OGH 5Ob184/05b

OGH5Ob184/05b24.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Kalivoda, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann, als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragsteller Abdelaty Hamed Bakry A*****, vertreten durch Mag. Isabella Hütter und Mag. Nadja Horvath, Mietervereinigung Österreichs, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. Gisela R*****, und 2. Manfred P*****, beide vertreten durch Dr. Herbert Gartner und Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG (§ 16 MRG), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Mai 2005, GZ 39 R 418/04s-22, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. Oktober 2004, GZ 45 Msch 32/03x-16, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden, soweit sie nicht hinsichtlich der Punkte 1 bis 3 bereits in Rechtskraft erwachsen sind, hinsichtlich ihres Punktes 4 und der zwar nicht spruchmäßig, aber implizit vorgenommenen Abweisung des Mehrbegehrens zu den Punkten 1 bis 3 im Umfang der Differenz der Möbelmiete von EUR 18,68 zuzüglich USt pro Monat und im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Zweitantragsgegner Manfred P***** war von 1984 bis 1993 Alleineigentümer der Liegenschaft mit dem Haus *****. 1993 wurde an den insgesamt 78 Objekten des Hauses Wohnungseigentum begründet. Die Erstantragsgegnerin Gisela R***** erwarb aufgrund des Schenkungsvertrages vom 12. 11. 1993 5/28.04 Anteile an der Liegenschaft, die übrigen Anteile (darunter jener mit dem Wohnungseigentum an der Wohnung top 9 verbunden ist) verblieben Manfred P*****. Der Antragsteller mietete die Wohnung top 9 mit „Untermietvertrag" vom 30. 6. 1991.

Im Verfahren 45 Msch 108/96k des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien wurde der Antragsteller mit Teil-Sachbeschluss vom 30. 4. 1998 als Hauptmieter der Wohnung anerkannt. Im gleichen Verfahren wurde gegen Manfred P***** auch begehrt, festzustellen, dass er durch Vorschreibung eines bestimmten Pauschalmietzinses im Zeitraum Mai 1992 bis Mai 1995 das gesetzlich zulässige Zinsausmaß für die Wohnung überschritten habe. Der Schlichtungsstellenantrag wurde diesbezüglich nur gegen Manfred P*****, nicht jedoch gegen Gisela R***** gerichtet. Das Erstgericht „zog" aber Gisela R***** als Minderheitseigentümerin dem Verfahren „bei" und wies in seinem Sachbeschluss vom 12. 11. 1999 - soweit dies für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung ist - „den Antrag festzustellen, um welche Beträge das gesetzliche Zinsausmaß im Zeitraum November 1993 bis inklusive Mai 1992" (nach der Begründung gemeint: 1995) überschritten worden sei, ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dass Gisela R***** seit ihrem Eigentumserwerb Mitvermieterin sei und daher dem Verfahren vor der Schlichtungsstelle hätte beigezogen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, müsse der Antrag für diesen Zeitraum, ab dem Manfred P***** nicht mehr Alleineigentümer gewesen sei, abgewiesen werden. In seinem Rekurs begehrte der Antragsteller die Entscheidung dahingehend abzuändern, dass „die Zweitantragsgegnerin (= Gisela R*****) aus dem Spruch der Entscheidung herausgenommen werde, in eventu der angefochtene Sachbeschluss aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werde". Der Ausspruch über die Mietzinsüberprüfung könne nur wegen fehlender Passivlegitimation aufgrund geänderter Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft für den Zeitraum November 1993 bis inklusive Mai 1995 abgewiesen werden, sodass eine Abweisung gegen Gisela R*****, die niemals Partei des Verfahrens gewesen sei, unzulässig sei. Ihre Beiziehung als Partei in die Entscheidung sei gesetzlich nicht gerechtfertigt, da die Abweisung des Antrages für den Zeitraum November 1993 bis inklusive Mai 1995 mangels Passivlegitimation anders zu beurteilen sei und der neuerlichen Geltendmachung des Anspruches gegenüber dem Vermieter nicht entgegen stünde.

Diesen Rekurs wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht zu 39 R 64/00a-50 mangels Beschwer des Antragstellers zurück. Es vertrat die Rechtsansicht, dass nach neuerer Judikatur auch bei sogenannten Altmietverträgen nunmehr dem Wohnungseigentümer das alleinige Recht zur Aufkündigung und zur Mietzinsanhebung zuerkannt und seine alleinige Passivlegitimation in einem Mietzinsüberprüfungsverfahren gemäß § 37 Abs 1 Z 8 MRG angenommen werde. Dies bewirke, dass Manfred P***** für den gesamten Zeitraum passivlegitimiert sei. Da sich aber der Rekurs des Antragstellers ausschließlich auf die „Herausnahme" von Gisela R***** „aus dem Spruch des Sachbeschlusses" gerichtet habe, komme dem Antrag auf Zinsüberprüfung ungeachtet des Formalerfordernisses der Vorschaltung der Schlichtungsstelle keinesfalls Erfolg zu, weshalb der Antragsteller nicht beschwert sei. Sein Rekurs hätte sich mit Erfolg gegen die Entscheidung in Ansehung von Manfred P***** wenden können, dies sei jedoch nicht geschehen. Letztlich sei zu betonen, dass ein „Herausnehmen" von Gisela R***** ohnedies keine Wirkung auf die Rechtsstellung des Antragstellers hätte, weil sich - bei Zutreffen der Ansicht des Erstgerichtes ein Mietzinsüberprüfungsantrag gegen beide Vermieter richten müsste, also auch gegen Manfred P*****, was jedoch nicht möglich sei, weil die ihn betreffende abweisende Entscheidung in Rechtskraft erwachsen sei.

