OGH 5Ob257/05p

OGH5Ob257/05p20.12.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH & Co *****, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner, Rechtsanwälte in Wien, erster Nebenintervenient P*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch DDr. Georg Bahn, Rechtsanwalt in Wien, zweiter Nebenintervenient I***** GmbH, *****, vertreten durch Grohs Hofer, Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, gegen die beklagte Partei U***** BV, *****, vertreten durch Dr. Brigitte Heaman-Dunn, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 5,031.115,14 sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2005, GZ 40 R 124/05i-126, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Berechtigung der zuletzt klagsgegenständlichen Mietzinsforderung in Höhe von EUR 5,031.115,14 bestreitet die beklagte Mieterin eines Multiplexkinos mit dem Argument, sie sei entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gemäß § 1117 ABGB zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Entgegen beiderseitigen Erwartungen bei Vertragsabschluss sei die klagende Vermieterin nicht in der Lage gewesen, am Standort die Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Urban Entertainment Center (UEC) zu schaffen, was eine wesentliche Mitursache für das Scheitern des wirtschaftlichen Erfolgs der Mieterin gebildet habe.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat - gedeckt durch erstgerichtliche Feststellungen - seiner rechtlichen Beurteilung darüber hinaus zugrundegelegt, dass das Unternehmen der Beklagten als „Ankermieter" (Magnetmieter) bei Schaffung eines UEC wirken sollte und dass die Hauptursache für das Scheitern des wirtschaftlichen Vorhabens der Beklagten war, dass sie dem auf dem Kinosektor einsetzenden massiven Verdrängungswettbewerb nicht gewachsen war. Nicht voll abschätzbare Auswirkungen des am freien Markt üblichen Konkurrenzkampfs und die enttäuschte Erwartung einer Geschäftsentwicklung könnten eine vorzeitige Vertragsauflösung nicht rechtfertigen. Die Beteiligung am Geschäftsleben bzw der freien Marktwirtschaft schließe ein spekulatives Element mit ein, dessen Folgen nicht auf den Vertragspartner überwälzt werden könnten (6 Ob 59/00w). Resultiere das Scheitern des von der Betreiberin und der Ankermieterin gemeinsam beabsichtigten UEC wie hier an den Sphären beider zuzuordnenden Wechselwirkungen, so könne darauf ein Anspruch auf vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages seitens der Mieterin nicht gegründet werden.

In ihrer außerordentlichen Revision vermag die Beklagte, die der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht ein Abweichen von einschlägigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, insbesondere 6 Ob 59/00w, 6 Ob 18/05y und 1 Ob 113/02b, vorwirft sowie die mangelnde Unterscheidung zwischen Gewährleistung und Gefahrtragung beim Mietvertrag rügt, Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht darzutun.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich schon mehrfach mit der Frage der vorzeitigen Auflösung eines Bestandverhältnisses aus wichtigen Gründen in ähnlich gelagerten Fällen zu befassen. Es wurde dabei stets judiziert, dass die wirtschaftlich unzutreffende Einschätzung des Geschäftsgangs, mit der schon bei Abschluss des Vertrages gerechnet werden konnte, keinen Grund für die vorzeitige Auflösung eines Bestandvertrages darstellt und dass die bei Vertragsabschluss nicht voll abschätzbaren Auswirkungen des Konkurrenzkampfs nicht Anlass für die Vertragsauflösung sein können (MietSlg 33.196; SZ 59/17 = MietSlg 38.203). Auch in 1 Ob 340/98a = MietSlg 51/16 wurde an diesen Grundsätzen ausdrücklich festgehalten und die Auflösung nur unter Hinweis auf die in unmittelbarer Nähe betriebene aggressive Konkurrenz durch die Bestandgeberin selbst und die Abhängigkeit der Bestandnehmerin von Warenlieferungen durch die Bestandgeberin als berechtigt erachtet. In der Entscheidung 6 Ob 59/00w = SZ 73/180 wurde unter Bezug auf 1 Ob 340/98a noch ausgeführt, dass nicht voll abschätzbare Auswirkungen des am freien Markt üblichen Konkurrenzkampfs und die enttäuschte Erwartung einer erfreulichen Geschäftsentwicklung eine vorzeitige Vertragsauflösung nicht rechtfertigen können. Die Beteiligung am Geschäftsleben bei freier Marktwirtschaft schließe ein spekulatives Element mit ein, dessen Folgen nicht auf den Vertragspartner überwälzt werden können. Nur wenn der Mieter eines Geschäftslokals bei Vertragsabschluss nicht damit rechnen musste, dass über Jahre hindurch nur ein Bruchteil der Geschäftsräumlichkeiten im Einkaufszentrum ausgelastet sein würde, könne darin ein Grund für eine vorzeitige Auflösung des Dauerschuldverhältnisses gesehen werden. Auch in der Entscheidung 3 Ob 274/02v = SZ 2002/160 = JBl 2003, 643 wird die Bedeutung der mangelnden Vorhersehbarkeit betont.

