OGH 5Ob304/69 (5Ob303/69)

OGH5Ob304/69 (5Ob303/69)3.12.1969

SZ 42/183

Normen

Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §257
Außerstreitgesetz §9
Außerstreitgesetz §257

 

Spruch:

Rekurslegitimation der Kindesmutter, der mütterlichen Großmutter und der in Aussicht genommenen Wahleltern gegen die Weigerung des Gerichtes, die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Wahlkindes zum Abschluß des Adoptionsvertrages zu ersetzen, und gegen den Beschluß, mit dem die Adoption nicht bewilligt wird.

"Gerechtfertigte Gründe" i. S. des § 179a (2) ABGB. sind auch solche, die die Person des Wahlvaters oder der Wahlmutter betreffen.

Entscheidung vom 3. Dezember 1969, 5 Ob 303, 304/69.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Die am 20. August 1964 geborene minderjährige Susanne S. ist die außereheliche Tochter der Brigitte S.

Camille K., geboren am 13. März 1939, libanesischer Staatsbürger, anerkannte am 28. Mai 1964 vor der Amtsvormundschaft des Magistrates G. die Vaterschaft zu der Minderjährigen, die seit ihrer Geburt im Haushalt ihrer mütterlichen Großmutter Johanna S. und deren Ehegatten Hermann S. untergebracht ist, wo auch die Kindesmutter wohnt.

Die Kindesmutter Brigitte S. ist ein außereheliches Kind der Johanna S. Auf Grund einer Namensgebung durch den Ehemann ihrer Mutter führt sie den Namen S. Gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Susanne S. ist der Magistrat G.

Die Großmutter der Minderjährigen, Johanna S., und ihr Ehemann Hermann S. beabsichtigen, die minderjährige Susanne S. zu adoptieren. Da die Amtsvormundschaft sich weigert, mit ihnen namens der Minderjährigen einen Adoptionsvertrag zu schließen, stellte Hermann S. am 12. August 1969 den Antrag, die verweigerte Zustimmung der Amtsvormundschaft zum Abschluß des Adoptionsvertrages gemäß § 179a (2) ABGB. gerichtlich zu ersetzen und die Mutter der Minderjährigen für den Abschluß des Adoptionsvertrages zum besonderen Sachwalter der Minderjährigen zu bestellen.

Das Erstgericht traf mit Beschluß vom 14. August 1969 nachstehende Verfügungen

1. Der Antrag des Kindesvaters, die mütterliche Großmutter gerichtsärztlich untersuchen zu lassen und die Minderjährige in einem städtischen oder landeseigenen Kinderheim unterzubringen, wird abgewiesen.

2. Die Kindesmutter wird zwecks Abschluß eines Adoptionsvertrages mit Hermann S. und Johanna S. zur besonderen Sachwalterin der Minderjährigen bestellt.

3. Die verweigerte Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Magistrat G.-Amtsvormundschaft) zum Abschluß des Adoptionsvertrages wird gemäß § 179 (2) Satz 2 ABGB. vormundschaftsbehördlich ersetzt.

4. Die Rückziehung des Antrages des Hermann S. auf Übernahme der Vormundschaft wird zur Kenntnis genommen.

Das Erstgericht ging davon aus, daß keine gesetzliche Beschränkung dahin bestehe, daß Ehegatten das außereheliche Kind der Tochter der Wahlmutter adoptieren können. Verweigere der gesetzliche Vertreter des Wahlkindes seine Einwilligung zur Adoption, dann habe das Gericht die mangelnde Einwilligung auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Verweigerung der Adoption vorliegen. Gerechtfertigte Gründe für eine Verweigerung der Einwilligung seien nicht gegeben. Nach § 180a

