European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129818
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Der Vater ist aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 23. 1. 2017 verpflichtet, seiner nunmehr volljährigen Tochter einen Unterhalt von monatlich 450 EUR zu zahlen. Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag der Tochter, den Vater beginnend ab 1. 8. 2017 zu einem erhöhten Unterhalt zu verpflichten.
Das Erstgericht gab dem Begehren teilweise statt, verpflichtete den Vater – gestaffelt nach bestimmten Zeiträumen – zur Zahlung eines erhöhten Unterhalts, ab 1. 10. 2019 bis längstens zur Selbsterhaltungsfähigkeit zur Zahlung von monatlich 510 EUR, sowie zur Zahlung eines Unterhaltsrückstands binnen 14 Tagen und wies ein Mehrbegehren ab. Dabei legte es ein durchschnittliches Einkommen des Vaters von zuletzt monatlich 2.416 EUR zugrunde und berücksichtigte dessen Sorgepflicht für ein weiteres Kind. Eine Berücksichtigung von Transferleistungen lehnte es unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 150/19s auch für die Zeit ab Volljährigkeit der Unterhaltsberechtigen ab. Es sei kein Grund erkennbar, die Grundsätze dieser Entscheidung nicht auch bei Volljährigkeit heranzuziehen.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und führte – soweit in dritter Instanz noch von Relevanz – aus, ob die zu 4 Ob 150/19s des Obersten Gerichtshofs vertretenen Grundsätze auch bei Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten Geltung hätten, sei in der Judikatur des Höchstgerichts zwar noch nicht behandelt worden, der Gesetzgeber habe die Unterhaltsentlastung aber pauschal mit den in § 33 Abs 3a EStG genannten Beträgen vorgenommen, sodass auch bei volljährigen Kindern der Unterhaltspflichtige nicht mehr im Weg der Familienbeihilfen-Anrechnung zu entlasten sei. Daher sei auch bei Volljährigkeit weder der Familienbonus Plus in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzurechnen noch eine Familienbeihilfen-Anrechnung vorzunehmen. Den Revisionsrekurs erklärte es für zulässig, weil noch nicht geklärt sei, ob die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Familienbonus Plus vertretenen Grundsätze auch bei Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten anzuwenden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.
1. Zu der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage hat der Oberste Gerichtshof (zeitlich nach dessen Beschlussfassung) bereits in der Entscheidung zu 9 Ob 59/19w ausführlich Stellung genommen. Anknüpfend an die Entscheidung zu 4 Ob 150/19s kam der 9. Senat nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand in der Literatur zusammengefasst zum Ergebnis, „dass der Steuergesetzgeber mit der Einführung des Familienbonus Plus (gemeinsam mit dem schon bestehenden Unterhaltsabsetzbetrag) die Vorgabe des Verfassungsgerichtshofs, die im Vergleich zu einer nicht unterhaltspflichtigen Person verminderte Leistungsfähigkeit durch eine entsprechende Verminderung ihrer Steuerlast zu berücksichtigen, undifferenziert erfüllen und die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltslast zur Gänze in das Steuerrecht verlagern wollte. Diese gesetzgeberische Intention ist auch hinsichtlich der volljährigen Unterhaltsberechtigten zu akzeptieren.“ In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist damit bereits geklärt, dass der durch die Entscheidung zu 4 Ob 150/19s begründete und nunmehr in ständiger Rechtsprechung vertretene Grundsatz, dass die mit Einführung des Familienbonus Plus (§ 33 Abs 3a EStG) bewirkte substanzielle Steuerentlastung (dazu RV 190 BlgNR 26. GP 1 und 14) zu einer Entkoppelung von Unterhalts‑ und Steuerrecht führt und eine Anrechnung der Transferleistung auf die Unterhaltsleistung nicht mehr zu erfolgen hat, auch bei Volljährigkeit des Unterhaltsberechtigten anzuwenden ist.
2. Nach ständiger Rechtsprechung reicht, um eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs annehmen zu können, schon das Vorliegen auch nur einer, ausführlich begründeten, grundlegenden Entscheidung aus, der keine gegenteiligen Entscheidungen entgegenstehen und die auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (RS0103384 [T5; T8]). Der Revisionsrekurswerber strebt die Anrechnung der Familienbeihilfe, also einer Transferleistung an und führt dazu lediglich ins Treffen, dass der Familienbonus Plus bei Volljährigen zu gering wäre. Damit zeigt er kein, nicht schon in der Entscheidung zu 9 Ob 59/19w berücksichtigtes Argument auf und kann mit seinen Ausführungen daher auch keine Zweifelan der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken (RS0103384 [T4]).
3. Das Rekursgericht hat die von ihm als erheblich erachtete Rechtsfrage im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht (mehr) vor. Wenn der Revisionsrekurswerber meint, dass eine Anrechnung des Familienbonus Plus auf den Unterhalt für das Jahr 2019 zu unterbleiben gehabt hätte, weil er als Selbständiger diesen erst nachträglich im Weg der Jahressteuerveranlagung geltend machen könne, übersieht er, dass die Vorinstanzen der Festsetzung seiner Unterhaltspflicht für das Jahr 2019 ohnedies nur das von ihm für diesen Zeitraum außer Streit gestellte Einkommen zugrunde legten und ausdrücklich betonten, dass der Familienbonus Plus unterhaltsrechtlich neutral sei.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragstellerin hat in ihrer nach Veröffentlichung der Entscheidung zu 9 Ob 59/19w im Rechtsinformationssystem des Bundes erstatteten Rechtsmittelbeantwortung nicht darauf hingewiesen, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist, sodass sie nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung diente.
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