European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00157.23H.1005.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Grundbuchsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die aufgrund dieses Beschlusses erforderliche Wiederherstellung des Buchstands sowie die Verständigung der Beteiligten obliegt dem Erstgericht.
Begründung:
[1] Die Liegenschaft EZ * KG *, zuletzt bestehend aus den Grundstücken 256/1, 260, 261, 265/1, 265/2 und 266/1 stand zu 425/1.000stel (B‑LNR 1) und 20/1.000stel (B‑LNR 4) im Miteigentum des Antragstellers, zu 150/1.000stel (B‑LNR 3) im Miteigentum der Revisionsrekurswerberin und zu 405/1.000stel (B‑LNR 2) im Miteigentum ihres Bruders. Nach dem Buchstand hatte der Antragsteller seine Miteigentumsanteile B‑LNR 1 durch Übergabsvertrag vom 8. 12. 1990 erworben. Gegenstand dieses Übergabsvertrags des Antragstellers mit seinem Vater waren die damals noch zur Liegenschaft EZ * KG * gehörenden Grundstücke 256, 260, 261, 265/1 und 266/1. Im Vertragspunkt 11. des Übergabsvertrags hatte der Antragsteller als Übernehmer über Anweisung des Übergebers seinen Geschwistern – so auch der Revisionsrekurswerberin – Rechte für den Fall des Verkaufs oder der Verpachtung dieser Grundstücke eingeräumt.
[2] Mittels Notariatsakt vom 25. 5. 1996 kamen der Antragsteller, die Revisionsrekurswerberin und ihr Bruder überein, den Vertragszweck so zu verwirklichen, dass im Verhältnis wie die Verkaufs‑ bzw Ertragserlöse aufzuteilen wären, Miteigentum zu schaffen sei. Der Antragsteller überließ daher seinem Bruder einen Miteigentumsanteil von 425/1.000stel und der Revisionsrekurswerberin einen solchen von 150/1.000stel an den Grundstücken 256, 260, 261, 265/1 und 266/1, wobei vorgesehen wurde, die genannten Grundstücke von der EZ * KG * abzuschreiben und hiefür eine neue Grundbuchseinlage (die EZ * derselben KG) zu eröffnen, in der dann die entsprechenden Miteigentumsanteile und Eigentumsverhältnisse einzutragen wären. Die Geschwister räumten einander auch Vorkaufsrechte ob ihrer Liegenschaftsanteile ein, die jeweils einverleibt wurden. In den Punkten 6. und 7. dieses Notariatsakts heißt es weiter:
„Sechstens: Es ist der Wille aller Vertragsteile, dass diese Grundstücke bestmöglich zu verwerten sind, entweder durch Verkauf, langfristige Verpachtung oder Verwirklichung eines gemeinsamen eigenen Projektes der künftigen Miteigentümer.
Damit die diesbezüglichen Verhandlungen zügig geführt werden können, bevollmächtigen hiermit Herr M* und Frau B* ihren Bruder, H*, zum Abschluss eines Kauf- oder langfristigen Bestands- oder Baurechtsvertrages. […]
Dieses Vollmachtsverhältnis bleibt solange aufrecht, bis der Zweck der Bevollmächtigung, nämlich die Verwertung des gemeinsamen Besitzes, verwirklicht ist und hat daher Bindungswirkung auch für alle Rechtsnachfolger oder Erben eines Machtgebers, erlischt aber spätestens nach Ablauf von fünf Jahren ab Ausstellung der Vollmacht. [...]
Siebentens: Wird der Vertragszweck, nämlich Verwertung der vertragsgegenständlichen Grundstücke innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Vertragsunterfertigung nicht verwirklicht, so räumen Herr M* und Frau B* ihrem Bruder, Herrn H*, ein Aufgriffsrecht an den vertragsgegenständlichen Miteigentumsanteilen des Herrn M* und der Frau B* ohne weiteres Entgelt ein. Macht Herr H* von diesem Aufgriffsrecht Gebrauch, leben damit mangels anderer Vereinbarung automatisch die Rechte des Herrn M* und der Frau B* gemäß Vertragspunkt Elftens des erwähnten Übergabsvertrages wieder auf. Herr M* und Frau B* bewilligen daher ohne ihr weiteres Zutun und Wissen bereits heute nach dem 1.6.2001 (ersten Juni zweitausendeins) bei ihren Miteigentumsanteilen an den vertragsgegenständlichen Grundstücken die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Herrn H*, geboren am *, welcher damit Alleineigentümer wird.
