OGH 5Ob179/22t

OGH5Ob179/22t8.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers M*, vertreten durch Mag. Petra Trauntschnig, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegner 1. T*, 2. T*, beide vertreten durch Mag. Christa Fuchshuber, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 16 Abs 2 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2022, GZ 40 R 4/22t‑57, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 8. August 2021, GZ 17 Msch 31/18w‑42, abgeändert wurde den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00179.22T.1108.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner sind schuldig, dem Antragsteller die mit 551,86 EUR (darin enthalten 91,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller war Hauptmieter der Wohnung Top Nr 2 auf Stiege II im Haus der Antragsgegner. Er begehrt die Feststellung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses für diese Wohnung zum Zeitpunkt der Anmietung am 1. 7. 2000 sowie festzustellen, in welchem Betrag diese Hauptmietzinsvereinbarung unwirksam sei und die Antragsgegner ihm gegenüber das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten hätten.

[2] Das Erstgericht wies diese Anträge ab. Da Bemühungen, eine Zustelladresse des Antragstellers ausfindig zu machen, erfolglos geblieben seien, sei ihm (unter anderem) die Ladung der für den 17. 12. 2019 angesetzten Verhandlung durch Hinterlegung im Akt zugestellt worden. In der Verhandlung, zu der der Antragsteller nicht gekommen sei, habe sich die Antragsgegnervertreterin ohne Antragstellung entfernt, sodass Ruhen des Verfahrens eingetreten sei. Erst am 28. 12. 2020 habe der Antragsteller die Fortsetzung des Verfahrens unter gleichzeitiger Bekanntgabe seiner neuen Adresse beantragt, sodass das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt und der Präklusionseinwand der Antragsgegner berechtigt sei, was zur Abweisung des Antrags führe.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Antragstellers Folge und sprach mit Sachbeschluss aus, dass der Mietzinsüberprüfungsantrag des Antragstellers nicht gemäß § 16 Abs 8 MRG präkludiert sei. Der Antragsteller habe zwar zweifellos Kenntnis vom Verfahren gehabt und wäre damit nach § 8 Abs 1 ZustG verpflichtet gewesen, nach seiner Räumung aus der verfahrensgegenständlichen Wohnungdie Änderung seiner Abgabestelle unverzüglich mitzuteilen. Eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorangehenden Zustellversuch nach § 8 Abs 2 ZustG sei jedoch nur dann zulässig, wenn eine (neue) Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne. Dieser Verpflichtung sei das Erstgericht nach der Aktenlage nicht ausreichend nachgekommen, sodass die Ladung des Antragstellers zur Verhandlung vom 17. 12. 2019 nicht wirksam zugestellt worden sei und Ruhen des Verfahrens nicht eintreten habe können. Die vom Erstgericht dem Antragsteller angelastete Untätigkeit und damit auch die daraus abgeleitete Verfristung des Antrags gemäß § 16 Abs 8 MRG sei damit nicht Folge einer nicht gehörigen Verfahrensfortsetzung, sondern darauf zurückzuführen, dass der Antragsteller im Sinn des § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG in seinem rechtlichen Gehör verletzt worden sei. Im Ergebnis könne damit auch nicht von einer Präklusion des Antrags ausgegangen werden, was nach Ansicht des Rekurssenats in analoger Anwendung des § 393a ZPO mit Zwischensachbeschluss festzustellen sei. Aufgrund von Feststellungsmängeln sei die Sache noch nicht entscheidungsreif. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil – soweit überblickbar – der Oberste Gerichtshofzur analogen Anwendung des § 393a ZPO im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren noch nicht Stellung genommen habe.

[4] Der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegner ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 71 Abs 1 AußStrG), nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof setzt voraus, dass der Rechtsmittelwerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen in seinen Rechtsmittelausführungen auch aufgreift. Dazu ist es erforderlich, dass er eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts anspricht, bei deren Beurteilung er von der Rechtsansicht der zweiten Instanz abweicht (RIS‑Justiz RS0102059 [T13]).

