OGH 5Ob213/07w

OGH5Ob213/07w22.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing Edmund Gerhard S*****, vertreten durch Mag. Gerhard Schnögl, Sekretär des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes, Landesverband Steiermark, 8010 Graz, Naglergasse 50, gegen den Antragsgegner Ing. Michael G*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Heinz Kupferschmid, Mag. Michael Medwed und Dr. Ingrid Nöstlthaller-Resch, Rechtsanwälte in Graz, unter Beteiligung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 547 GB *****, Liegenschaftsadresse *****, Franz M. G. K*****, Körperschaft der K*****, Simon R*****, Walter G***** und Sigrid G*****, beide *****, Dr. Raoul P*****, Sofie L*****, Mag. Beatrice B***** und Mag. Jürgen G*****, beide *****, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 iVm §§ 20 Abs 3, 34 WEG 2002, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 8. Mai 2007, GZ 3 R 48/07m-8, mit welchem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 29. Jänner 2007, GZ 1 Msch 23/06g-5, bestätigt wurde, den Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit 180 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Antragsgegner ist Verwalter der Liegenschaft EZ 547 GB ***** mit dem Haus *****.

Der Antragsteller und die übrigen Beteiligten sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft.

Mit den Miteigentumsanteilen einiger Verfahrensparteien ist seit 1976 Wohnungseigentum untrennbar verbunden. Die übrigen Beteiligten sind schlichte Miteigentümer. Ein vor der Wohnungseigentumsbegründung über eine Wohnung des Hauses abgeschlossener Hauptmietvertrag („Altmietvertrag") bestand bis ins Jahr 2003. Der Antragsgegner (Verwalter) erhielt von der Auflösung des Altmietvertrags am 27. 4. 2005 Kenntnis.

Von 1976 bis 1981 waren durch den Ausbau von zwei Rohdachböden die Wohnungen Top 8 und 9 errichtet worden. Der Magistrat der Stadt Graz setzte daraufhin mit Bescheid vom 20. 9. 1984 auf der Basis eines Nutzwertgutachtens vom 13. 1. 1984 den Gesamtnutzwert mit 14422 neu fest. Im Grundbuch wurde diese Änderung nicht nachvollzogen; dort sind die ursprünglichen 13426 Miteigentumsanteile eingetragen. Der Antragsgegner erstellte von 1984 bis einschließlich 1998 die Abrechnungen über die Aufwendungen und über die Rücklage auf Basis der neuen Nutzwertfestsetzung (und nicht auf Basis der im Grundbuch ausgewiesenen Miteigentumsanteile), ohne dass eine schriftliche Vereinbarung über diese Art der Aufteilung getroffen worden wäre. Die Miteigentümer akzeptierten diese Abrechnungen stillschweigend. Für die Jahre 1999 bis einschließlich 2005 legte der Antragsgegner die Abrechnungen über die Aufwendungen auf Basis der Nutzflächen der Liegenschaft und die Rücklagenabrechnungen auf Basis der 1984 erfolgten Nutzwertfestsetzung.

Der Antragsteller begehrte, dem Antragsgegner unter Androhung einer Geldstrafe aufzutragen, für die Abrechnungsperioden (Kalenderjahre) 2003, 2004 und 2005 eine ordentliche und richtige Abrechnung vorzulegen. Die gelegten Abrechnungen entsprächen nach Wegfall des letzten Altmietverhältnisses im Jahr 2003 nicht mehr der Anordnung des § 32 Abs 1 WEG 2002, wonach das Verhältnis der Miteigentumsanteile zum Ende der jeweiligen Abrechnungsperiode maßgeblich sei.