Herr M* und Frau B* können dieses Aufgriffsrecht aber dadurch abwehren, wenn sie ihrem Bruder H* wieder eine unwiderrufliche Vollmacht wie sie den Bedingungen dieses Vertrages entspricht, befristet wieder auf höchstens fünf Jahre ausstellen.“
[3] In der vom Antragsteller grundbuchsfähig gefertigten Aufgriffserklärung vom 31. 3. 2020 nahm er auf den Punkt 7. des Notariatsakts vom 25. 5. 1996 Bezug und erklärte, dass er sein Aufgriffsrecht gegenüber seiner Schwester Frau B* gemäß diesem Vertrag mit sofortiger Wirkung ausübe. Er erklärte in diesem Zusammenhang an Eidesstatt, dass die Revisionsrekurswerberin die Ausstellung einer Vollmacht, wie sie den Bedingungen des Vertrags vom 25. 5. 1996 entspricht, verweigert habe und er zum Zweck der Herstellung der Grundbuchsordnung gemäß diesem Vertrag einen gesonderten Grundbuchsantrag stelle.
[4] Der Antragsteller begehrte unter Vorlage dieser Aufgriffserklärung, einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, des Notariatsakts vom 25. 5. 1996 und zweier Verweisungsblätter ob der Miteigentumsanteile der Revisionsrekurswerberin die Einverleibung seines Eigentumsrechts und die Löschung des ob dieser Anteile zu seinen Gunsten einverleibten Vorkaufsrechts.
[5] Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab. Es fehle an einem urkundlichen Nachweis, dass die zeitliche Befristung gemäß Punkt 7. des Notariatsakts vom 25. 5. 1996 abgelaufen sei. Da aus den vorgelegten Urkunden nicht zweifelsfrei ein Endtermin zu entnehmen sei, sei nicht feststellbar, ob das Aufgriffsrecht zum Tragen komme.
[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und dem Grundbuchsantrag statt. Die Vertragsparteien hätten im Notariatsakt vom 25. 5. 1996 dem Antragsteller ein Aufgriffsrecht an den vertragsgegenständlichen Miteigentumsanteilen ohne weiteres Entgelt für den Fall eingeräumt, dass eine Verwertung der Grundstücke nicht innerhalb von fünf Jahren ab Vertragsunterfertigung erfolgen sollte. Die bereits für die Zeit nach dem 1. 6. 2001 abgegebene Aufsandungserklärung habe keine weiteren Bedingungen enthalten. Der Antragsteller habe im Zug seines Gesuchs nur nachzuweisen gehabt, dass eine Verwertung der Liegenschaft bis 1. 6. 2001 nicht stattgefunden habe, was sich unzweifelhaft aus dem Grundbuchstand bei Einlangen des Verbücherungsantrags ergebe. Des urkundlichen Nachweises dieser Bedingung habe es daher nicht bedurft. Der vom Erstgericht nicht weiter thematisierte Vertragspassus, dass das Aufgriffsrecht dadurch abgewehrt werden hätte können, dass die Revisionsrekurswerberin ihrem Bruder wieder eine unwiderrufliche Vollmacht entsprechend den Bedingungen des Vertrags und befristet auf fünf Jahre ausstellt, bedürfe keiner weiteren Klärung. Auch daraus ergebe sich eine absolute zeitliche Begrenzung von weiteren fünf Jahren, um die sich die erste Frist maximal verlängern hätte können. Spätestens mit 26. 5. 2006 seien die dem vereinbarten Aufgriffsrecht des Antragstellers entgegenstehenden aufschiebenden Bedingungen daher weggefallen gewesen. Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Rekursgericht mit 30.000 EUR übersteigend. Den Revisionsrekurs ließ es mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.
