen, wie etwa Heizung, Lift, Antenne, Garage, Kinderwagen- oder Fahrradabstellraum etc rechtfertigt nach der Zielsetzung des Gesetzes die Vereinbarung eines Zuschlages, sofern diese Einrichtungen vom Mieter auch (mit)benützt werden können und nicht ohnedies ein gesondertes Entgelt für diese Nebenleistungen (§ 25 MRG) vereinbart ist (vgl G. Schuster WoBl 1996, 84 [94]). In der Norm des § 16 Abs 2 MRG wird die Berücksichtigung der "für die Bewertung einer Wohnung bedeutsamen Umstände" angeordnet. Grundsätzlich gebäudebezogene Umstände können also nur insoweit zuschlagsbegründend in die Beurteilung einfließen, als sie auch den Wohnwert der konkreten Wohnung positiv mitbeeinflussen. Ein anderes Verständnis wäre schon mit dem Regelungszweck des Richtwertsystems, nämlich der Ermittlung des höchstzulässigen Mietzinses für die jeweilige Wohnung unvereinbar. Ein Zuschlag ist also nur möglich, wenn der fraglichen Wohnung die bezeichneten Einrichtungen zumindest zeitweise zur Verfügung stehen. Verfügt ein Gebäude etwa über Einstell- oder Abstellplätze, die aber vom Mieter der zu beurteilenden Wohnung nicht wenigstens dann benützt werden können, wenn sie gerade frei sind, so rechtfertigt dies bei der Ermittlung des Richtwertmietzinses für diese Wohnung keinen Zuschlag (vgl Stabentheiner in WoBl 1994, 81 [88, 89]). Ostermayer (in Mietrecht**2, 128) stellt darauf ab, daß ein derartiger Zuschlag nur vorgenommen werden dürfe, wenn die jeweiligen Anlagen dem Mieter auch zur Verfügung stünden, also die Benützung vertraglich eingeräumt werde.

Diese grundsätzlichen Überlegungen zur Berücksichtigung werterhöhender Faktoren, wie im konkreten Fall der Aufzugsanlage, gehen also davon aus, daß durch die wertbestimmenden Faktoren der Wohnwert der hinsichtlich ihrer Mietzinsbildung in Frage stehenden Wohnung durch die Möglichkeit der Verwendung der vorhandenen Anlagen erhöht werden muß, wobei die Verfügbarkeit des Nutzens nach Maßgabe der Möglichkeiten, die die Anlage an sich bietet, gegeben sein muß. Wendet man das Beispiel der Abstellplätze auf die Benützung einer Liftanlage an, hat das zur Folge, daß ein Mieter aus der zeitweiligen Unbenützbarkeit der Aufzugsanlage, sei es durch Überbeanspruchung sei es durch Wartungs- oder Reparaturarbeiten, welche Umstände bei Vertragsabschluß schon erkennbar sind, keinen Anspruch auf Nichtberücksichtigung solcher Faktoren erheben kann. So wird daraus, daß sich im Haus Büros oder Arztordinationen befinden, durch deren Besucher die Liftanlage stark frequentiert wird und dadurch für die Mieter zeitweise nicht zur Verfügung steht, nicht abgeleitet werden können, es stünde keine ausreichende Benützbarkeit und damit keine Wohnwertsteigerung zur Verfügung.

Gerade aus dem Umstand, daß der Mieter mit Vereinbarung eines sich durch den Zuschlag ergebenden höheren Mietzinses den höheren Wohnwert abgilt, wird aber die dauernde Unbenützbarkeit einer in § 16 Abs 2 Z 2 MRG genannten Anlage bei der Mietzinsbildung nicht unbeachtlich bleiben können, sodaß es sicherlich nicht ausreicht, daß im Gebäude eine solche Anlage vorhanden ist. Die festgestellten Gegebenheiten des vorliegenden Falles geben keinen Anlaß dazu, die Unbenützbarkeit des Lifts als dauernd und nicht als bloß vorübergehende, durch Reparaturarbeiten bedingte Unbrauchbarkeit zu qualifizieren. Bei Prüfung dieses Umstandes ist entgegen der Ansicht der Antragsstellerin die lange Zeit vor Mietvertragsabschluß (nahezu 12 Jahre), in der Reparaturarbeiten an der Liftanlage unterblieben, für die Frage der Zulässigkeit eines Zuschlags nicht zu berücksichtigen. Die Unterlassung von Wiederherstellungsarbeiten durch einen ungebührlich langen Zeitraum, in dem die Antragstellerin jedoch noch nicht Mieterin war, vermag sie nicht für ihren Standpunkt ins Treffen zu führen. Ausgehend vom Beginn des Vertragsverhältnisses mit 1. 4. 1994 und Fertigstellung der Reparatur der Aufzugsanlage mit Dezember 1995 überschritt der Zeitraum der Unbenützbarkeit dieser Einrichtung jenen, der üblicherweise für größere Liftreparaturen anzusetzen ist, nicht erheblich. Im vorliegenden Fall ist also hinsichtlich der Antragstellerin die Nichtbenützbarkeit des Aufzugs durch 17 Monate als eine noch vorübergehende und keineswegs gänzliche und dauernde Unbrauchbarkeit des werterhöhenden Mietzinsfaktors zu qualifizieren.

Der Antragstellerin wurde im Mietvertrag die Reparatur des vorhandenen Aufzugs zugesagt, weshalb ihr für den Fall der ungebührlichen Verzögerung einer Reparatur andere Rechtsbehelfe wie Mietzinsminderungsansprüche oder der Antrag auf Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters, allenfalls sogar Schadenersatzansprüche zur Verfügung stünden. Diese wirken sich jedoch nicht auf die Höhe des bei Vertragsabschluß zulässigen Hauptmietzinses aus, sondern sind der Geltendmachung in eigenen dafür vorgesehenen Verfahren vorbehalten.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin war zulässig, weil zur Frage der Unbrauchbarkeit von werterhöhenden Mietzinsfaktoren im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 MRG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Aus den angeführten Gründen war er jedoch nicht berechtigt.

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