Spruch:
Dem Heimfallsärar kann erst nach erfolgloser Durchführung des in § 128 AußStrG vorgesehenen Ediktalverfahrens eine Ingerenz auf die Verlassenschaftsabhandlung eingeräumt werden
Ob eine Verlassenschaft erblos ist, hat allein das Abhandlungsgericht zu beurteilen. Solange es - wenn auch nach Durchführung eines Verfahrens nach § 128 AußStrG - die Voraussetzungen für eine Erbloserklärung nach § 760 ABGB, § 130 AußStrG nicht für gegeben hält, ist es der Finanzprokuratur als der Vertreterin des heimfallsberechtigten Staates verwehrt, durch Anträge oder Rechtsmittel in das Verfahren einzugreifen und so auf eine für sie günstige Lösung dieser Frage hinzuwirken
OGH 20. Dezember 1973, 5 Ob 230/73 (KG Leoben R 511/73; BG Rottenmann A 44/72)
Text
Die am 28. September 1891 geborene zuletzt beschrankt entmundigte Pauline St. geb. L, ist am 6. Feber 1972 an ihrem Wohnort in R ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung gestorben. Schon in der Todfallsaufnahme werden als Nachkommen der Verstorbenen neben dem am 8. Oktober 1941 an der Ostfront gefallenen ehelichen Sohn Josef St.
- sein Tod ist durch die ex-offo-Sterbeurkunde des Standesamtes A vom 15. November 1972 erwiesen - noch zwei weitere Kinder angeführt, nämlich ein seit 1944 gleichfalls an der Ostfront ohne Nachkommen vermißter ehelicher Sohn namens Viktor St. und ein angeblich schon als Kind verstorbener unehelicher Sohn der Erblasserin namens Franz
L.
Mit Beschluß vom 12. April 1972 erließ das Erstgericht gemäß § 128 AußStrG das Edikt zur Einberufung der unbekannten Erben (AußStrForm Nr. 19) und bestellte gleichzeitig den Notariatskandidaten Dr. Egbert S zum Verlassenschaftskurator. Nachdem die Aufgebotsfrist ergebnislos verstrichen war und auch alle weiteren Versuche des Erstgerichtes urkundliche Nachweise für den Tod des Viktor St. und des Franz L zu erlangen, erfolglos geblieben waren, regte der Erstrichter bei der Finanzprokuratur die Einleitung des Todeserklärungsverfahrens hinsichtlich des kriegsvermißten Viktor St. an die Finanzprokuratur gab daraufhin zwar ihre Absicht bekannt den reinen erblosen Nachlaß der Verstorbenen für den Staat als heimfällig in Anspruch zu nehmen, hielt aber eine Todeserklärung für entbehrlich, weil auf Grund der Aktenlage ohnehin anzunehmen sei, daß alle gesetzlich Erben der Pauline St. vorverstorben seien. Als in der Folge auch die Staatsanwaltschaft Leoben ein Ersuchen der Erstgerichtes auf Einleitung eines Todeserklärungsverfahrens ablehnte und schließlich am 11. Juli 1973 auch der Verlassenschaftskurator berichtete, daß es ihm weder gelungen sei, weitere erbberechtigte Verwandte der Verstorbenen auszuforschen, noch eine Sterbeurkunde des Franz L beizubringen oder Näheres über diesen angeblich schon als Kind verstorbenen Sohn zu erfahren, erließ der Erstrichter am 6. August 1973 hinsichtlich des Viktor St und des Franz L im Sinne des § 131 AußStrG das Edikt zur Einberufung von Erben deren Aufenthalt unbekannt ist AußStrForm Nr. 20), wobei er gleichzeitig den pensionierten Gerichtsbeamten Leopold B zum Kurator dieser beiden abwesenden Erben bestellte. Auf Grund der Aktenlage sei bescheinigt daß die beiden Söhne der Erblasserin gelebt hatten; der Tod einer Person könne aber auch wenn er noch so wahrscheinlich sei, nur durch eine Sterbeurkunde, eine Todeserklärung oder einen Todesbeweis nachgewiesen werden.