Das Rekursgericht sprach damals aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 nicht übersteige und der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei (§ 528 Abs 2 Z 1 ZPO).

Soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist, wurde im fortgesetzten Verfahren zu 45 Msch 108/96k des Bezirksgerichtes Innere Stadt letztlich eine Mietzinsüberschreitung im Zeitraum Mai 1992 bis Oktober 1993 festgestellt und der Entscheidung die Außerstreitstellung der Parteien in der Tagsatzung vom 8. 6. 2001 über die Höhe der Möbelmiete mit S 280 netto monatlich zugrunde gelegt.

Seit 5. 9. 2002 befinden sich sämtliche Liegenschaftsanteile wieder im Eigentum des Zweitantragsgegners.

Der Antragsteller begehrt nun im vorliegenden Verfahren gegen Manfred P***** und Gisela R***** als damalige Miteigentümer der Liegenschaft die Feststellung der Mietzinsüberschreitung für den Zeitraum November 1993 bis Mai 2000. An Möbelmiete sei lediglich ein Betrag von S 257 (= EUR 18,68) zu begleichen.

Die Antragsgegner wenden einerseits für den Zeitraum November 1993 bis Mai 1995 res iudicata ein, da der Antrag bereits rechtskräftig im Vorverfahren abgewiesen worden sei, und andererseits, dass von einer Nettomöbelmiete von EUR 20,35 = S 280 auszugehen sei. Dies sei jener Betrag, der im Verfahren 45 Msch 108/96k des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien außer Streit gestellt worden sei.

Das Erstgericht stellte zu Punkt 1 den zulässigen Bruttohauptmietzins, zu Punkt 2 die Mietzinsüberschreitung und zu Punkt 3 „die Unwirksamkeit des Mietzinsbegehrens" ab Juni 1995 bis Mai 2000 fest, wies zu Punkt 4 das Mehrbegehren, ob und in welcher Höhe eine Mietzinsüberschreitung im Zeitraum November 1993 bis Mai 1995 stattgefunden habe, und zu Punkt 5 den gesamten Antrag auf Feststellung hinsichtlich der Erstantragsgegnerin Gisela R***** ab. In rechtlicher Hinsicht vertrat es zu den hier relevanten Rechtsfragen die Ansicht, dass für den Zeitraum November 1993 bis Mai 1995 bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliege und legte seinen Berechnungen die Möbelmiete mit EUR 280 zzgl USt monatlich zugrunde. Hinsichtlich Gisela R***** folgte es der Rechtsansicht des Rekursgerichtes im Vorverfahren, dass diese nicht passivlegitimiert sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers teilweise Folge und änderte ihn dahingehend ab, dass es hinsichtlich beider Antragsgegner feststellte, dass sie gegenüber dem Antragsteller das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten. Es sprach aus, dass es seine im Vorverfahren vertretene Rechtsansicht zur Frage der Passivlegitimation nicht mehr aufrecht erhalten könne. Der Antrag auf Überprüfung des vorgeschriebenen Mietzinses nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG sei gegen sämtlich Mit- und Wohnungseigentümer als Träger der dem einzelnen Mieter gegenüber zu erfüllenden Pflichten zu richten, weil die Rechtsposition des Mieters durch die Abtretung einzelner Vermieterrechte nicht geschmälert werden dürfe. Im Hinblick darauf, dass die nunmehr gefestigte Rechtsprechung weiterhin von der Passivlegitimation aller Mit- und Wohnungseigentümer ausgehe, sei der vereinzelt gebliebenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 5 Ob 30/99v nicht zu folgen. Insofern sei dem Rekurs Folge zu geben. Das Erstgericht habe aber zutreffend erkannt, dass hinsichtlich der Mietzinsüberschreitungszeiträume November 1993 bis Mai 1995 bereits rechtskräftig entschieden worden sei, da die Entscheidung in materieller Hinsicht hinsichtlicher beider Antragsgegner unbekämpft geblieben und daher in Rechtskraft erwachsen sei. Im Übrigen binde eine bloß im Schlichtungsstellenverfahren erfolgte Außerstreitstellung ohne ausdrückliche Wiederholung im gerichtlichen Verfahren nicht. Der Antragsteller übersehe, dass die Antragsgegner im gerichtlichen Verfahren auf die Außerstreitstellung im Vorverfahren verwiesen hätten, in dem die Höhe der Möbelmiete mit netto S 280 pro Monat außer Streit gestellt worden sei. Da der Antragsteller in Kenntnis dieses Schriftsatzes kein Vorbringen zur Möbelmiete im gerichtlichen Verfahren erstattet habe, habe für das Erstgericht keine Veranlassung bestanden, darüber ein Beweisverfahren abzuführen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, soweit davon die Abweisung des Mehrbegehrens für den Zeitraum 1993 bis Mai 1995 betroffen sei und soweit an Möbelmiete statt S 257 netto pro Monat S 280 netto pro Monat zugrunde gelegt worden sei. Es werde ein Abänderungs-, in eventu ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner begehren in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