[6] Die Antragsgegner sprechen Fragen im Zusammenhang mit einer analogen Anwendung der Bestimmung des § 393a Abs 1 ZPO mit keinem Wort an und ziehen damit die Richtigkeit der Lösung der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage in ihrem Rechtsmittel auch nicht in Zweifel. Damit ist die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage durch den Obersten Gerichtshof auch nicht zu überprüfen (RS0102181 [T17]). Er ist nämlich nicht dazu berufen, theoretisch zu einer Rechtsfrage Stellung zu nehmen, deren Lösung durch die zweite Instanz vom Rechtsmittelwerber gar nicht bestritten wird (RS0102059 [T18]).

[7] 2. Auch sonst sprechen die Antragsgegner in ihrem Rechtsmittel keine Fragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an:

[8] 2.1 Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen (§ 8 Abs 1 ZustG). Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs 2 ZustG).

[9] 2.2 Ob die Feststellung der neuen Abgabestelle „ohne Schwierigkeiten“ möglich ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0115026), sodass damit im Allgemeinen auch keine erheblichen Rechtsfragen verbunden sind.

[10] 2.3 Das Erstgericht ist von der Vertreterin der Antragsgegner in der Verhandlung vom 19. 11. 2019 darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Wohnung bereits am 8. 5. 2019 geräumt worden war, und hat daraufhin neben einer (negativen) Anfrage beim zentralen Melderegister eine Sozialversicherungsabfrage durchgeführt, die auch einen Treffer lieferte, der mit den Angaben des Antragstellers in seinem Verfahrenshilfeantrag korrespondierte, sein Geburtsdatum anführte und auch hinsichtlich des Familiennamens übereinstimmte. Von der Aktenlage wich die Auskunft lediglich insoweit ab, als sie den vollständigen Vornamen des Antragstellers enthielt, dieser im Verfahren (bis dahin) aber unter seinem ersten Vornamen aufgetreten ist. Berücksichtigt man, dass auch die Telefonnummer und die Mail-Adresse des Antragstellers aktenkundig waren, bedarf die Beurteilung des Rekursgerichts, das die Voraussetzungen für eine Hinterlegung nach § 8 Abs 2 ZustG verneinte, entgegen der Ansicht der Revisionswerber keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof. Die Beurteilung, dass die Ladung des Antragstellers zur Verhandlung am 17. 12. 2019 nicht wirksam war und damit auch kein Ruhen des Verfahrens eintreten konnte, ist damit ebenso wenig zu beanstanden, wie die als Folge davon verneinte Präklusion des Antrags gemäß § 16 Abs 8 MRG. Soweit die Antragsgegner meinen, dass bereits in der Verhandlung vom 19. 11. 2019 Ruhen eingetreten sei, kann ihre Ansicht schon deshalb nicht nachvollzogen werden, weil das Gericht die Verhandlung zur neuerlichen Ladung des Antragstellers erstreckte und die Vertreterin der Antragsgegner den neuen Termin unter Ladungsverzicht zur Kenntnis nahm. Von einem Entfernen ohne Antragstellung, wie die Revisionsrekurswerber meinen, als Voraussetzung für den Eintritt eines Ruhens kann damit keine Rede sein. Damit muss auch nicht mehr geprüft werden, inwieweit eine Zustellung der Ladung zur Verhandlung vom 19. 11. 2019 wirksam sein konnte, weil das Gericht bis dahin keine Veranlassung hatte, Nachforschungen im Sinn des § 8 Abs 2 ZustG anzustellen (vgl dazu RS0115726).

[11] 3. Damit ist es auch ohne Relevanz, ob Mitarbeiter des Sachverständigen vor dessen Befundaufnahme im Juni 2019 mit dem Antragsteller telefoniert haben, sodass auch die von den Antragsgegnern daraus abgeleitete Aktenwidrigkeit nicht zu erkennen ist.

[12] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[13] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die danach anzustellenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen einen Kostenzuspruch an den Antragsteller, der auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen hat.

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