OGH 5Ob148/92

OGH5Ob148/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragstellerin H*****, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Georg Brunner, öffentlicher Notar in Salzburg, wegen grundbücherlicher Eintragungen ob der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 6.Juli 1992, AZ 22 R 341/92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 5.Mai 1992, TZ 4878/92, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte über Antrag der Antragstellerin (= Alleineigentümerin der im Kopf dieser Entscheidung genannten Liegenschaft) die Einverleibung zweier Pfandrechte im gleichen Rang zur Sicherung zweier verschiedener Forderungen einer Bausparkasse und wies das Mehrbegehren, bei diesen Pfandrechten jeweils die Verpflichtung zur vorbehaltslosen Löschung im Tilgungsfalle anzumerken, mit der Begründung ab, bei Bestellung des Pfandrechtes könne auf das Verfügungsrecht über die Hypothek nicht verzichtet werden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung unter Hinweis auf die Lehre (Klang in Klang2 II 534; Petrasch in Rummel2, Rz 1 zu § 469 a) und die jüngere Rechtsprechung des LGZ Wien (NZ 1990, 43/165) damit, daß die dem Schutz des Pfandschuldners vor der wirtschaftlichen Überlegenheit des Gläubigers dienende Vorschrift des § 469 a ABGB es nicht zulasse, zugunsten zweier gleichrangiger Pfandrechte für denselben Gläubiger die Löschungsverpflichtung anzumerken.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der hier entscheidungswesentlichen Frage vorliege.

Einen Bewertungsausspruch unterließ das Rekursgericht.

Da jedoch gemäß § 57 JN iVm § 60 Abs 2 JN (anzuwenden gemäß § 126 Abs 2 GBG iVm § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG) der Wert des Entscheidungsgegenstandes mit dem Einheitswert festgesetzt werden müßte, wenn dieser niedriger ist als die sicherzustellenden Forderungen, widrigenfalls der Oberste Gerichtshof wegen Verletzung zwingender Bewertungsvorschriften an den Bewertungsausspruch des Gerichtes zweiter Instanz nicht gebunden wäre (MGA JN-ZPO14 § 500 ZPO/E 24; ebenso in Grundbuchssachen JUS EXTRA 1991/916; 5 Ob 49/92), kann der Auftrag an das Rekursgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch hier unterbleiben, weil dem Obersten Gerichtshof der maßgebende Einheitswert (S 449.000) bekannt geworden ist. In dieser Rechtssache übersteigt jede Forderung und auch der Einheitswert der Liegenschaft S 50.000.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die beantragten Anmerkungen der Löschungsverpflichtung zu bewilligen; hilfsweise begehrt die Antragstellerin, die Anmerkung der Löschungsverpflichtung nur bei dem zur Sicherstellung der niedrigeren Forderung einverleibten Pfandrecht zu bewilligen.

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich mit dem hier gegebenen Problem in der Entscheidung vom 10.November 1992, 5 Ob 100/92. Der erkennende Senat gab dort seiner Entscheidung folgende, hier weiterhin aufrecht erhaltene Begründung:

Nach § 469 ABGB ist zur Aufhebung einer Hypothek die Tilgung der Schuld allein nicht hinreichend. Ein Hypothekargut bleibt solange verhaftet, bis die Schuld aus den öffentlichen Büchern gelöscht ist. Bis dahin kann der Eigentümer des Gutes auf Grund einer Quittung oder einer anderen das Erlöschen der Pfandschuld dartuenden Urkunde das Pfandrecht auf eine neue Forderung übertragen,die den Betrag der eingetragenen Pfandforderung nicht übersteigt. Nach § 469 a ABGB kann bei Bestellung des Pfandrechtes auf dieses Verfügungsrecht nicht verzichtet werden. Verpflichtet sich jedoch der Eigentümer einem anderen gegenüber, eine bestimmte Hypothek löschen zu lassen, so kann er über die Hypothek nicht verfügen, wenn diese Verpflichtung im öffentlichen Buch bei der Hypothek angemerkt ist. Unter den "anderen" ist - wie das Rekursgericht zutreffend ausführt - im Regelfall ein Nachhypothekar (wegen seines Vorrückungsrechtes), aber auch jeder andere Buchberechtigte (SZ 61/256) zu verstehen, ja auch derselbe Gläubiger rücksichtlich einer anderen Forderung (siehe Demelius in NZ 1968, 68 [69] mit Billigung der so handelnden Grundbuchspraxis; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 469 a).