1.) Das Rekursgericht kann sich auf keine Judikatur stützen, wonach Außerstreitstellungen im Schlichtungsstellenverfahren unbeachtlich seien. Dies ist auch nicht der Fall. Auch im Schlichtungsstellenverfahren können die Parteien bei bestehender Dispositionsmaxime Außerstreitstellungen vornehmen (vgl implizit 5 Ob 99/88) und damit zu bestimmten Streitpunkten ein Beweisverfahren ausschließen. Die Außerstreitstellungen wirken dann auch nach Anrufung gemäß § 40 MRG für das gerichtliche Verfahren.

Laut Verhandlungsschrift vom 24. 7. 2002 stellten die Parteien im Schlichtungsstellenverfahren einen Betrag von monatlich S 257 für Möbelmiete außer Streit. Diese Außerstreitstellung konnte von den Antragsgegnern im gerichtlichen Verfahren jederzeit widerrufen werden, was durch den Schriftsatz ON 10 geschehen ist, indem ein anderer Betrag der Berechnung zugrunde gelegt wurde. Damit liegt im erstinstanzlichen Verfahren keine Außerstreitstellung der Parteien mehr vor und das Erstgericht hätte diesen Umstand mit den Parteien erörtern und in dem Fall, dass keine neuerliche Außerstreitstellung erzielt werden könnte, entsprechende Feststellungen treffen müssen. Dies ist bislang unterblieben und daher im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen.

2.) Soweit eine Partei einen Beschluss nicht mehr anfechten kann, erwächst er ihr gegenüber in Rechtskraft (§ 42 AußStrG). Mit der Rechtskraft eines Beschlusses treten Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung ein (§ 43 AußStrG). Die Beschlüsse im außerstreitigen Verfahren erwachsen also auch in formeller und materieller Rechtskraft.

Die Rechtskraftwirkung setzt nach einhelliger Ansicht die Identität der Parteien, des geltend gemachten Begehrens und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus (vgl RIS-Justiz RS0108828; RS0041340 uva). Wird derselbe Anspruch aufgrund eines anderen Sachvorbringens geltend gemacht als im Vorverfahren, dann steht die Rechtskraft der früheren Entscheidung der neuerlichen Geltendmachung nicht entgegen (vgl RIS-Justiz RS0041582). Abgewandt auf den vorliegenden Fall bedeutete das Folgendes:

In der Vorentscheidung wurde der Antrag auf Mietzinsüberprüfung bei der Schlichtungsstelle nur gegen einen von zwei Miteigentümern gerichtet. Dieser Antrag wurde vom Erstgericht abgewiesen, weil Manfred P***** nicht allein passivlegitimiert sei. Lediglich im Kopf der Entscheidung wurde von Amts wegen auch die nicht vom Antrag erfasste Miteigentümerin Gisela R***** angeführt, was letztlich im Widerspruch mit der Begründung der Entscheidung steht. Trotzdem war Gegenstand der Entscheidung des Erstgerichtes nur der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag, der sich nur gegen Manfred P***** richtete. Eine Entscheidung hinsichtlich Gisela R***** liegt nicht vor. Der Antragsteller anerkannte die Rechtsansicht des Erstgerichtes über die fehlende Passivlegitimation und bekämpfte sie nicht. Der Rekurs des Antragstellers richtete sich nur auf die „Herausnahme der vom Erstgericht amtswegig beigezogenen Gisela R*****" (gemeint aus dem Kopf der Entscheidung). Als das Rekursgericht den Rekurs zurückwies, wurde damit naturgemäß der Entscheidungsgegenstand des Erstgerichtes nicht verändert. Es wurde nur über den gegen Manfred P***** gerichteten Antrag entschieden, und zwar nur mit der Begründung der fehlenden Passivlegitimation. Wird nun der Antrag rechtsrichtig (5 Ob 43/04s; RIS-Justiz RS0083777; RS0109565; die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 5 Ob 30/99v bezieht sich nicht auf ein Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG, sondern auf ein streitiges Verfahren aus vereinbartem Mietzins) gegen beide Vermieter als notwendige Streitgenossen gerichtet, so ist der Sachverhalt mit jenem im Vorverfahren nicht ident. Es liegt keine entschiedene Rechtssache vor.

Die Vorinstanzen haben daher über den Antrag im fortzusetzenden Verfahren zu entscheiden.

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