European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00212.22W.0314.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wird behoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Teilurteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.064,52 EUR (darin enthalten 1.526 EUR Barauslagen und 256,49 EUR USt) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist ein Wirtschafts- und Steuerberatungsunternehmen. Der Geschäftsführer der Beklagten beauftragte sie im Frühjahr 2019 mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten seines Unternehmens, insbesondere der Lohnverrechnung und Bilanzerstellung für das Geschäftsjahr 2018/2019, das – wie üblich – am 31. 5. endete. Dabei wies er den Geschäftsführer der Klägerin darauf hin, dass die Beklagte die Buchhaltung selbst mache und nach Abschluss des Geschäftsjahres – etwa im Juni des Jahres – die entsprechenden Unterlagen für die Bilanzerstellung an die Klägerin übermitteln werde.
[2] Am 29. 4. 2019 unterfertigte der Geschäftsführer der Beklagten ein entsprechendes Vollmachts- und Auftragsformular, in dem unter anderem festgehalten war, dass, sofern nichts anderes vereinbart sei, für das Auftragsverhältnis die vom Vorstand der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer empfohlenen Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhandberufe in der derzeit gültigen Fassung (AAB 2018), veröffentlicht auf der Homepage der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, gelten. Ob die Allgemeinen Auftragsbedingungen dem Geschäftsführer der Beklagten übergeben wurden, konnte nicht festgestellt werden. Sie lauten auszugsweise:
„9. Rücktritt und Kündigung ('Beendigung')
(1) Die Erklärung der Beendigung eines Auftrags hat schriftlich zu erfolgen. [...]
(3) Ein Dauerauftrag (befristeter oder unbefristeter Auftrag über, wenn auch nicht ausschließlich, die Erbringung wiederholter Einzelleistungen, auch mit Pauschalvergütung) kann allerdings, soweit nichts anderes schriftlich vereinbart ist, ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nur unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten ('Beendigungsfrist') zum Ende eines Kalendermonats beendet werden.
(4) Nach Erklärung der Beendigung eines Dauerauftrages – sind, soweit im Folgenden nicht abweichend bestimmt, nur jene einzelnen Werke vom Auftragnehmer noch fertigzustellen (verbleibender Auftragsstand), deren vollständige Ausführung innerhalb der Beendigungsfrist (grundsätzlich) möglich ist, soweit diese innerhalb eines Monats nach Beginn des Laufs der Beendigungsfrist dem Auftraggeber schriftlich im Sinne des Punktes 4 (2) bekanntgegeben werden. Der verbleibende Auftragsstand ist innerhalb der Beendigungsfrist fertig zu stellen, sofern sämtliche erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden und soweit nicht ein wichtiger Grund vorliegt, der dies hindert.
(5) Wären bei einem Dauerauftrag mehr als 2 gleichartige, üblicherweise nur einmal jährlich zu erstellende Werke (z.B. Jahresabschlüsse, Steuererklärungen etc.) fertig zu stellen, so zählen die über 2 hinaus gehenden Werke nur bei ausdrücklichem Einverständnis des Auftraggebers zum verbleibenden Auftragsstand (…)….
11. Honoraranspruch
(1) Unterbleibt die Ausführung des Auftrages (z.B. wegen Rücktritt oder Kündigung), so gebührt dem Auftragnehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt (Honorar), wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, deren Ursache auf Seiten des Auftraggebers liegen, ein bloßes Mitverschulden des Auftragnehmers bleibt diesbezüglich außer Ansatz, daran gehindert worden ist; der Auftragnehmer braucht sich in diesem Fall nicht anrechnen lassen, was er sich durch anderweitige Verwendung seiner und seiner Mitarbeiter Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben unterlässt.
