OGH 5Ob191/22g

OGH5Ob191/22g8.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen R* S*, geboren * 2021, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter L* S*, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. September 2022, GZ 44 R 339/22m‑53, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00191.22G.1108.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Entscheidung über die Übertragung der Obsorge kommt im Einzelfall keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, wenn dabei ausreichend auf das Kindeswohl Bedacht genommen (RIS‑Justiz RS0115719; RS0007101 [T21]) und keine leitenden Rechtsprechungsgrundsätze verletzt wurden (RS0115719 [T1]).

[2] 2. Den Vorinstanzen ist keine solche Fehlbeurteilung unterlaufen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit korrigiert werden müsste.

[3] Es ist richtig, dass die Entziehung der Obsorge unter Anlegung eines strengen Maßstabs nur das letzte Mittel sein und nur angeordnet werden darf, wenn sie zur Abwendung einer drohenden Gefährdung des Kindeswohls notwendig ist (RS0048712 [T3]; RS0047841 [T21]; RS0047903 [T9]; RS0048699; RS0085168). Ganz allgemein gelten für die Maßnahme des Gerichts nach § 181 ABGB die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit im Sinn des gelindesten Mittels (§ 182 ABGB; RS0047903 [T9]). Ob solche gelindere Mittel ausreichen, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0048712 [T13]).

[4] Die Rechtsmittelwerberin meint, die Vorinstanzen wären verpflichtet gewesen, vor dem letzten Mittel der Entziehung der Obsorge eine Erziehungsberatung und deren Beobachtung anzuordnen. Das Rekursgericht vertrat demgegenüber unter Berufung auf den vom Erstgericht festgestellten Verlauf die Auffassung, mit einer (weiteren) Erziehungsberatung allein könne der festgestellten Kindeswohlgefährdung nicht begegnet werden. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden, steht doch fest, dass die der Mutter bereits zuteil gewordene Unterstützung und Anleitung durch verschiedene, in den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Psychologie tätige Einrichtungen zu keiner signifikanten Verbesserung der Situation geführt haben. Damit bleibt die Obsorgeentziehung derzeit die einzige Möglichkeit zur Wahrung des Kindeswohls.

[5] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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