(1) ABGB. sei eine Adoption zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe oder hergestellt werden soll, die dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes diene. Maßgebend sei somit das Wohl des Kindes. Der Kindesvater sei noch nie für den Unterhalt der Minderjährigen aufgekommen. Die Betreuung des Wahlkindes durch die mütterliche Großmutter und deren Ehemann erfolge ordnungsgemäß. Die Großmutter, die an dem Kind hänge, bringe für die Minderjährige mehr Geld auf als seinerzeit für ihre eigenen Kinder. Die Großmutter sei auch nicht mehr berufstätig. Es bestunden keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß bei der Minderjährigen Erziehungsmängel aufträten. Das Wahlkind verhalte sich artig und fühle sich bei seinen Großeltern wohl. Hermann S. beziehe ein monatliches Nettoeinkommen als kaufmännischer Angestellter von 4000 S; die Großmutter der Minderjährigen beziehe eine Pension von netto 1000 S monatlich. Hermann und Johanna S. seien je zur Hälfte Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Einfamilienhaus befinde. Der Gesundheitszustand der Großmutter der Minderjährigen sei so, daß sie vollkommen in der Lage sei, die Minderjährige zu betreuen. Die Minderjährige soll in etwa einem Jahr das Sacre Coeur besuchen.

Es sei richtig, daß Johanna S. zweimal wegen Überschreitung des Züchtigungsrechtes gerichtlich verurteilt wurde. Die Mutter des Wahlkindes, Brigitte S., sei deshalb von der Wahlmutter Johanna S. im Zorn geschlagen worden, weil sie mit den Schlüsseln der Wohnung, in der der Kocher auf dem Herd brannte, fortgelaufen war und Johanna S. keinen Zutritt zur Wohnung hatte. Brigitte S. sei jedoch nach der Eheschließung zwischen Hermann und Johanna S. wieder in den Haushalt ihrer Mutter zurückgegeben worden. Seither seien keine Mißhandlungen mehr erfolgt. Das Versagen der beiden Töchter der Wahlmutter, Brigitte und Edith, im Entwicklungsalter sei nicht auf eine Fehlerziehung der Wahlmutter, sondern auf den schlechten Einfluß von Mitschülerinnen zurückzuführen gewesen. Bei Brigitte S. habe auch ein Wandertrieb bestanden. Die Mutter der Minderjährigen, die im Haushalt ihrer Mutter lebe, habe Einblick in die Erziehungsmaßnahmen der präsumtiven Wahleltern. Sie sei mit den getroffenen Maßnahmen einverstanden.

Auch das Lebensalter der in Aussicht genommenen Adoptiveltern stehe der Bewilligung der Adoption nicht entgegen. Das Gesetz enthalte bezüglich des Lebensalters der Wahleltern keine Beschränkungen. Die Adoption gereiche der Minderjährigen zum Vorteil.

