OGH 5Ob194/11g

OGH5Ob194/11g13.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H*****, vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G***** eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Roland Kassowitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 3 WGG iVm § 8 Abs 3 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. Mai 2011, GZ 39 R 13/11t-12, mit dem über Rekurs der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 29. November 2010, GZ 2 Msch 1/10g-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 22 Abs 4 WGG iVm § 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig. Die Ausführungen dieses Beschlusses können daher auf die Zurückweisungsgründe beschränkt werden (§ 22 Abs 4 WGG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

1. Nach § 8 Abs 3 MRG sind alle Erhaltungs-, Verbesserungs-, Änderungs- und Errichtungsarbeiten, die ein Mieter zuzulassen hat, so durchzuführen, dass eine möglichste Schonung des Mietrechts gewährleistet ist; für wesentliche Beeinträchtigungen hat der Vermieter, den Mieter, der hierdurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird, angemessen zu entschädigen. Diese Bestimmung ist gemäß § 20 Abs 1 lit b WGG auch auf das Nutzungsverhältnis zu Genossenschaftswohnungen anzuwenden.

2. Die Außenfassade - und daher auch die in ihrem Zuge befindlichen Außenfenster und die davor angebrachten Außenjalousien - gehören zu den allgemeinen Teilen des Hauses; allerdings sind die Fenster und die mit Zustimmung des Vermieters davor angebrachten Außenjalousien auch wesentliche Bestandteile des Mietgegenstands selbst (5 Ob 22, 23/91 = MietSlg 42.201; RIS-Justiz RS0069457; RS0069976). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits in der von beiden Instanzen zitierten, jedoch mit unterschiedlicher Schlussfolgerung auf den vorliegenden Fall angewandten Entscheidung 5 Ob 152/92 = Wobl 1993/112 ausgesprochen, dass die Entfernung von Außenjalousien im Zuge von Umbauarbeiten, die vom Mieter mit Zustimmung des Vermieters angebracht wurden, eine wesentliche Beeinträchtigung der Rechte des Mieters durch Erhaltungsarbeiten oder Verbesserungsarbeiten iSd § 8 Abs 3 MRG darstellt. Erfolgt deren Wiederanbringung nicht durch den Vermieter, so hat der Mieter Anspruch auf Entschädigung in der Höhe der erforderlichen Montagekosten. Sind die demontierten Jalousien nicht mehr in gebrauchsfähigem und zur Wiederanbringung geeignetem Zustand, so besteht die angemessene Entschädigung in jenem Betrag, der den Anschaffungs- und Montagekosten neuer Jalousien entspricht, reduziert in jenem Ausmaß, das sich aus einer wesentlich verlängerten Lebensdauer ergibt (RIS-Justiz RS0069520; 5 Ob 152/92).

3. Die Antragsgegnerin bestreitet die Anwendbarkeit der Entscheidung 5 Ob 152/92 auf den hier gegenständlichen Fall, weil sie ihre Zustimmung zur Montage der Rollläden und einer Markise unter anderem mit dem Hinweis darauf erteilt habe, dass die Antragstellerin für allfällige Mehrkosten, die im Zuge der ordnungsgemäßen Instandhaltung des Gebäudes entstünden, hafte, wenn diese durch den Bestand der von ihr vorgenommenen Abänderungen oder Herstellungen verursacht würden.

3.1 Die Bestimmungen des MRG zugunsten des Mieters sind wegen des vom Gesetzgeber als typisch erachteten und ohne Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalls ausnahmslos anzunehmenden ökonomischen und sozialen Drucks im Zweifel stets als zwingend anzusehen, auch wenn dies nur bei einzelnen Bestimmungen betont wird. Ein nachträglicher Verzicht des Mieters auf die Geltendmachung der ihm entgegen anderslautenden Vereinbarungen erwachsenen Rechte ist zwar zulässig, setzt aber voraus, dass der erwähnte ökonomische und soziale Druck weggefallen ist (RIS-Justiz RS0034015; vgl auch RS0069341; RS0069393 [T1]).

Die Revisionsrekurswerberin stellt gar nicht in Abrede, dass - wie beide Vorinstanzen unter Verweis auf die Bestimmungen der §§ 20 Abs 1 lit b und 21 Abs 1 Z 1 WGG anmerken - die Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG zwingend ist. Dem zwingenden Charakter von Mieterschutzvorschriften entspricht es, dass auf daraus abgeleitete Ansprüche im Vorhinein nicht verzichtet werden kann (vgl 5 Ob 172/03k = wobl 2004/47 [Ziehensack] zu § 3 MRG). Einen im Verfahren außer Streitsachen allenfalls zu prüfenden Verzicht der Antragstellerin auf die geltend gemachte Entschädigung nach § 8 Abs 3 MRG spricht die Revisionsrekurswerberin auch gar nicht an. Sie argumentiert lediglich, ihr stünde ein (vertraglicher) Ersatzanspruch zu, weswegen es der Prozessökonomie widerspräche, müsste sie den hier zu ersetzenden Betrag im streitigen Verfahren von der Antragstellerin hinterher wieder zurückfordern.

3.2 Damit geht die Revisionsrekurswerberin aber weder auf die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob ein Mieter - etwa durch Akzeptieren von Auflagen des Vermieters - im Vorhinein auf seinen Ersatzanspruch gemäß § 8 Abs 3 MRG verzichten könne, noch sonst auf Fragen des formellen oder materiellen Rechts von erheblicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung ein. Der Oberste Gerichtshof ist aber nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RIS-Justiz RS0102059 [T8]). Ob bzw in welchem Umfang die Antragsgegnerin aus der nach den Feststellungen von der Antragstellerin unwidersprochen hingenommenen Auflage, sie hafte für allfällige Mehrkosten aus dem Bestand der von ihr vorgenommenen Abänderung, Ansprüche zustehen, ist nicht im Verfahren außer Streit zu beurteilen. Solche, rein vertraglichen Ansprüche gehören auf den streitigen Rechtsweg (Ballon in Fasching² I § 1 JN Rz 333), sodass der dem Anspruch der Antragstellerin entgegengehaltene vertragliche Ersatzanspruch schon wegen der Unzulässigkeit des (außerstreitigen) Rechtswegs hier nicht zu beurteilen ist. Dem streitigen Verfahren bleibt in diesem Fall auch die Klärung der Frage vorbehalten, inwieweit eine - nach dem Verständnis der Antragsgegnerin aus der unwidersprochen gebliebenen Zustimmungserklärung abgeleitete - vertragliche Verpflichtung der Antragstellerin zum Ersatz des ihr nach § 8 Abs 3 MRG zuerkannten Betrags einen unzulässigen Vorausverzicht (vgl Punkt 3.1) darstellt und daher unwirksam ist.

3.3 Die Antragstellerin hat die hier in Rede stehenden Rollläden und die Markise mit Zustimmung der Antragsgegnerin angebracht. Ob diese auch verpflichtet gewesen wäre, diese Maßnahme nach § 9 MRG zu dulden, ist damit nicht mehr entscheidungswesentlich. Auf Fragen, von denen die Lösung des konkreten Rechtsfalls nicht abhängt, muss ebenfalls nicht eingegangen werden (vgl RIS-Justiz RS0088931 insb [T7]).

4. Da die Revisionswerberin insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung anspricht, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

5. Die Antragstellerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass sie die darauf entfallenden Kosten iSd § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG selbst zu tragen hat.

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