[7] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der gelöschten Miteigentümerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Abweisungsentscheidung.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht nicht berücksichtigte, dass sich der Gutsbestand der betroffenen Liegenschaft seit Vereinbarung des Aufgriffsrechts wesentlich verändert hat, und auch die Beurteilung betreffend den Nachweis der Erfüllung der aufschiebenden Bedingung korrekturbedürftig ist. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
[9] Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, hinsichtlich des Grundstücks 265/2 der KG * mangle es an Titel und ihrer Aufsandungserklärung. Dieses Grundstück hätten die Miteigentümer erst mit Kaufvertrag vom 16. 6. 2014 erworben, darauf habe sich das Aufgriffsrecht nicht bezogen. Im Übrigen beruft sie sich auf eine Verjährung des vereinbarten Aufgriffsrechts.
Hiezu wurde erwogen:
[10] 1.1. Gemäß § 94 Abs 1 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Es darf eine grundbücherliche Eintragung unter anderem nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint (§ 94 Abs 1 Z 3 GBG). Dabei ist es dem Grundbuchsgericht nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats (RIS‑Justiz RS0060573) verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen. 1.2. Grundsätzlich hat sich das Grundbuchsgericht bei der Prüfung des Gesuchs auf die Auslegung des Wortlauts eines Vertrags zu beschränken (RS0060573 [T10]), komplizierte Erwägungen tatsächlicher und rechtlicher Natur, um den wahren Willen der Vertragsteile zu ergründen, sind nicht anzustellen (RS0060573 [T11]). Wenn es auch dem Grundbuchsgericht durchaus zusteht, aus den ihm vorgelegten Urkunden unmittelbar logische Schlussfolgerungen zu ziehen (5 Ob 82/08g; 5 Ob 141/09k), hat es sich doch im Übrigen auf die Auslegung des Wortlauts eines Vertrags zu beschränken, keinen davon abweichenden Parteiwillen zu ermitteln und keine Zweifelsfragen durch vom Wortsinn nicht mehr gedeckte Interpretation zu klären (5 Ob 141/09k mwN).
[11] 2.1. Die zur Grundlage des Einverleibungsbegehrens vorgelegte Aufgriffserklärung nimmt auf den Notariatsakt vom 25. 5. 1996 und das dort zu Gunsten des Antragstellers vereinbarte Aufgriffsrecht Bezug. Nach dem Wortlaut dieses Notariatsakts betraf das Aufgriffsrecht (nur) die Grundstücke 256, 260, 261, 265/1 und 266/1 je KG * (damals noch Gutsbestand der EZ * dieser KG), wobei für diese Grundstücke nach Abschreibung eine neue Einlagezahl (EZ *) eröffnet werden sollte. Nach dem Wortlaut des Vertrags betraf das dem Antragsteller eingeräumte Aufgriffsrecht daher die Miteigentumsanteile an den Grundstücken, die Gutsbestand der Liegenschaft EZ * KG * werden sollten. Ob und gegebenenfalls wie sich eine Änderung des Gutsbestands dieser Liegenschaft auf das Aufgriffsrecht auswirken sollte, ist dem Notariatsakt vom 25. 5. 1996 nicht zu entnehmen, dies wäre auslegungsbedürftig. Eine (ergänzende) Vertragsauslegung ist aber nicht Sache des Grundbuchsgerichts.
[12] 2.2. Aus dem Grundbuchstand (unter Einschluss des Verzeichnisses der gelöschten Eintragungen) ergibt sich hier nämlich, dass es seit Vereinbarung des Aufgriffsrechts im Jahr 1996 zu mehrfachen Änderungen im Gutsbestand der EZ * KG * kam. So weist die Revisionsrekurswerberin zutreffend auf den – auch aus dem aktuellen Grundbuchauszug ersichtlichen – Umstand hin, dass es im Jahr 2014 zur Zuschreibung des Grundstücks 265/2 aus der EZ * aufgrund eines Kaufvertrags vom 16. 6. 2014 gekommen war, dieses Grundstück daher – obwohl nun Gutsbestand der EZ * KG * – jedenfalls nach dem Wortlaut des Notariatsakts nicht Gegenstand des vereinbarten Aufgriffsrechts gewesen sein konnte. Dazu kommt, dass es auch zur Teilung des (seinerzeitigen) Grundstücks 256 in die Grundstücke 256/1 und 256/2 (zur TZ 2527/2006) und in der Folge zur Abschreibung des Grundstücks 256/2 zu einer anderen EZ (TZ 3265/2007) kam, ebenso zu einer Flächenänderung des Grundstücks 260 (TZ 2527/2006) und zur Abschreibung von Teilflächen des Grundstücks 261 nach EZ * zur Einbeziehung in Grundstück 259/3 (TZ 5206/2006). Ohne begründeten Zweifel lässt sich aber nicht feststellen, dass sich das im Jahr 1996 vereinbarte Aufgriffsrecht des Antragstellers tatsächlich auf die Liegenschaftsanteile der Revisionsrekurswerberin unter Zugrundelegung eines nach der Vereinbarung wesentlich veränderten Gutsbestands beziehen sollte.