Das Erstgericht bewilligte mit einem weiteren Beschluß vom 19. August 1969 auf Grund eines schriftlichen Vertrages vom 19. August 1969 die Annahme an Kindesstatt der Minderjährigen als Wahlkind durch Hermann und Johanna S. als Wahleltern. Der Magistrat G. wurde seines Amtes als Vormund enthoben. Das Erstgericht ging davon aus, daß die Minderjährige bei den Wahleltern in geordneten Verhältnissen untergebracht sei und daß eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bereits hergestellt sei. Ein sogenanntes Anliegen leiblicher Kinder der Wahleltern, deren Unterhalt oder Erziehung durch die Adoption gefährdet werden könnte, stehe der Annahme an Kindesstatt nicht entgegen. Der Sohn der Großmutter der Minderjährigen aus erster Ehe, Wilhelm R., sei am 8. November 1932 geboren. Die am 5. August 1952 geborene Tochter der präsumtiven Wahlmutter sei in Wien verheiratet; beide lebten in geordneten Verhältnissen. Die Mutter der Minderjährigen stimme der Annahme an Kindesstatt zu. Der außereheliche Vater der Minderjährigen sei zwar mit einer Adoption nicht einverstanden, doch diene die Annahme an Kindesstatt dem Wohl der Minderjährigen.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß vom 14. August 1969, der in seinen Punkten 1. und 4 unangefochten blieb, im übrigen dahin ab, daß der Antrag des Hermann S., Brigitte S. zum Abschluß des Adoptionsvertrages zur besonderen Sachwalterin der minderjährigen Susanne S. zu bestellen und gemäß § 179a ABGB. die verweigerte Zustimmung der Amtsvormundschaft zum Abschluß eines Adoptionsvertrages gerichtlich zu ersetzen, abgewiesen wurde. Der erstgerichtliche Beschluß vom 19. August 1969 wurde dahin abgeändert, daß der Antrag auf Bewilligung der Adoption zurückgewiesen wurde. Nach § 179a (2) ABGB. könne die Weigerung des gesetzlichen Vertreters zum Abschluß eines Adoptionsvertrages durch das Gericht ersetzt werden, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung gegeben seien. Was als gerechtfertigte Gründe zur Verweigerung der Adoption anzusehen seien, ergebe sich nicht aus dem Gesetz. Daher sei die Weigerung des gesetzlichen Vertreters, der Adoption zuzustimmen, auch dann gerechtfertigt, wenn andere Gründe vorlägen als jene, die eine Voraussetzung der Adoption bilden. Es könnten daher auch Gründe in der Person des gesetzlichen Vertreters oder in der Person des Annehmenden die Verweigerung der Einwilligung zur Adoption als gerechtfertigt erscheinen lassen, wogegen die Annahme an Kindesstatt dann auszusprechen sei, wenn die Annahme dem Wohl des nicht eigenberechtigten Wahlkindes diene. Gerechtfertigte Gründe für die Verweigerung der Einwilligung zur Adoption seien in der Person der Wahlmutter gegeben. In erster Ehe habe die Wahlmutter im Jahre 1932 ihren Sohn Wilhelm R. geboren, der ihr wegen schwerer Mißhandlungen, die zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führten, abgenommen und im Jahre 1942 der Fürsorgeerziehung überwiesen worden sei. Die im Jahre 1944 geborene Tochter Brigitte S. habe die Wahlmutter gleichfalls schwer mißhandelt. Mit Urteil des JG. Graz vom 13. September 1951 sei Johanna S. wegen Übertretung nach § 413 StG. schuldig erkannt worden. Die Tochter Brigitte S. sei in der Folge bei ihrer Großmutter untergebracht worden.

Am 16. Februar 1952 habe Johanna S. ihre zweite Ehe geschlossen. Auf Grund der Eheschließung sei ihr die Tochter Brigitte S. probeweise in Pflege und Erziehung überlassen worden, doch seien in den Jahren 1955, 1956, 1958 und 1960 bei ihr Erziehungsschwierigkeiten aufgetreten. Brigitte S. sei in den angeführten Jahren durchgegangen. Auch bei der am 5. August 1952 geborenen Tochter Edith S. sei die Wahlmutter den aufgetretenen Erziehungsschwierigkeiten nicht gewachsen gewesen. Edith S. sei in den Jahren 1966 und 1967 wiederholt von zu Hause weggelaufen. Bei ihr habe mit Beschluß vom 11. Jänner 1968 die Fürsorgeerziehung angeordnet werden müssen, die mit Beschluß vom 12. Juli 1968 aufgehoben worden sei. Sei die Wahlmutter aber den Erziehungsschwierigkeiten bei ihren eigenen Kindern nicht gewachsen gewesen, dann rechtfertige das die Annahme, daß auch beim Wahlkind mit zunehmendem Alter der Wahleltern Erziehungsschwierigkeiten auftreten würden. Es seien daher gerechtfertigte Gründe für die Weigerung der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters des Wahlkindes zum Abschluß des Adoptionsvertrages gegeben.