(2) Bei Beendigung eines Dauerauftrags gebührt das vereinbarte Entgelt für den verbleibenden Auftragsstand, sofern er fertiggestellt wird oder dies aus Gründen, die dem Auftraggeber zuzurechnen sind, unterbleibt (auf Punkt 11. (1) wird verwiesen). Vereinbarte Pauschalhonorare sind gegebenenfalls zu aliquotieren.“
[3] Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten mit E‑Mail vom 7. 7. 2020 die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte, weil er mit den Leistungen der Klägerin nicht zufrieden war, wies der Geschäftsführer der Klägerin auf die Kündigungsfrist von drei Monaten hin, die mit 1. 8. 2020 zu laufen beginne, und hielt fest, dass die Lohnverrechnung und auch der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2019/2020 innerhalb dieser Frist bis 31. 10. 2020 fertiggestellt werden können.
[4] In der sich daran anschließenden Korrespondenz wiederholte der Geschäftsführer der Klägerin unter Bezugnahme auf die AAB 2018 seinen Hinweis, dass die Klägerin die Lohnverrechnung und die Erstellung der Bilanz innerhalb der Kündigungsfrist abwickeln werde und, wenn die Beklagte auf der Beendigung des Auftragsverhältnisses und Kündigung mit sofortiger Wirkung bestehe, dann die Leistungen trotzdem verrechnen werde. Der Geschäftsführer der Beklagten hielt unter Hinweis auf die Fristverlängerungen für den Jahresabschluss mit dem gesellschaftsrechtlichen Covid‑19-Gesetz seinerseits fest, dass die Klägerin zwar die Lohnverrechnung noch drei Monate machen solle, die Bilanz für 2019/2020 aber erst im Februar 2021 erstellt werde. Der Geschäftsführer der Klägerin erwiderte, dass auch im Vorjahr die Bilanzierung bis Ende Oktober beauftragt gewesen sei, und die Erstellung der Bilanz zum Stichtag 31. 5. 2020 wie schon im Vorjahr von der Klägerin bis Oktober eingeplant und bis dahin aufgrund der AAB fertigzustellen sei.
[5] Die Klägerin begehrte unter Berufung auf die AAB 2018 unter anderem ein Honorar von 7.200 EUR brutto für den nach Auflösung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte verbliebenen Auftragsstand, nämlich die Erstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2019/2020. Die Beklagte habe einen Dauerauftrag zur wiederholten Erbringung von Steuerberatungsleistungen erteilt, der mit E‑Mail vom 7. 7. 2020 aufgekündigt worden sei. Da eine Kündigung nur unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten möglich gewesen sei, habe das Auftragsverhältnis mit Ablauf des 31. 10. 2020 geendet. Bis dahin wäre ihr die Erstellung des Jahresabschlusses zum Stichtag 31. 5. 2020 grundsätzlich möglich gewesen. Da die Beklagte die dafür erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt habe, gebühre der Klägerin nach den AAB 2018 das darauf entfallende Honorar.
[6] Die Beklagte wendete unter anderem ein, die Klägerin sei mit der Erstellung des Jahresabschlusses 2019/2020 nicht beauftragt gewesen. Ein Dauerauftrag habe nicht vorgelegen, sodass die Klägerin schon deswegen nicht berechtigt sei, ein Honorar für nicht erbrachte Leistungen zu fordern. Abgesehen davon wäre der Klägerin eine vollständige Ausführung dieser Leistung innerhalb von drei Monaten auch nicht möglich gewesen. Es hätten auch Gründe vorgelegen, die sie zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses berechtigt hätten die Klauseln 11 Abs 1 und 2 der AAB 2018 seien gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB bzw sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 leg cit.