Der Antragsgegner beantragte Antragsabweisung. Alle Mit- und Wohnungseigentümer hätten nach Errichtung der beiden Dachgeschoßwohnungen aus ökonomischen Überlegungen die Aufteilung auf Basis der Nutzwertfestsetzung des Jahres 1984 gebilligt. Für den Fall der Auflösung des letzten Altmietverhältnisses fehle eine gesetzliche Regelung über die Rückkehr zum Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen, die wegen des nachträglichen Dachgeschoßausbaus auch nicht praktikabel sei. Ein Versuch des Antragsgegners, eine „Neuparifizierung" auf Basis der Nutzwertfestsetzung des Jahres 1984 zu erwirken, sei am Widerstand des Antragstellers und einer weiteren Wohnungseigentümerin gescheitert. Es bleibe dem Antragsgegner daher nur die Möglichkeit eine Aufwandsverteilung nach Nutzflächen. Von der Auflösung des letzten Altmietvertrags habe der Antragsgegner erst am 27. 4. 2005 erfahren, weshalb eine Änderung des Verteilungsschlüssels erst für die folgende Abrechnungsperiode erfolgen könne. Das Erstgericht trug dem Antragsgegner - auf der Grundlage des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts - bei sonstiger Verhängung einer Geldstrafe von 500 EUR auf, binnen 14 Tagen je eine Abrechnung der Liegenschaftsaufwendungen einschließlich der Reparaturrücklage für die Wirtschaftsjahre 2004 und 2005 und (nur) der Reparaturrücklage für das Jahr 2003 gemäß dem Verhältnis der verbücherten Miteigentumsanteile (Gesamtnutzwert 13426 Anteile) zu legen. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern mangels anderslautender wirksamer Vereinbarung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen seien. Bestehe jedoch ein Altmietverhältnis weiter, seien alle Aufwendungen außer den Beiträgen zur Rücklage sowie den Erhaltungs- und Verbesserungskosten nach dem für das Mietverhältnis maßgeblichen Aufteilungsschlüssel zu tragen. Nach dem Wegfall des letzten Altmietverhältnisses komme dem Zweck der Regelung und der Gesamtsystematik des Gesetzes entsprechend ab der folgenden Abrechnungsperiode (vorliegenden ab 2004) wieder der gesetzliche Aufteilungsschlüssel zur Anwendung. Dafür sei der Grundbuchsstand und nicht eine davon abweichende Nutzwertneufestsetzung maßgeblich. Eine vom gesetzlichen Aufteilungsschlüssel abweichende schriftliche Vereinbarung liege nicht vor. Der Antragsgegner habe daher für 2003 die Rücklagenabrechnung und für 2004 sowie 2005 die Aufwendungs- und die Rücklagenabrechnung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu legen. Dazu sei er unter Androhung einer als ausreichend erscheinenden Geldstrafe von 500 EUR zu verhalten gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Gemäß § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 seien die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Bestehe aber ein vor Wohnungseigentumsbegründung über ein wohnungseigentumstaugliches Objekt geschlossener Hauptmiet- oder Nutzungsvertrag (§ 1 Abs 1 MRG, § 13 WGG) nach diesem Zeitpunkt weiter, so seien - soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart worden ist - nur die Beiträge zur Rücklage sowie die Kosten für die Erhaltung und Verbesserung nach § 32 Abs 1 Satz 2 WEG 2002, die übrigen Aufwendungen jedoch nach dem Aufteilungsschlüssel zu tragen, der für das vor Wohnungseigentumsbegründung eingegangene Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis maßgeblich sei. Hinsichtlich der diesem Aufteilungsschlüssel unterliegenden Aufwendungen könne jeder Wohnungseigentümer eine Überprüfung der Aufteilung gemäß § 37 MRG bzw § 22 WGG beantragen. Hätte das Gesetz bei Bestehen eines Altmietverhältnisses die Perpetuierung des für diesen Fall maßgeblichen Verteilungsschlüssels anordnen wollen, hätte es bloß darauf abstellen müssen, dass im Zeitpunkt der Wohnungseigentumsbegründung ein derartiges Hauptmietverhältnis bestehe. Aus der gewählten Formulierung (arg: „Besteht ..... nach diesem Zeitpunkt weiter") sei schon bei wörtlicher Interpretation abzuleiten, dass dieser Aufteilungsschlüssel zur Anwendung kommen solle, solange das Hauptmietverhältnis weiter bestehe. Es sei dabei ohne Belang, wann der Verwalter von der Auflösung des Altmietverhältnisses erfahre. Wie E. M. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 32 WEG Rz 32) und Dirnbacher (in WEG idF WRN 2006, 309) argumentierten, stehe diese Auslegung auch mit dem Zweck des Gesetzes im Einklang, wäre es doch systemwidrig, den Wohnungseigentümern das Außerstreitverfahren gemäß § 37 MRG zur Verfügung zu stellen, wenn kein Hauptmietverhältnis mehr bestehe. Dass im vorliegenden Fall erst die Aufwendungsabrechnungen ab 2004 dem Aufteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 unterlägen, ergebe sich daraus, dass zumindest zu Beginn 2003 noch ein Altmietverhältnis bestanden habe. Dass das Gesetz bei der Aufwendungsverteilung an Miteigentumsanteile und nicht an Nutzwertneufestsetzungen anknüpfe, entspreche ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Der Rekurs müsse daher erfolglos bleiben.