Da im Hinblick auf die gerechtfertigte Weigerung des gesetzlichen Vertreters des Wahlkindes zum Abschluß des Adoptionsvertrages ein wirksamer Vertrag nicht zustande gekommen sei, sei auch der Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt zurückzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem von der Kindesmutter, der mütterlichen Großmutter und Hermann S. erhobenen Revisionsrekurs, soweit er sich gegen den Ausspruch über die Verweigerung der Ersetzung der Zustimmung der Amtsvormundschaft zum Adoptionsvertrag richtete, Folge und stellte den erstgerichtlichen Beschluß vom 14. August 1967 in seinem Punkt 3. (Ersetzung der Zustimmung der Amtsvormundschaft) wieder her. Soweit der Beschluß des Rekursgerichtes den Antrag auf Bestellung der Kindesmutter zur besonderen Sachwalterin abgewiesen hatte, wurde er bestätigt. Hingegen wurden der zweitinstanzliche Beschluß in seinem Ausspruch über die Zurückweisung des Antrages auf Bewilligung der Adoption und der erstgerichtliche Beschluß vom 19. August 1969 aufgehoben; im Umfang dieser Aufhebung wurde dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was die Frage der Rekurslegitimation der unehelichen Mutter des Wahlkindes anlangt, so ist sie zu bejahen. Nach § 181 (1) Z. 2 ABGB. darf die Annahme an Kindesstatt nur bewilligt werden, wenn die Mutter des minderjährigen Wahlkindes zustimmt. Daraus ergibt sich, daß die Mutter des minderjährigen Wahlkindes nicht nur eine Stellungnahme zur Adoption abzugeben hat, sondern durch ihre Zustimmungserklärung als Beteiligte mitzuwirken hat. Als nach § 181 ABGB. am Verfahren Beteiligte ist die Kindesmutter auch rekursberechtigt (Meyer, Adoptionsgesetz S. 26 Anm. 1 zu § 181 ABGB., Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht JBl. 1963 S. 461; SZ. XXXVII 138).

Auch die Rekurslegitimation der in Aussicht genommenen Wahleltern gegen die Verweigerung der gerichtlichen Ersetzung der Einwilligung der Amtsvormundschaft zum Abschluß des Adoptionsvertrages ist schon nach § 179a (2) Satz 2 ABGB. gegeben. Die angeführte Gesetzesstelle räumt nämlich dem Annehmenden das Antragsrecht und damit die Beteiligtenstellung im Verfahren ein. Als Beteiligte sind aber die Wahleltern auch zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert.

Die Rekurslegitimation der präsumtiven Wahleltern sowohl gegen die Ersetzung der verweigerten Einwilligung der Amtsvormundschaft zum Abschluß des Adoptionsvertrages als auch gegen die versagte Bewilligung der Adoption ergibt sich auch auf Grund des § 257 AußStrG. i. d. F. des G. BGBl. Nr. 58/1960. Nach dieser Gesetzesstelle sind u. a. die Vertragsteile Beteiligte am Verfahren zur Bewilligung der Annahme an Kindesstatt. Ihnen steht daher, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SZ. XLI 99), nach der nunmehrigen Rechtslage ein Rekursrecht zu.

Der nach § 166 (2) ABGB. sogar subsidiär unterhaltspflichtigen Großmutter, die zu den nächsten Verwandten zählt, denen, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Ott, Rechtsfürsorgeverfahren S 243 ff. Rintelen Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen S 34) ausgesprochen hat (2 Ob 265/51, 5 Ob 292/69 u. a.), eine gewisse Initiative in Pflegschaftssachen zugebilligt werden muß und denen eine weitreichende Informationspflicht auferlegt ist, wäre auch auf Grund ihrer Verwandtschaft die Rekurslegitimation einzuräumen.

Nach § 179a (2) ABGB. schließt das nicht eigenberechtigte Wahlkind den Adoptionsvertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter. Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung, so hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.