Infolge Rekurses der Finanzprokuratur - welcher eine Beschlußausfertigung zugestellt worden war - hob das Rekursgericht diesen Beschluß der ersten Instanz ersatzlos auf und trug dem Abhandlungsgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Die Rekurslegitimation der Finanzprokuratur sei mit dem Ablauf der Ediktalfrist des § 128 AußstrG gegeben; ihr Rechtsmittel sei aber auch begrundet, weil mangels jeglicher Anhaltspunkte dafür, daß Viktor St. und Franz L die Erblasserin überlebt haben könnten, im Sinne der Entscheidung GlU 9589 die Erlassung eines Edikts nach § 131 AußstrG ebenso überflüssig sei wie die Bestellung eines Erbenkurators. Das Erstgericht werde daher sein Verfahren fortzusetzen und gemäß § 130 AußstrG vorzugehen haben.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionskurs des Erbenkurators Folge und änderte den Beschluß des Rekursgerichtes dahin ab, daß der Rekurs der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, gegen den Beschluß des Erstgerichtes zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht hat die Legitimation der Finanzprokuratur zur Anfechtung des erstgerichtlichen Beschlusses unter Hinweis darauf bejaht, daß der Ausspruch des Gerichtes über die Erbloserklärung eines Nachlasses nur deklarativ wirke; da der Fiskus schon mit dem Ablauf der Ediktalfrist des § 128 AußStrG, Rechte an der erblosen Verlassenschaft erwerbe, komme der Finanzprokuratur ab diesem Zeitpunkt Parteistellung zu. Diese Auffassung entspricht der herrschenden Praxis: Anders als die ältere Judikatur, welche der Finanzprokuratur als der Vertreterin des heimfallsberechtigten Staates das Recht zur Beteiligung an einer Verlassenschaftsabhandlung schon in einem sehr frühen Stadium des Verfahrens eingeräumt hatte (vgl. etwa GlU 1031; NZ 1918, 154), leitet die neuere Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Lehre aus den hiefür maßgeblichen Bestimmungen des § 760 ABGB und des § 130 AußstrG, im Zusammenhalt mit dem Hofdekret vom 12. Oktober 1835 JGS 90 den Grundsatz ab, daß dem Heimfallsärar erst nach erfolgloser Durchführung des in § 128 AußStrG vorgesehenen Ediktalverfahrens eine Ingerenz auf die Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung
eingeräumt werden kann (SZ 22/165; SZ 28/221 = EvBl. 1956/102 = JBl.
1956, 179 = RZ 1956, 31; EvBl. 1963/137; JBl. 1964, 517 = NZ 1965,
143; EvBl. 1967/363; 6 Ob 183/60 u. a.; ähnlich auch Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 86). Entgegen einer früher wiederholt vertretenen Ansicht (GlU 12.195, 12.804; GlUNF 2591, 5543; Schuster, Komm. zum Verfahren außer Streitsachen[4], 232; ähnlich auch noch Weiß in Klang[2] III, 792) setzten Parteistellung und Rekurslegitimation der Finanzprokuratur infolgedessen keine formelle Erbloserklärung des Nachlasses durch das Gericht voraus (so ausdrücklich 6 Ob 288/60 und 6 Ob 466/1960); noch weniger kommt es auf die tatsächliche Übergabe der erblosen Verlassenschaft an den Fiskus an wie sie von der Entscheidung GlUNF 5452 als maßgebend angesehen worden war.
Im vorliegenden Fall hatte das Erstgericht schon am 12. April 1972, ein Edikt zur Einberufung der unbekannten Erben im Sinne des § 128 AußstrG erlassen. Das Aufgebotsverfahren blieb erfolglos, weil sich weder innerhalb der festgesetzten Frist noch auch späterhin ein Erbansprecher meldete. Trotzdem ging der Erstrichter in der Folge nicht nach § 130 AußstrG vor, sondern er leitete - nachweiteren fruchtlosen Erhebungen und dem Fehlschlagen seines Versuchs eine Todeserklärung des Viktor St. in die Wege zu leiten - hinsichtlich der beiden schon in der Todfallsaufnahme genannten, nach den Verfahrensergebnissen aber mit großer Wahrscheinlichkeit vorverstorbenen Sohne der Erblasserin, Franz L und Viktor St., das Verfahren zur Einberufung von Erben unbekannten Aufenthalts gemäß § 131 AußStrG ein. Die Begründung dieses Beschlusses zeigt deutlich, daß der Erstrichter damit seine ursprüngliche, in seinem Beschluß vom 12. April 1972 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, daß hier ein Nachlaß mit gänzlich unbekannten" Erben im Sinne des § 128 AußstrG vorliege, verlassen hat und nunmehr die Auffassung vertritt, daß Franz L und Viktor St. bis zum Nachweis ihres Todes gemäß § 131 AußStrG, als Erben anzusehen seien, deren Person zwar bekannt, deren Aufenthalt aber unbekannt ist, weshalb für sie ein Kurator bestellt und nach § 131 AußStrG vorgegangen werden müsse.