[13] 3. Auch hinsichtlich des Nachweises der vereinbarten Bedingung für das Entstehen des Aufgriffsrechts ist die Auffassung des Rekursgerichts korrekturbedürftig. Es wies zwar zutreffend darauf hin, dass bei Einräumung eines Rechts unter einer Bedingung und der Zustimmung zur Einverleibung unter dieser Bedingung deren Eintritt urkundlich nachgewiesen werden muss (RS0060364). Der Eintritt einer vertraglichen Bedingung ist dem Grundbuchsgericht urkundlich nachzuweisen (RS0105966). Allerdings sprach der Fachsenat bereits aus, dass eine konditionale Verknüpfung zwischen einem Verbücherungsanspruch und einer Bedingung in der Vertragsurkunde ausreicht, die Verbücherung von einem urkundlichen Nachweis des Eintritts der Bedingung im Sinn des § 31 GBG abhängig zu machen (vgl RS0060364 [T3, T6]). Eine ausdrückliche Aufnahme der Bedingung (auch) in die Aufsandungserklärung wird nicht verlangt. Selbst das Rekursgericht ging im Übrigen davon aus, dass nach dem Inhalt des Notariatsakts vom 25. 5. 1996 das dem Antragsteller eingeräumte Aufgriffsrecht (aufschiebend) bedingt war, weil es nach dem Wortlaut des Vertragspunkts 7. davon abhängen sollte, dass die Verwertung der vertragsgegenständlichen Grundstücke nicht innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab Vertragsunterfertigung verwirklicht wurde. Dass die Aufsandungserklärung der Revisionsrekurswerberin mit 1. 6. 2001 als Anfangstermin befristet (und nicht etwa ein Hinweis auf diese Bedingung aufgenommen) wurde, steht in gewissem Widerspruch dazu und macht die Vereinbarung unklar und damit auslegungsbedürftig. Dazu kommt, dass die im Vertragspunkt 7. genannte „Verwertung“ der vertragsgegenständlichen Grundstücke laut Vertragspunkt 6. nicht nur in einer Veräußerung, sondern etwa auch in der Vereinbarung langfristiger Bestandverträge liegen hätte können, sodass dem Argument des Rekursgerichts, schon aus dem Grundbuchstand bei Einreichung des Antrags ergebe sich, dass eine Verwertung nicht erfolgt sein konnte, eine ausreichende Grundlage fehlt. Die Einräumung von Bestandrechten an Grundstücken muss ja nicht zwingend zu einer Eintragung im Grundbuch führen. Nicht zuletzt könnte die bereits erwähnte Abschreibung eines Grundstücks bzw von Teilflächen eines Grundstücks vom Gutsbestand ihre Grundlage in einer „Verwertung“ im Sinn des Notariatsakts vom 25. 5. 1996 gehabt haben. Im Ergebnis hat das Erstgericht den Grundbuchsantrag daher zu Recht abgewiesen.
[14] 4. Einer Erörterung weiterer Abweisungsgründe (§ 95 Abs 3 GBG) – etwa der behaupteten Verjährung – bedarf es nicht, weil aufgrund der vorgelegten Urkunden eine Wiederholung des Grundbuchsgesuchs nicht in Betracht kommt (RS0060544). Bereits aufgrund der mehrfachen Unklarheiten in den als Eintragungsgrundlage vorgelegten Urkunden, die deren Auslegungsbedürftigkeit begründen, war vielmehr dem Revisionsrekurs stattzugeben und der erstinstanzliche Beschluss auf Abweisung des Grundbuchantrags wiederherzustellen.
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