Nicht beigetreten werden kann der Auffassung der Rekurswerber, daß als gerechtfertigte Gründe, den Abschluß des Adoptionsvertrages zu verweigern, nur Umstände in Betracht kämen, die einer Bewilligung des Adoptionsvertrages entgegenstehen. Schon auf Grund des ganz allgemein gehaltenen Gesetzestextes ergibt sich, daß unter die gerechtfertigten Gründe auch solche fallen können, die die Person der Wahlmutter oder des Wahlvaters betreffen. Der zweite Satz des § 179a (2) ABGB. enthält auch keine Einschränkung in der Form, daß er auf in einer anderen Gesetzesstelle angeführte Gründe Bezug nimmt. Für die Auffassung, daß jeder gerechtfertigte Grund bei der Verweigerung der Einwilligung zum Abschluß des Adoptionsvertrages zu berücksichtigen ist, spricht auch der im Bericht des Justizausschusses zu § 179a ABGB. (500 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR. IX. GP. S. 2) zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers. Danach sollen nicht nur sittliche, sondern auch andere, also etwa wirtschaftliche Gründe geeignet sein, die Weigerung des Zustimmungsberechtigten zu rechtfertigen. Es solle eine Rechtfertigung nach den allgemein und objektiv geltenden Grundsätzen vorliegen. Diesem Standpunkt sind auch das Schrifttum (Ostheim, Kennt das österr. Adoptionsrecht eine Kindesenteignung? JBl. 1966 S. 185, 186) und die Rechtsprechung (SZ. XXXVIII 130) gefolgt.

Es trifft zu, daß die mütterliche Großmutter des Adoptionskindes in den Jahren 1942 und 1951 ihre Kinder mißhandelte und deshalb strafgerichtlich verurteilt wurde; es traten auch Erziehungsschwierigkeiten bei ihren Töchtern auf. Demgegenüber darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß seit der letzten Mißhandlung eines Kindes 17 Jahre verstrichen sind. Seit dem Jahre 1952 ist Johanna S. mit dem in Aussicht genommenen Wahlvater verheiratet. Sie ist nicht mehr berufstätig, sondern Pensionistin und lebt mit ihrem Ehegatten in geordneten finanziellen Verhältnissen. Die minderjährige Susanne S. ist gut erzogen. Sie macht einen geborgenen und selbstsicheren Eindruck. Gröbere Erziehungsmängel konnten nicht wahrgenommen werden. Die Großmutter bringt auch für ihr Enkelkind mehr Geld auf als seinerzeit für ihre eigenen Kinder.

Johanna S. ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch gesundheitlich in der Lage, die Pflege und Erziehung ihres Enkelkindes zu bewerkstelligen. Dafür, daß allenfalls in zehn Jahren, wenn die Wahlmutter das 72. Lebensjahr erreicht, auch beim Wahlkind Erziehungsschwierigkeiten auftreten könnten, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Das Wahlkind besucht derzeit den Kindergarten; es besteht die Absicht, die Minderjährige in der Zukunft im Sacre Coeur unterzubringen. Edith S., eine Tochter der Wahlmutter, hat die seinerzeit aufgetretenen Erziehungsschwierigkeiten überwunden und lebt in aufrechter Ehe. Überdies lebt die Mutter der Minderjährigen zum Teil im Haushalt der Wahlmutter. Auch sie gibt an, daß ihr außereheliches Kind eine gute Erziehung erhält.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist darauf Bedacht zu nehmen, daß der Vater der Minderjährigen bisher keinerlei Unterhaltsleistungen erbracht hat. Die Wahleltern leben in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Das Nettoeinkommen des präsumtiven Wahlvaters beträgt 4000 S monatlich, wogegen die Wahlmutter eine Nettopension von monatlich 1000 S bezieht. Beide Wahleltern sind Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein Einfamilienhaus befindet. Die Minderjährige würde daher nach der Bewilligung der Annahme an Kindesstatt auch erbrechtliche Anwartschaften besitzen.

