Normen
ABGB §431
EO §105
EO §132 Z2
KO §5 (3)
KO §83
KO §176
ABGB §431
EO §105
EO §132 Z2
KO §5 (3)
KO §83
KO §176
Spruch:
Dem in einem zur Konkursmasse gehörigen Hause wohnenden Gemeinschuldner sind für die Dauer des Konkursverfahrens die für ihn und für seine im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebenden Familienmitglieder unentbehrlichen Wohnräume zu überlassen. Unter bestimmten Voraussetzungen können ihm die überlassenen Wohnräume entzogen werden. Durch die Anführung des § 105 EO. in § 5 (3) KO. ist aber noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß abweichend von den Vorschriften des § 176 KO. auch die Rechtsmittelbeschränkungen des § 132 Z. 2 EO. Platz greifen
Entscheidung vom 22. September 1966, 5 Ob 256/66
I. Instanz: Landesgericht Eisenstadt; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Mit Kaufvertrag vom 18. Dezember 1965 verkaufte die Konkursmasse X., vertreten durch den Masseverwalter, die Liegenschaft EZ. A., zu der das vom Gemeinschuldner bewohnte Grundstück Nr. 1/1 Haus KNr. 1 gehörte, an die Marktgemeinde N. um den Kaufpreis von 1.900.000 S. Nach Punkt IV des Kaufvertrages übernimmt die Konkursmasse die Haftung dafür, daß die Liegenschaft frei von Miet- oder Wohnrechten oder sonstigen Besitzrechten dritter Personen ist, sowie die Verpflichtung, die gänzliche Räumung der Liegenschaft von sämtlichen auf ihr derzeit wohnenden oder sie sonst benützenden Personen, insbesondere des Gemeinschuldners und seiner Familie, durchzuführen. Solange dies nicht der Fall ist, steht der Käuferin das Recht zu, den Teilbetrag von 50.000 S vom Kaufpreis unverzinst zurückzubehalten. Dieser Betrag ist erst dann an die Verkäuferin auszufolgen, wenn sämtliche sie derzeit benützenden Personen die Liegenschaft geräumt haben.
Der Vertrag wurde mit Beschluß des Konkursgerichtes vom 12. Jänner 1966 konkursbehördlich genehmigt.
Auf Grund des Kaufvertrages vom 18. Dezember 1965 wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes N. vom 4. Mai 1966, ob der Liegenschaft EZ. A. die Einverleibung des Eigentumsrechtes für die Marktgemeinde N. bewilligt.
In seiner Eingabe vom 22. April 1966 bringt der Masseverwalter vor, daß sich der Gemeinschuldner weigere, die den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Schloßliegenschaft zu räumen, obwohl im Kaufvertrag die Verpflichtung zur geräumten Übergabe enthalten sei und der Gemeinschuldner sich bei einer Besprechung mit den vertragschließenden Parteien am 18. Dezember 1955 bereit erklärt habe, bis 1. April 1966 die gesamte Liegenschaft zu räumen. Es wird der Antrag gestellt, den Gemeinschuldner durch Beschluß anzuhalten, die Schloßliegenschaft EZ. A. unverzüglich zu räumen.
Das Erstgericht trug mit Beschluß vom 16. Mai 1966 dem Gemeinschuldner auf, sämtliche Räume des Hauses auf EZ. A. binnen 14 Tagen von seinen Fahrnissen zu räumen und der nunmehrigen Eigentümerin Marktgemeinde N. geräumt zu übergeben. Es vertrat die Auffassung, daß dem Gemeinschuldner, der seiner Räumungsverpflichtung nicht nachgekommen sei und dem Vertreter der Gemeinde N. erklärt habe, er denke nicht daran, auszuziehen, gemäß § 5 (3) KO. und § 105 (1) EO. die bisher überlassenen Wohnräume im Schloß zu entziehen seien, weil er durch die Verweigerung der zugesagten Räumung der Liegenschaft den Abschluß des Konkursverfahrens und die Befriedigung der Gläubiger verzögere.
Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses des Gemeinschuldners den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Ausspruch des Erstgerichtes über die Räumungsverpflichtung des Gemeinschuldners aufgehoben wurde. Seine Begründung läßt sich dahin zusammenfassen, daß das Rechtsmittel des Rekurses zulässig sei. Die Bestimmung des § 132 Z. 2 EO. über den Rechtsmittelausschluß finde keine Anwendung, weil im § 5 (3) KO. nur auf § 105 EO. verwiesen werde.
Nach § 5 (3) KO. seien, wenn der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Hause wohne, auf die Überlassung und Räumung seiner Wohnung die Vorschriften des § 105 EO. sinngemäß anzuwenden. Diese Bestimmungen seien aber diesfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses deshalb nicht mehr anwendbar gewesen, weil das Kaufobjekt zufolge des Beschlusses des Bezirksgerichtes N. vom 4. Mai 1966 bereits Eigentum der Marktgemeinde N. war, also nicht mehr zur Konkursmasse gehört habe. Verfügungen des Konkursgerichtes gemäß § 5 (3) KO., § 105 EO. seien seither hinsichtlich der Liegenschaft EZ. A. oder hinsichtlich von Bestandteilen der Liegenschaft nicht mehr zulässig.
In dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom Masseverwalter eingebrachten Revisionsrekurs wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Rekurs des Gemeinschuldners gegen den erstgerichtlichen Beschluß als unzulässig zurückgewiesen werde. Hilfsweise wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt werde.
Der Oberste Gerichtshof gab diesem Revisionsrekurs nicht Folge und bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Antrag des Masseverwalters, den Gemeinschuldner anzuhalten, die Schloßliegenschaft EZ. A. zu räumen, abgewiesen wird.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Frage anlangt, ob überhaupt gegen den erstgerichtlichen Beschluß das Rechtsmittel des Rekurses zulässig ist, bestimmt § 5 (3) KO., daß dann, wenn der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Haus wohnt, auf die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners die Vorschriften des § 105 EO. sinngemäß anzuwenden sind. Daraus folgt, daß dem in einem zur Konkursmasse gehörigen Hause wohnenden Gemeinschuldner für die Dauer des Konkursverfahrens die für ihn und für seine im gemeinsamen Haushalt mit ihr lebenden Familienmitglieder unentbehrlichen Wohnräume zu überlassen sind und ihm unter bestimmten Voraussetzungen die überlassenen Wohnräume entzogen werden könnten. Durch die Anführung des § 105 EO. im § 5 (3) KO. ist aber noch nicht zum Ausdruck gebracht, daß abweichend von den Vorschriften des § 176 KO. auch die Rechtsmittelbeschränkungen des § 132 Z. 2 EO. Platz greifen. Es wurden damit lediglich die materiellrechtlichen Bestimmungen des § 105 EO. im Rahmen der Konkursordnung für anwendbar erklärt, keineswegs aber die damit im Zusammenhang stehende verfahrensrechtliche Sonderregelung des § 132 Z. 2 EO.
Der von Bartsch - Pollak, Konkursordnung, Band I S. 67, vertretene Standpunkt, daß über den Umfang der Räumung der Konkurskommissär entscheidet und gegen seine Entscheidung ein Rekurs nicht stattfindet, findet in der nur auf § 105 EO. beschränkten Zitierung des § 5 (3) KO. keine Stütze. Andernfalls hätte der Gesetzgeber § 5
(3) KO. wie folgt gefaßt: Wohnt der Gemeinschuldner in einem zur Konkursmasse gehörigen Hause, so sind auf die Überlassung und Räumung der Wohnung des Gemeinschuldners die Vorschriften des § 105 EO. (§ 132 Z. 2 EO.) sinngemäß anzuwenden. Auch in der Denkschrift zur Konkursordnung findet sich kein Anhaltspunkt für diese beabsichtigte Rechtsmittelbeschränkung.
Diesfalls käme aber selbst für den Fall der Anwendbarkeit des § 132 Z. 2 EO. eine Rechtsmittelbeschränkung gar nicht zur Anwendung, weil mit dem erstgerichtlichen Beschluß nicht der Umfang der dem Gemeinschuldner zu überlassenden Wohnräume bestimmt wird, sondern der Gemeinschuldner zur Räumung der gesamten Wohnräume verhalten wird.
Es trifft zu, daß die Einverleibung des Eigentumsrechtes der Marktgemeinde N. ob der Liegenschaft EZ. A. mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes N. vom 4. Mai 1966 erfolgte und daß der erstgerichtliche Beschluß vom 16. Mai 1966 herrührt. Nicht beigetreten werden kann aber der Auffassung des Rekurswerbers, daß das Eigentum erst mit der Rechtskraft des die Einverleibung des Eigentums bewilligenden Beschlusses, die nach dem erstgerichtlichen Beschluß eintrat, auf den Käufer übergeht. Bei der Bewilligung des Eigentumseinverleibungsgesuches wird das Eigentum des Erwerbers, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (3 Ob 462/59 = JBl. 1960 S. 295), grundsätzlich mit dem Zeitpunkt des Ansuchens begrundet.
Sofern der Rekurswerber den Versuch unternimmt, den Eigentumsübergang von der Auszahlung des Kaufpreises oder von der Übergabe der Liegenschaft abhängig zu machen, stehen seine Ausführungen im Widerspruch zu § 431 ABGB.
Der Rekurswerber ist im Recht darin, daß dem Masseverwalter nach § 83 KO. die Verbindlichkeit obliegt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt. Dazu zählt auch die Verpflichtung zu Verwertung des Konkursvermögens und diesfalls die Verbindlichkeit zur geräumten Übergabe der Liegenschaft an die Käuferin, die Marktgemeinde N. Allein der mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes der Käuferin erfolgte Eigentumsübergang hatte das Ausscheiden des vom Gemeinschuldner bewohnten Hauses aus der Konkursmasse zur Folge. Es beendet die Befugnis des Masseverwalters, vollstreckbare Anordnungen vom Konkursgericht zu erwirken (s. hiezu 7 Ob 343/65).
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen und der angefochtene Beschluß mit der im Spruch angeführten Maßgabe zu bestätigen, wobei es keiner Erörterung der Frage bedarf, ob der Masseverwalter im Rechtsweg den Räumungsanspruch geltend machen kann.
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