[7] Mit seinem Teilurteil wies das Erstgericht das Begehren auf Zahlung des Honorars aus dem „verbleibenden Auftragsstand“ in der Höhe von 7.200 EUR ab und behielt sich die Entscheidung über die Kosten vor. Die Klauseln 9 und 11 der AAB 2018 wichen zwar beträchtlich vom dispositiven Recht ab, seien aber weder ungewöhnlich noch gröblich benachteiligend. Die Formulierung in Klausel 11 Abs 2 der AAB 2018 stelle auf den „verbleibenden Auftragsstand“ ab, was nach Punkt 9. Abs 4 der AAB 2018 erfordere, dass einzelne Werke „fertigzustellen“ seien. Es müsse sich daher um Werke handeln, mit deren Ausführung bereits begonnen worden sei. Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung im Juli 2020 noch keine Unterlagen für die Bilanzerstellung für das Geschäftsjahr 2019/2020 von der Beklagten erhalten habe und daher auch noch nicht begonnen habe, die Jahresabschlüsse zu erstellen, sei im Zweifel zum Nachteil der Klägerin als Verwenderin der AAB davon auszugehen, dass es sich dabei auch nicht um „fertigzustellende“ Werke gehandelt habe, die als zum „verbleibenden Auftragsstand“ gehörend angesehen werden könnten. Die Bestimmung der Klausel 9 Abs 2 AAB 2018 sei daher nicht anwendbar. Mit der Fristverlängerung des gesellschaftsrechtlichen Covid‑19-Gesetzes für den Jahresabschluss um vier auf neun Monate und für die Einreichung beim Firmenbuch auf zwölf Monate habe der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass die Auswirkungen der Coronapandemie einen berechtigten Grund bildeten, die Bilanz zu einem späteren Zeitpunkt als üblich zu erstellen. Da der Auftragnehmer grundsätzlich an die Weisungen des Auftraggebers gebunden sei und dieser sich dafür entschieden habe, die gesetzlichen Fristen auszuschöpfen, wäre der Klägerin aufgrund dieser Weisung die Fertigstellung des ausstehenden Auftragsstandes auch nicht möglich gewesen.
[8] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin Folge, hob das Teilurteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es ging bei der Auslegung der Frage, welche Werke im Zeitpunkt der Auflösungserklärung zum „verbleibenden Auftragsstand“ gehören und damit innerhalb der Kündigungsfrist noch fertig gestellt werden können, zusammengefasst davon aus, dass es nicht darauf ankomme, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Auflösungserklärung bereits mit den Arbeiten für den Jahresabschluss bzw die Bilanz begonnen habe, sondern nur darauf, ob die Klägerin diese bis zum Ende der Kündigungsfrist hätte erstellen können. Damit trage der vom Erstgericht angenommene Abweisungsgrund nicht. Da der festgestellte Sachverhalt keine abschließende Beurteilung erlaube, ob die Erstellung des Jahresabschlusses und – wie die Klägerin behaupte – allenfalls auch der Steuererklärungen bis 31. 10. 2020 möglich gewesen wäre, sei die Ergänzung des Verfahrens vor dem Erstgericht erforderlich. Auch sei derzeit nicht geklärt, ob ein wichtiger Grund für einesofortigeVertragsauflösung bestanden habe; gegebenenfalls bedürfe es auch einer Sachverhaltsverbreiterung, umdie Höhe des Honoraranspruchs der Klägerin zu klären. Der Rekurs sei zulässig, weil die Auslegung der hier maßgeblichen Bestimmungen der AAB 2018 insbesondere, was den „verbleibenden Auftragsstand“ betreffe, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.
[9] Der von der Klägerin beantwortete Rekurs ist zulässig, weil der Auslegung von allgemeinen Vertragsbedingungen – hier der AAB 2018 –, die für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten bedeutsam sein könnten, erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit zukommt (RIS‑Justiz RS0042871 [T10, T11 und T14]); er ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[10] 1. Im Rekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass dem Auftragsverhältnis die AAB 2018 zugrunde lagen. Die Geltungsprüfung der hier maßgeblichen Bedingungen und die Prüfung der von ihr in erster Instanz behaupteten Unwirksamkeit, weil die hier strittigen Klauseln sittenwidrig bzw gröblich benachteiligend seien, strebt die Beklagte ausdrücklich nur für den Fall an, dass das vom Berufungsgericht gewonnenenAuslegungsergebnis zutreffen sollte. Damit sind zunächst Fragen der Auslegung zu klären.
2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 ff ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Kunden und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (vgl RS0112256 [T10]; RS0017960).
[11] Nach §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RS0017915).