Der Sachbeschluss des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig. Soweit überblickbar liege zur Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt nach Auflösung eines Altmietverhältnisses die Aufwendungen gemäß § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 zu verteilen seien, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor und in der Lehre vertrete Würth (in Rumme1³, § 32 WEG 2002 Rz 5) eine von der Ansicht des Rekursgerichts abweichende Meinung. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung des Sachantrags. Hilfsweise stellt der Antragsgegner auch einen Aufhebungsantrag. Der Antragsgegner macht in seinem Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, wie Würth in (Rummel³, § 32 WEG 2002 Rz 5) ausführe, sehe das Gesetz eine ex-lege-Änderung des Aufteilungsschlüssels bei Wegfall des letzten Altmietverhältnisses ohne Vereinbarung nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine solche Intention verfolgt, so wäre es ein Leichtes gewesen, diese Absicht in Form eines Teilsatzes in den Gesetzestext aufzunehmen. Dass die Rückkehr zum gesetzlichen Aufteilungsschlüssel einer Vereinbarung unter den Eigentümern bedürfe, könne auch daraus abgeleitet werden, dass diese den Wohnungseigentumsvertrag in vollem Bewusstsein und in voller Kenntnis der damit einhergehenden Verteilung der Aufwendungen abgeschlossen hätten. Hätten die Eigentümer einen anderen Verteilungsschlüssel nach Wegfall des letzten Altmietverhältnisses ins Auge gefasst, so insbesondere den gesetzlichen, so wäre dies im Wohnungseigentumsvertrag festzuhalten gewesen. Der gesetzliche Verteilungsschlüssel gemäß § 32 WEG 2002 könne auch vertraglich abbedungen werden. In der Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrags in Kenntnis von bestehenden Miet- oder Nutzungsverhältnissen sei eine solche vertragliche Vereinbarung zu sehen. Auch sei bereits aus Billigkeitsgründen einer Abrechnung nach Nutzflächen, zumindest betreffend die Betriebskosten zuzustimmen. Durch den Dachgeschoßausbau würden sonst die Eigentümer der dortigen Wohnungen einen weitaus geringeren Anteil an den Wohnkosten zu zahlen haben. Letztlich sei noch anzumerken, dass die rückwirkende Festsetzung des Verteilungsschlüssels in jedem Fall unzulässig sei. Der Antragsgegner sei auch erst Mitte 2005 vom Wegfall des Altmietverhältnisses informiert worden.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zur Entwicklung der Rechtslage:

1. § 19 Abs 1 und 2 WEG 1975 lauteten idF BGBl 1993/800 wie folgt:

„(1) Soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist, sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zum Zeitpunkt des Endes der Abrechnungsperiode zu tragen.

(2) Sämtliche Miteigentümer können einen von der Regel des Abs 1 abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine Abrechnungseinheit festlegen. Vereinbarungen über diese Festlegung bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform; sie werden frühestens für die ihrem Abschluß nachfolgende Abrechnungsperiode wirksam."