Soweit in der außerordentlichen Revision damit argumentiert wird, der Entscheidung 1 Ob 113/02b (= SZ 2002/132) sei zu entnehmen, dass in einem Fall wie dem gegenständlichen eine Wahlmöglichkeit des Bestandnehmers zwischen Mietzinsminderung und vorzeitiger Vertragsauflösung bestehe, ist dazu Folgendes klarzustellen:

Verletzt der Bestandgeber das bedungene Gebrauchsrecht (wie in dem der Entscheidung SZ 2002/132 zugrundeliegenden Fall, wo der Bestandgeber den Konkurrenzschutz verletzte), so kann der Bestandnehmer zwischen den Begehren auf Erfüllung, Zinsminderung, vorzeitiger Auflösung und - bei Verschulden - Schadenersatz wählen (SZ 2002/132 unter Berufung auf Würth in Rummel3 Rz 12 zu § 1096; MietSlg 35.180). Die Zinsbefreiung bzw -minderung kann der Bestandnehmer hingegen immer dann in Anspruch nehmen, wenn das Bestandobjekt derart mangelhaft wird, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Es kommt nicht darauf an, ob das Auftreten des Mangels vom Verschulden des Bestandgebers abhängt. Die Zinsminderung tritt schon kraft Gesetzes ein. Voraussetzung ist nur, dass der bedungene Gebrauch des Bestandgegenstandes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert oder beeinträchtigt wird (vgl SZ 2002/132 mwN). Es ist daher durchaus möglich, dass zwar - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen für die Zinsminderung im dargestellten Sinn vorliegen, nicht jedoch die Voraussetzungen für eine vorzeitige Vertragsaufhebung.

Auch die Entscheidung 6 Ob 18/05y hatte bloß Mietzinsminderungsansprüche auf Grund festgestellter „Leerstehungen" zum Gegenstand, was dort, auch ohne ausdrückliche Zusage des Bestandgebers im Bestandvertrag, als einen Zinsminderungsanspruch begründend bewertet wurde.

Zuletzt wurde in 8 Ob 27/05m die Berechtigung einer vorzeitigen Vertragsauflösung des Mieters eines Kinocenters wegen mangelnden wirtschaftlichen Erfolgs mit den schon zuvor dargestellten Argumenten verneint.

Die von der Revisionswerberin behauptete relevante Widersprüchlichkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung mit einschlägigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs liegt daher nicht vor.

Eine im Rahmen einer außerordentlichen Revision aufgreifbare Ermessensüberschreitung vermag die Revisionswerberin bei der nach § 273 ZPO bemessenen Höhe der der Beklagten zustehenden Zinsminderungsansprüche nicht aufzuzeigen. Ob im vorliegenden Fall, wo die Zinsminderung mit Beträgen zwischen 10 und 30 % je nach den jeweiligen Leerstehungen bemessen wurde, eine Einbeziehung der Büro- und Hotelräumlichkeiten gerechtfertigt war oder nicht, geht über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles nicht hinaus. Die Frage des Umfangs der Zinsminderung ist stets nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen und daher nicht erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0108260).

Damit kann auch die in der außerordentlichen Revision angestellte Rüge der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsates auf sich beruhen, geht es doch darin ausschließlich um die Frage, ob die Flächen des Hotels und der Büroräumlichkeiten bei der Beurteilung des Anteiles der Leerstehungen in die Gesamtfläche miteinzubeziehen waren oder nicht. Das stellt, wie schon ausgeführt eine Rechtsfrage dar, die über den Einzelfall nicht hinausweist.

Damit erweist sich die Revision der beklagten Partei als unzulässig. Sie war zurückzuweisen.

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