Nicht stichhältig ist auch der Einwand, daß im Fall der Adoption das Verhalten der Wahleltern keiner Kontrolle mehr unterliege. Ungeachtet der Annahme an Kindesstatt bieten die Vorschriften der §§ 26 ff. JWG. eine Handhabe zu einem Einschreiten gegen die Wahleltern, so daß gerechtfertigte Gründe dagegen nicht bestehen, die mangelnde Einwilligung der Amtsvormundschaft zu ersetzen.

Ein Adoptionsvertrag kommt durch die Abgabe eines Versprechens und dessen Annahme zustande (§ 861 ABGB.). Für den Fall, daß der gesetzliche Vertreter des minderjährigen Wahlkindes seine Einwilligung in den Vertrag, also die Annahme des Versprechens, ohne gerechtfertigte Gründe verweigert, hat nach § 179a (2) Satz 2 ABGB. das Gericht seine Einwilligung zu ersetzen. Der Beschluß des Pflegschaftsgerichtes, durch den die Ersetzung ausgesprochen wird, tritt daher an die Stelle der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Mit der Rechtskraft dieses Beschlusses ist, wie der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat (SZ. XXXVIII 130), der schriftliche Adoptionsvertrag abgeschlossen. Die Bestellung eines besonderen Sachwalters zum Abschluß des Adoptionsvertrages erübrigt sich daher, so daß in diesem Belang der Revisionsrekurs nicht gerechtfertigt erscheint.

Was die Frage der Bewilligung der Annahme an Kindesstatt anlangt, so besteht nach den Feststellungen der Vorinstanzen zwischen dem Wahlkind und den Wahleltern bereits ein dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung, die dem Wohl des Wahlkindes dient (§ 180a (1) A8GB.). Auch die nach § 181 ABGB. erforderlichen Zustimmungserklärungen liegen vor.

Allein für die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt ist zwar keine Zustimmung der leiblichen Kinder der Wahleltern erforderlich; nach § 180 (2) ABGB, ist aber die Bewilligung der Adoption zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht. Daraus ergibt sich, daß auch die Ansprüche und Interessen der leiblichen Kinder der Annehmenden berücksichtigt und die leiblichen Kinder der Wahleltern in die Lage versetzt werden sollen, zu der beabsichtigten Adoption ihrer Eltern Stellung zu nehmen. Sie sind daher, wie der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem Schrifttum (Steininger, Kritische Studien zum Adoptionsrecht, JBl. 1963 S. 460) ausgesprochen hat (SZ. XXXVII 138, EvBl. 1968 Nr. 229), am Verfahren Beteiligte. Als solche sind sie zur Wahrung ihrer Ansprüche zu hören. Ihnen ist auch, damit sie in die Lage versetzt werden, die Verletzung ihrer Rechte zu bekämpfen, die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung der Adoption zuzustellen. Da das Erstgericht weder den Sohn der Wahlmutter aus erster Ehe, Wilhelm R., noch die am 5. August 1952 geborene Tochter der Wahleltern, Edith P., vernommen und ihnen auch seine Entscheidung nicht zugestellt hat, kann einer abschließenden Beurteilung der Frage nicht nähergetreten werden, ob ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes der Adoption entgegensteht. Die Sache ist daher, soweit sie die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt zum Gegenstand hat, noch nicht spruchreif.

Nach Anhörung der bisher am Verfahren nicht beteiligten leiblichen Kinder der Wahleltern wird das Erstgericht über den Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindesstatt neuerlich zu entscheiden haben. Die Entscheidung wird dabei den leiblichen Kindern (bzw. dem gesetzlichen Vertreter der minderjährigen Edith P.), die als am Verfahren Beteiligte rekursberechtigt sind, zuzustellen sein.

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