2. Mit BGBl I 1997/22 (Wohnrechtsnovelle 1997) wurden § 19 Abs 1 und 2 WEG 1975 wie folgt geändert:

„(1) Soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist und sofern an keinem Miet- oder Nutzungsobjekt ein vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossenes Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis (§ 1 Abs 1 MRG, § 13 WGG) weiterbesteht, sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zum Zeitpunkt des Endes der Abrechnungsperiode zu tragen. Besteht aber zumindest ein vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossenes Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis auch nach diesem Zeitpunkt weiter, so sind - soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist - nur die Beiträge zur Rücklage sowie die Kosten für die Erhaltung und Verbesserung von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile zum Zeitpunkt des Endes der Abrechnungsperiode zu tragen, die übrigen Aufwendungen für die Liegenschaft sind jedoch nach dem Aufteilungsschlüssel zu verteilen, der für das vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossene Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis maßgeblich ist.

(2) Sämtliche Miteigentümer können einen von der Regel des Abs 1 abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine Abrechnungseinheit festlegen. Vereinbarungen über diese Festlegung bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform; sie werden frühestens für die ihrem Abschluß nachfolgende Abrechnungsperiode wirksam."

In der RV (555 BlgNR 20. GP ) wird zu den Problemen, Zielsetzungen und zum Inhalt des Gesetzesvorhabens auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„Problem

...

Schließlich bereitet die Aufteilung der Bewirtschaftungskosten in

sogenannten „Mischhäusern" oft erhebliche Schwierigkeiten.

...

Ziel:

...

Die Aufteilungsschlüssel für die Bewirtschaftungskosten in

„Mischhäusern" sollen vereinheitlicht werden.

...

Inhalt:

...

- Regelungen zur Vereinheitlichung der Abrechnung in „Mischhäusern" durch Anpassung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels an den für die weiter bestehenden Altmiet- und Nutzungsverhältnisse maßgeblichen Schlüssel. ...

III. Hauptgesichtspunkte des Entwurfs

...

3. Harmonisierung der Abrechnung in „Mischhäusern"

Die Aufteilung der Bewirtschaftungskosten in „Mischhäusern" (also in Gebäuden, in denen bereits Wohnungseigentum begründet ist, aber noch vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossene Hauptmietverhältnisse oder Nutzungsverhältnisse weiterbestehen) ist infolge der unterschiedlichen Verrechnungssysteme im MRG und im WGG einerseits sowie im WEG 1975 andererseits mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Nach dem hier vorgeschlagenen Harmonisierungsmodell soll für die Aufteilung der Bewirtschaftungskosten primär eine allenfalls geschlossene Vereinbarung zwischen den Hauptmietern, Nutzungsberechtigten und Liegenschaftseigentümern maßgebend sein. Eine solche Vereinbarung kann auch zum Inhalt haben, daß die Abrechnungskreise für Mieter oder Nutzungsberechtigte einerseits und für die Liegenschaftseigentümer andererseits unterschiedlich sind und allfällige Abrechnungsdifferenzen zu Lasten der Miteigentümer gehen. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, so soll der für die Miet- und Nutzungsverhältnisse maßgebliche Aufteilungsschlüssel solange einheitlich für die Abrechnung anzuwenden sein, als noch zumindest ein vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossenes Miet- oder Nutzungsverhältnis weiterbesteht. In der Regel ist damit - mangels ausdrücklicher Vereinbarung - im „Mischhaus" die Nutzfläche Grundlage für die Verteilung der Bewirtschaftungskosten. Nach Erlöschen des letzten Alt-Miet- oder Nutzungsverhältnisses sollen allerdings die Bewirtschaftungskosten im Verhältnis der Nutzwerte abgerechnet werden. Dieses Lösungsmodell basiert auf den eingehenden Beratungen in der Arbeitsgruppe „Wohnrecht" und blieb auch im Begutachtungsverfahren im Wesentlichen unwidersprochen. ..."