Bei dieser Sachlage kann die Finanzprokuratur aus der vorangegangenen Durchführung des Ediktalverfahrens nach § 128 AußStrG keine Rechte für sich ableiten: Der Erstrichter hat mit seiner Beschlußfassung nach § 131 AußStrG zum Ausdruck gebracht, daß er den Nachlaß der Pauline St. trotz fruchtlosen Verstreichens der Ediktalfrist nach § 128 AußstrG nicht für erblos hält, sondern vom Vorhandensein zweier bekannter Erben, deren Aufenthalt derzeit unbekannt ist, ausgeht. Er war zu einer solchen, auf einer geänderten Rechtsauffassung beruhenden Maßnahme schon deshalb berechtigt, weil die Einleitung des Ediktalverfahrens nach § 128 AußStrG nur ein Verfahrensschritt ohne materielle Rechtskraftwirkung ist, von welchem das Gericht dann, wenn er sich später als verfrüht oder überhaupt als verfehlt erweisen sollte, ohne weiteres wieder abgehen kann (ähnlich für den Beschluß auf Erbloserklärung eines Nachlasses die Entscheidung 6 Ob 466/60) Damit ist aber die Rechtslage jetzt nicht anders, als wenn das Abhandlungsgericht von vornherein nach § 131 AußStrG vorgegangen wäre oder erst durch das Ediktalverfahren nach § 128 AußStrG Hinweise auf die beiden vermutlich vorverstorbenen Nachkommen erhalten hätte: ebenso wie in diesen beiden Fällen, muß der Finanzprokuratur auch hier eine Ingerenz auf das Verfahren derzeit noch verweigert werden, weil ihr nach herrschender Rechtsprechung die Legitimation fehlt, in ein Abhandlungsverfahren mit dem Ziel einzugreifen, die Voraussetzungen für das Heimfallsrecht des Staates zu schaffen, Parteistellung und Rekurslegitimation der Finanzprokuratur im Verlassenschafsverfahren vielmehr den vom Gericht anerkannten Mangel eines Erbberechtigten voraussetzen (GlU 13.200; JBl. 1959, 280. EvBl. 1967/363, 6 Ob 303/69). Ob eine Verlassenschaft erblos ist, hat allein das Gericht zu beurteilen; solange es - wenn auch, wie hier, nach Durchführung eines Verfahrens nach § 128 AußStrG - die Voraussetzungen für eine Erbloserklärung nach § 760 ABGB, § 130 AußStrG nicht für gegeben hält, ist es der Finanzprokuratur als der Vertreterin des heimfallsberechtigten Staates verwehrt,durch Anträge oder Rechtsmittel in das Verfahren einzugreifen und so auf eine für sie günstige Lösung dieser Frage hinzuwirken. Unter diesem Gesichtspunkt hat die Rechtsprechung insbesondere schon wiederholt ein Rekursrecht der Finanzprokuratur gegen Beschlusse des Abhandlungsgerichtes verneint, mit denen eine Erbserklärung zu Gericht angenommen oder ein Erbrecht als ausgewiesen erkannt wurde (GlU 10.482; JBl. 1964, 517 = NZ 1965, 143; EvBl. 1967/363, 6 Ob 303/69; ebenso Weiß in Klang [2] III, 795); der gleiche Grundsatz muß aber auch dort gelten, wo Gericht und Finanzprokuratur über die Voraussetzungen eines Vorgehens nach § 131 AußstrG - welches ja die Annahme eines erblosen Nachlasses schon begrifflich ausschließt - verschiedener Meinung sind.
An diesem Ergebnis kann auch die Tatsache nichts ändern, daß das Erstgericht die Finanzprokuratur schon frühzeitig am Verfahren beteiligt und ihr insbesondere auch eine mit Gründen versehene Ausfertigung des Beschlusses ON 23 zugestellt hat: Das Gericht hat zwar solche Personen, die nach der materiellen Rechtslage als Parteien in Betracht kommen, von amtswegen dem Verfahren beizuziehen; die Republik Österreich ist aber bei Ausübung ihres Heimfallsrechtes nicht Erbin, sondern es ist ihr bloß der vom Gericht als erblos erklärte Nachlaß zu übergeben (§ 130 AußStrG). Bis dahin kann ihr kein materiellrechtliches Interesse am Gang des Abhandlungsverfahrens zugebilligt werden. Wenn daher, wie hier, die Finanzprokuratur schon vorher vom Abhandlungsgericht dem Verfahren beigezogen worden ist, wird sie dadurch noch nicht zur Partei im Sinne des § 9 AußStrG (EvBl. 1967/363. 6 Ob 303/69).
Diese Erwägungen führen zur Verneinung der Befugnis der Finanzprokuratur, in Vertretung des heimfallsberechtigten Staates den Beschluß des Erstgerichtes vom 6. August 1973 mit Rekurs anzufechten. Wie in allen Fällen, in denen das Abhandlungsgericht die Erblosigkeit eines bestimmten Nachlasses nicht anerkennt, bleibt es dem Fiskus aber auch hier unbenommen, seine Ansprüche im ordentlichen Rechtsweg mit der - in ihrer Wirkung der Erbschaftsklage verwandten - Heimfälligkeitsklage geltend zu machen (SZ 37/30 = EvBl. 1964/262 = JBl. 1964, 422. JBl. 1964, 517 = NZ 1935, 143, GlU 10.482).
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