[12] Wenn die Klauseln aber nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, sind sie objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, die sie verwendet (RS0008901 [T66]).
[13] 3. Die Klägerin begründet ihren Honoraranspruch, soweit er Gegenstand des Rekursverfahrens ist, damit, dass sie den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2019/2020 bis zum Ablauf der Beendigungsfrist mit 31. 10. 2020 erstellen hätte können, und beruft sich dazu auf Punkt 9. iVm Punkt 11. Abs 2 der AAB 2018.
[14] Diese Bestimmungen lauten auszugsweise:
„9. Rücktritt und Kündigung („Beendigung“)
[...]
(4) Nach Erklärung der Beendigung eines Dauerauftrages – sind, soweit im Folgenden nicht abweichend bestimmt, nur jene einzelnen Werke vom Auftragnehmer noch fertigzustellen (verbleibender Auftragsstand), deren vollständige Ausführung innerhalb der Beendigungsfrist (grundsätzlich) möglich ist, soweit diese innerhalb eines Monats nach Beginn des Laufs der Beendigungsfrist dem Auftraggeber schriftlich im Sinne des Punktes 4 (2) bekanntgegeben werden. Der verbleibende Auftragsstand ist innerhalb der Beendigungsfrist fertig zu stellen, sofern sämtliche erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden und soweit nicht ein wichtiger Grund vorliegt, der dies hindert.
11. Honoraranspruch
[...]
(2) Bei Beendigung eines Dauerauftrags gebührt das vereinbarte Entgelt für den verbleibenden Auftragsstand, sofern er fertiggestellt wird oder dies aus Gründen, die dem Auftraggeber zuzurechnen sind, unterbleibt […]“.
[15] 4. Wird ein Steuerberater im Einzelfall um die Erstattung eines steuerlichen Gutachtens oder die Erteilung einer Rechtsauskunft ersucht oder mit der Erstellung einer Bilanz oder einer Steuererklärung betraut, liegt ein Werkvertrag vor. Übernimmt er jedoch die laufende Betreuung und Beratung des Klienten in Steuerangelegenheiten, liegt ein Dauerschuldverhältnis mit Elementen eines Dienstvertrags und einer Geschäftsbesorgung vor (RS0029477).
[16] 4.1 Die Klägerin beruft sich darauf, dass ihr die Beklagte einen Dauerauftrag erteilt habe und damit ein Dauerschuldverhältnis vorliege. Demgegenüber vertritt die Beklagte auch noch im Rekursverfahren den Standpunkt, einen solchen Auftrag nicht erteilt zu haben, übergeht dabei jedoch den festgestellten Sachverhalt, nach dem sie die Klägerin mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten, insbesondere der Lohnverrechnung beauftragt hat. Insoweit liegt unzweifelhaft ein Dauerauftrag im Sinn einer laufenden Betreuung vor, die die Klägerin zu Dienstleistungen verpflichtete. Davon zu unterscheiden sind die allenfalls im Einzelfall in Auftrag gegebenen Steuererklärungen oder die Erstellung einer Bilanz, die Werke sind (vgl Krejci/Böhler in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB4 § 1166 Rz 78 [Stand 1. 8. 2022, rdb.at]).
[17] 4.2 Entsprechend dem dispositiven Recht (hier für die Erstellung des Jahresabschlusses 2019/2020: § 1168 ABGB) soll nach Punkt 11. Abs 1 der AAB 2018 der Auftragnehmer das vereinbarte Entgelt erhalten, wenn die Ausführung des Auftrags (zB wegen Rücktritt oder Kündigung) durch Umstände, deren Ursache auf Seiten des Auftraggebers liegen, unterbleibt, und er zur Leistung bereit war. Abweichend vom dispositiven Recht soll ein Mitverschulden des Auftragnehmers jedoch nicht in Anschlag gebracht werden und eine Anrechnung dessen, was er sich durch anderweitige Verwendung seiner und seiner Mitarbeiter Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben unterlässt, unterbleiben.