Zur Änderung des § 19 WEG 1975 heißt in der RV:

„...

Die vorgeschlagene Bestimmung soll einen einheitlichen Abrechnungsschlüssel in „Mischhäusern" herbeiführen, also in Gebäuden, in denen bereits Wohnungseigentum begründet ist, aber noch vor Wohnungseigentumsbegründung begründete Hauptmietverhältnisse oder Nutzungsverhältnisse weiter bestehen, die zur Gänze dem Mietrechtsgesetz oder dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unterliegen (§ 1 Abs 1 MRG, § 13 WGG).

Nach der derzeit geltenden Rechtslage erfolgt die Verteilung der Betriebskosten für die Altmiet- oder Nutzungsverhältnisse nach dem gesetzlichen Aufteilungsschlüssel - also im Verhältnis der Nutzflächen - solange nicht eine abweichende Vereinbarung aller Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten mit dem Vermieter zustandekommt (§ 17 Abs 1 MRG, § 16 Abs 5 Z 1 WGG). Derartige Vereinbarungen haben in der Praxis bei Altbauten nur geringe Bedeutung erlangt, weil die erforderliche schriftliche Zustimmung aller Hauptmieter sehr schwer zu erreichen ist. Nach Wohnungseigentumsbegründung kommt es daher - sofern nicht alle Miteigentümer die Aufteilung der Bewirtschaftungskosten nach dem Verhältnis der Nutzflächen gemäß § 19 Abs 2 vereinbaren - in „Mischhäusern" zu unterschiedlichen Verteilungsschlüsseln für Altmieter und Nutzungsberechtigte einerseits sowie Miteigentümer andererseits. Für Hauptmieter und Nutzungsberechtigte richtet sich die Aufteilung der Betriebskosten im Vollanwendungsbereich des MRG und des WGG nach dem Verhältnis der Nutzflächen, für die Wohnungseigentümer hingegen ebenso wie für die übrigen Aufwendungen für die Liegenschaft (einschließlich der Beiträge zur Rücklage sowie der Kosten für die Instandhaltung und Verbesserung) nach dem Verhältnis ihrer Anteile zum Zeitpunkt des Endes der Abrechnungsperiode, also nach Nutzwerten.

Im Bereich des WEG 1975 soll den Miteigentümern auch weiterhin die freie Wahl des Verteilungsschlüssels nach § 19 Abs 2 leg cit zustehen, es sollen also sämtliche Miteigentümer einvernehmlich schriftlich einen von der gesetzlichen Regel abweichenden Aufteilungsschlüssel festlegen können. Eine solche Vereinbarung soll dem gesetzlichen Abrechnungsschlüssel jedenfalls vorgehen. Kommt eine solche Einigung aber nicht zustande, so soll der gesetzliche Aufteilungsschlüssel im Gegensatz zur bisherigen Regelung dann eine einheitliche Abrechnung mit den Hauptmietern und Nutzungsberechtigten im Haus ermöglichen, wenn vor Wohnungseigentumsbegründung begründete Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnisse im Vollanwendungsbereich des MRG oder WGG weiterbestehen.

Um nun eine einheitliche Abrechnung in solchen „Mischhäusern" zu erreichen, muss der gesetzliche Aufteilungsschlüssel der Miteigentümer dem Verteilungsschlüssel für die Betriebskosten der weiterbestehenden Altmiet- und Nutzungsverhältnisse angepaßt werden. Dadurch sollen der Verwaltungsaufwand im Haus vermindert und die bei unterschiedlichen Aufteilungsschlüsseln immer wieder auftretenden Abrechnungsdifferenzen vermieden sowie eine Harmonisierung der Abrechnung erreicht werden.

Mit dem Erlöschen des letzten Altmiet- oder Nutzungsverhältnisses im Haus sollen alle Aufwendungen für die Liegenschaft (einschließlich der Beiträge zur Rücklage, der Kosten für die Instandhaltung und Verbesserung sowie der Betriebskosten) wieder von den Miteigentümern ausschließlich im Verhältnis ihrer Anteile - also nach Nutzwerten - getragen werden. Im Gegensatz zur bisher geltenden Rechtslage wird dieser Zustand nicht schon mit Wohnungseigentumsbegründung, sondern erst später, mit dem Erlöschen des letzten Altmietverhältnisses, erreicht. ..." (Hervorhebungen durch den erkennenden Senat).

3. Die nunmehr geltende, einschlägige Bestimmung des § 32 Abs 1 und 2 WEG 2002 lautet:

„(1) Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Besteht aber ein vor Wohnungseigentumsbegründung über ein wohnungseigentumstaugliches Objekt geschlossener Hauptmiet- oder Nutzungsvertrag (§ 1 Abs 1 MRG, § 13 WGG) nach diesem Zeitpunkt weiter, so sind - soweit nichts anderes rechtswirksam vereinbart ist - nur die Beiträge zur Rücklage sowie die Kosten für die Erhaltung und Verbesserung nach der Regelung des ersten Satzes, die übrigen Aufwendungen jedoch nach dem Aufteilungsschlüssel zu tragen, der für das vor Wohnungseigentumsbegründung eingegangene Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis maßgeblich ist; hinsichtlich der diesem Aufteilungsschlüssel unterliegenden Aufwendungen kann jeder Wohnungseigentümer eine Überprüfung der Aufteilung gemäß § 37 MRG beziehungsweise § 22 WGG beantragen.

(2) Sämtliche Wohnungseigentümer können einen von der Regelung des Abs 1 abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen; für die nur diese abweichende Abrechnungseinheit betreffenden Angelegenheiten kann auch eine von der Liegenschaft abweichende Abstimmungseinheit festgelegt werden. Solche Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform; sie werden frühestens für die ihrem Abschluss nachfolgende Abrechnungsperiode wirksam."

In der RV (989 BlgNR 21. GP 71) heißt es zu diesen Regelungen:

„Zu § 32:

Allgemeines:

Diese Bestimmung entspricht größtenteils dem bisherigen § 19 WEG

1975.

Zu Abs 1:

Dieser Absatz entspricht mit Ausnahme des letzten Halbsatzes inhaltlich zur Gänze dem bisherigen § 19 Abs 1 WEG 1975. Die derzeitige Fassung dieser Regelung stammt aus der Wohnrechtsnovelle 1997, BGBl I Nr 22, und diente dem Ziel, einen einheitlichen (dispositiven) Abrechnungsschlüssel in so genannten „Mischhäusern" - also in Gebäuden, in denen noch vor Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossene Mietverhältnisse weiter bestehen - herbeizuführen (vgl Stabentheiner/Wais, Die Wohnrechtsnovelle 1997, ÖJZ 1997/6A, 13 f). Allerdings geriet diese Regelung sehr kompliziert. Mit ihrer Neuformulierung wird der Versuch unternommen, sie ohne inhaltliche Veränderung systematischer, verständlicher und leichter lesbar zu gestalten. Der letzte Halbsatz des Abs 1 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 19 Abs 4c WEG 1975.

Zu Abs 2:

Dieser Absatz entspricht inhaltlich und mit einer geringfügigen Abweichung auch in seiner Formulierung dem bisherigen § 19 Abs 2 WEG 1975."

II. Der Regelungszweck:

Das mit der Wohnrechtsnovelle 1997 (BGBl I 1997/22) eingeführte Konzept der Aufteilung der Bewirtschaftungskosten in sogenannten „Mischhäusern" hatte den in der RV (555 BlgNR 20. GP ; s oben I.2.) ausdrücklich ausgewiesenen Regelungszweck, diese Aufteilung durch Anpassung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels an den für die weiter bestehenden Altmiet- und Nutzungsverhältnisse maßgeblichen Schlüssel zu vereinheitlichen (sogenannter „partieller Nutzflächenschlüssel") und dadurch bei unterschiedlichen Verrechnungssystemen allenfalls mögliche Abrechnungsdifferenzen zu vermeiden sowie eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen.