[18] Nach Abs 2 gilt vergleichbares bei Beendigung eines Dauerauftrags. Dem Auftragnehmer gebührt das vereinbarte Entgelt für den „verbleibenden Auftragsstand“, sofern er fertiggestellt wird oder dies aus Gründen, die dem Auftraggeber zuzurechnen sind, unterbleibt.
[19] 4.3 Was unter „verbleibender Auftragsstand“ zu verstehen ist, bestimmt Punkt 9. Abs 4 der AAB 2018. Dazu zählen ausschließlich einzelne Werke, deren vollständige Ausführung innerhalb der Beendigungsfrist (grundsätzlich) möglich ist; sie sind dann vom Auftragnehmer fertigzustellen. Unterbleibt in einem solchen Fall die Ausführung des Werks aus Gründen, die aus der Sphäre des Auftraggebers stammen, hat der Auftragnehmer einen Anspruch auf das darauf entfallende Entgelt.
[20] 4.4 Die hier in Rede stehenden Vertragsklauseln waren nach den Feststellungen nicht Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Parteien. Ihre Auslegung hat sich daher auf den objektiven Wortlaut zu beschränken. Dabei macht bereits die Formulierung „verbleibender Auftragsstand“ deutlich, dass es sich um einzelne Werke handeln muss, zu deren Herstellung der Auftrag bereits vor Beendigung des Vertragsverhältnisses erteilt worden sein musste. Dass die Klägerin bei Abschluss des Vertrags nicht nur zur Erstellung der Bilanz für das Geschäftsjahr 2018/2019, sondern vorweg auch mit der Herstellung der künftigen Jahresabschlüsse (hier gegenständlich für das Geschäftsjahr 2019/2020) beauftragt worden wäre, lässt sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Ob die Beklagte einen solchen Auftrag überhaupt erteilt hat, kann aber letztlich dahin stehen.
[21] 4.5 Nur Werke, die innerhalb der Kündigungsfrist fertiggestellt werden können, bilden nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des Punktes 9. Abs 4 der AAB 2018 den „verbleibenden Auftragsstand“, aus dem dann allenfalls ein Honoraranspruch abgeleitet werden kann. Die Formulierung, dass „einzelne Werke [...] fertigzustellen [...]“ sind, setzt begrifflich voraus, dass die Herstellung eines Werks im Zeitpunkt der Auflösungserklärung bereits begonnen war. Fertigstellen bedeutet, dass die Herstellung abgeschlossen, beendet werden soll (Quelle: Duden). Damit ist zum Nachteil der Klägerin als Verwenderin der AAB davon auszugehen, dass all das nicht zum „verbliebenen Auftragsstand“ gehört, was in seiner Herstellung im Zeitpunkt der Beendigungserklärung noch nicht begonnen war. Werke, die bei Erklärung der Beendigung des Vertragsverhältnisses noch nicht in Arbeit waren, sind nach dem Wortlaut der Regelung nicht erfasst und gehören dementsprechend auch nicht zum „verbleibenden Auftragsstand“.
5. Zusammengefasst folgt:
[22] Die Klägerin hatte bei Erklärung der Beendigung des Vertragsverhältnisses die Erstellung des „Werks“ Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2019/2020 noch nicht begonnen. Gegenteiliges behauptet sie auch gar nicht. Damit lag zu diesem Zeitpunkt noch kein „fertigzustellendes Werk“ im Sinn des Punktes 9. Abs 4 der AAB 2018 und damit auch kein „verbleibender Auftragsstand“ vor. Die Bestimmung des Punktes 11. Abs 2 der AAB 2018 kommt nicht zum Tragen, sodass die Klägerin keinen Anspruch auf ein Honorar aus der unterbliebenen Erstellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2019/2020 hat.
[23] Damit ist das die Klage in diesem Umfang abweisende Teilurteil des Erstgerichts wiederherzustellen, ohne dass auf die von der Beklagten in eventu geltend gemachte Unzulässigkeit der Klauseln nach §§ 864a oder 879 Abs 3 ABGB eingegangen werden müsste.
[24] 6. Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren in zweiter und dritter Instanz beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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