III. „Automatische" Rückkehr zum Verteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002?:

1. Die erhebliche Rechtsfrage ist vorliegend, welcher Verteilungsschlüssel ab der auf das Ende des letzten Altmietvertrags anschließenden Abrechnungsperiode maßgeblich ist, sofern die Wohnungseigentümer - wie hier - keine (wirksame besondere) Vereinbarung getroffen haben. Die Vorinstanzen sind der Ansicht, es seien nach Auflösung des Altmietvertrags - ohne dass es dafür einer Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG 2002 bedürfte - die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern gemäß § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Der Antragsgegner ist demgegenüber der Meinung, das Gesetz sehe eine ex-lege-Änderung des Aufteilungsschlüssels bei Wegfall des letzten Altmietverhältnisses ohne Vereinbarung nicht vor.

2. Wie der Gesetzgeber der Wohnrechtsnovelle 1997 die Regelungen in § 19 Abs 1 und 2 WEG 1975 verstanden wissen wollte, ist nach dem schon oben wiedergegebenen Inhalt der RV (555 BlgNR 20. GP ) eindeutig. Angestrebt war (lediglich) eine temporäre Geltung des „partiellen Nutzflächenschlüssels", solange ein Altmietvertrag besteht. Nach Erlöschen des letzten Altmietvertrags sollten die Bewirtschaftungskosten wieder im Verhältnis der Nutzwerte abgerechnet werden. Mit der Neuregelung in § 32 Abs 1 und 2 WEG 2002 sollte keine qualitative Änderung dieses Konzepts erfolgen.

3. Die Lehre schloss sich - überwiegend - dem in der RV 555 BlgNR 20. GP vertretenen Gesetzesverständnis an. Stabentheiner/Wais führen (in Die Wohnrechtsnovelle 1997, ÖJZ SNr 1997, V.A.2.a) aus, „der gesetzliche Aufteilungsschlüssel für Bewirtschaftungskosten im Wohnungseigentum richtet sich nur dann und nur solange nach dem Verhältnis der Nutzflächen, als zumindest ein vor (erstmaliger) Wohnungseigentumsbegründung abgeschlossenes Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis nach Wohnungseigentumsbegründung noch weiterbesteht. Nur so weit reichte nämlich das nur vom Gesetzgeber zu lösende Harmonisierungsbedürfnis ...".

Auch Spruzina vertritt (in Schwimann², § 19 WEG 1975 Rz 4) die Ansicht, „mit Erlöschen des letzten Altmiet- oder Nutzungsverhältnisses gilt „automatisch" wieder § 19 Abs 1 S 1, sodass sämtliche Aufwendungen für die Liegenschaft nach Nutzwertanteilen aufgeteilt werden".

E. M. Hausmann erörtert (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 32 WEG 2002 Rz 32), „in aller Regel wird im Altmiethaus der Nutzflächenschlüssel gemäß § 17 MRG zur Anwendung kommen. Ist aber mietrechtlich wirksam ein von der Nutzfläche abweichender Verteilungsschlüssel vereinbart (vgl dazu Rz 20 f zu § 17 MRG), so ist dieser maßgeblich. Nicht mehr wirklich eindeutig kommt gegenüber dem früheren Wortlaut zum Ausdruck, dass bei Beendigung des letzten Altmietverhältnisses der mietrechtliche dem WE-rechtlichen Verteilungsschlüssel zu weichen hat. Auch den Übergang lässt der Gesetzgeber offen, nach der Gesamtsystematik des Gesetzes wird aber vom Wirksamwerden des geänderten Aufteilungsschlüssels mit der der Beendigung des letzten Altmietverhältnisses folgenden Abrechnungsperiode auszugehen sein".

Dirnbacher ist (in WEG 2002, 238) der Meinung, „sobald das letzte vor der Begründung des Wohnungseigentums abgeschlossene Hauptmiet- oder Nutzungsverhältnis erlischt, sind ab der folgenden Abrechnungsperiode - vorbehaltlich anderslautender rechtswirksamer Vereinbarungen - alle Aufwendungen für die Liegenschaft (also auch die Betriebskosten) von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile (= nach dem Nutzwert) zu tragen. Dies geht zwar nicht mit letzter Klarheit aus dem Gesetzestext hervor, entspricht aber mE der Absicht des Gesetzgebers, der nur für das „Mischhaus mit Altmietverhältnissen" eine Änderung des sonst gültigen Verteilungsschlüssels gemäß § 32 Abs 1 Satz 1 WEG schaffen wollte".

Allein Würth vertritt (in Rummel³, § 32 WEG 2002 Rz 5) die abweichende Ansicht, „eine ex-lege-Änderung des Schlüssels bei Wegfall des letzten Altmieters (ohne Vereinbarung) sieht das Gesetz nicht vor ...; mE müsste dies (auch von vornherein) vereinbart werden".

4. Der Ansicht Würths ist zwar insoweit zu folgen, als der Gesetzgeber die - nach der RV 555 BlgNR 20. GP eindeutig angestrebte - (bloß) temporäre Geltung des „partiellen Nutzflächenschlüssels" und die automatische Änderung des Aufteilungsschlüssels nach Auflösung des letzten Altmietvertrags nicht mit wünschenswerter Eindeutigkeit formulierte. Dennoch schließt sich der erkennende Senat der herrschenden Lehre dahin an, dass der „partielle Nutzflächenschlüssel" nach Beendigung des letzten Altmietverhältnisses „automatisch", also ohne dass es einer Vereinbarung nach § 32 Abs 2 WEG 2002 bedürfte, nicht mehr gilt. In der auf die Auflösung des letzten Altmietvertrags folgenden Abrechungsperiode ist vielmehr - sofern keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde - der wohnrechtliche Verteilungsschlüssel des § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 maßgeblich. Dies folgt einerseits aus dem eindeutig in diesem Sinn dokumentierten Willen des Gesetzgebers der Wohnrechtsnovelle 1997 und dem erklärten Regelungszweck der Abrechnungsharmonisierung (nur) für die Dauer von Altmietverhältnissen, der mit dem Erlöschen des letzten alten Nutzungsverhältnisses (automatisch) entfällt. Dieses Regelungsverständnis findet auch im Gesetzeswortlaut (noch) Deckung, sodass insgesamt keine Zweifel gegen dieses - auch von den Vorinstanzen gewonnene, der Argumentation des Antragsgegners allerdings entgegen stehende - Auslegungsergebnis sprechen.

IV. Weitere Revisionsrekursargumente:

1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass eine Neufestsetzung der Nutzwerte nicht automatisch zu einer Änderung des Verteilungsschlüssels nach § 19 Abs 1 WEG 1975 bzw § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 führt, sondern die aus dem Grundbuch ersichtlichen Anteilsverhältnisse maßgeblich sind (RIS-Justiz RS0106058; RS0106054). Auf die mit Bescheid vom 20. 9. 1984 des Magistrats der Stadt Graz erfolgte Nutzwertneufestsetzung kann sich der Antragsgegner daher nicht wirksam berufen.

Da allein die Anteilsverhältnisse laut Grundbuch bei Ende der Abrechnungsperiode für die Aufteilung nach § 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002 entscheidend sind, haben die Vorinstanzen - entgegen der Ansicht des Antragsgegners - auch keine „rückwirkende Festsetzung des Verteilungsschlüssels" vorgenommen und es spielt auch keine Rolle, wann der Antragsgegner von der Auflösung des letzten Altmietvertrags Kenntnis erlangte.

2. Eine rechtswirksame (besondere) Aufteilungsvereinbarung im Sinn des § 19 Abs 2 WEG 1975 bzw § 32 Abs 2 WEG 2002 haben die Wohnungseigentümer nach den vorliegenden Feststellungen nicht getroffen.

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 2 WEG 2002 in Verbindung mit § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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