Strittig ist hingegen in der - nur vorhandenen - Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz (MGA-Grundbuchsrecht4 § 13 GBG/E 46 und 67) sowie in der Lehre (Petrasch in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 469 a; Demelius in NZ 1968, 68 ff; Schmelz in NZ 1967, 151; Hofmeister in der Besprechung einer in NZ 1990/165 veröffentlichten Entscheidung des LGZ Wien), ob bei gleichzeitiger Bestellung von zwei Pfandrechten für denselben Gläubiger im gleichen Rang bei Bestellung des einen Pfandrechtes auf das Verfügungsrecht über das andere verzichtet werden kann. Das LGZ Wien verneinte dies in der in NZ 1990/165 veröffentlichten Entscheidung mit der auch in der hier zu beurteilenden Rechtssache vom Rekursgericht angeführten Begründung. In der Besprechung dieser Entscheidung beschäftigte sich Hofmeister ausführlich mit dieser Problematik, ging auf die Meinungen von Demelius und Schmelz ein und kam zu folgendem, vom erkennenden Senat gebilligten Ergebnis (NZ 1990, 44 f):

Zu Recht hat zunächst die Rechtsprechung die Zulässigkeit der Anmerkung der Löschungsverpflichtung zugunsten eines mit dem vorrangigen Pfandgläubiger identen Gläubiger der nachfolgenden pfandrechtlich sichergestellten Forderung bejaht. Vom Zweck der Löschungsverpflichtung gemäß § 469 a ABGB war die Gleichstellung des "identen" nachstelligen Hypothekars mit dem nicht identen geboten, weil der erstere im Hinblick auf die Schaffung einer Vorrückungschance nicht schlechter gestellt sein durfte als der letztere.

Das zweite Problem, das eine - wohl ausschließlich von den Bausparkassen (wie auch hier) betriebene - Praxis an die Rechtsprechung herantrug, ist die Eintragung von Löschungsanmerkungen bei zwei oder mehreren gleichrangigen Hypotheken. Mit Recht gab auch hier Demelius dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Interessen Vorrang gegenüber dem Wortlaut ("andern") und widerlegte das von Schmelz vorgetragene Argument, Löschungsanmerkungen zugunsten oder zu Lasten von gleichrangigen Hypotheken seien auch deshalb unzulässig, weil sie im Hinblick auf das Gutachten des Obersten Gerichtshofes (SZ 1/101) überflüssig seien: Dieses Gutachten befaßt sich mit der Frage, welche Rechtsverhältnisse entstehen, wenn der Eigentümer nach Teiltilgung der Hypothekarforderung über den freiwerdenden Stellenteil gemäß § 469 ABGB oder nach den §§ 58 und 59 GBG verfügt, und entschied auf Vorrangigkeit des "alten" Hypothekenteils gegenüber dem auf die neue Forderung übertragenen. Bei vollständiger oder teilweiser Tilgung einer von zwei gleichrangigen Hypotheken kann die bloße Existenz der anderen den Eigentümer an der Ausübung seines Verfügungsrechtes nicht hindern. Verweigert man daher dem Inhaber zweier gleichrangiger Hypotheken jegliche Anmerkungsmöglichkeit, so ist er schlechter gestellt als der Hypothekar, dem nur eine Hypothek im Umfang der Summe beider gleichrangiger Hypotheken zusteht, weil der Inhaber bloß einer Hypothek mit dem noch aushaftenden Teil gegenüber Neuverfügungen bzw Vorrückungen stets im Vorrang bleibt. Die Gleichbehandlung erfordert daher die Zulässigkeit der Löschungsanmerkung auch zugunsten des gleichrangigen Hypothekars, weil er im gleichen Maße schutzwürdig ist wie ein "anderer". Freilich muß der Hypothekar dann dafür sorgen, daß der Eigentümer zuerst die der Löschungspflicht unterworfene Hypothek tilgt und erst darnach die verpflichtungsfreie.

Nach Demelius wäre aus dem Blickwinkel des "Doppelhypothekars" zweiffellos die perfekteste Lösung, wechselseitige Löschungsverpflichtungen auf beiden gleichrangigen Hypotheken zuzulassen, weil dem Hypothekar in einem solchen Fall vereinbarungswidrige Tilgungen durch den Eigentümer nicht zum Nachteil gereichen können. Der neuerlich anzustellende Vergleich mit dem Inhaber bloß einer Hypothek über den Gesamtbetrag der beiden Teilhypotheken aber läßt klar erkennen, daß wechselseitige Löschungsverpflichtungen und -anmerkungen nicht bloß eine Gleichstellung, sondern eine Besserstellung des Gläubigers bewirken und damit eine ungerechtfertigte Schlechterstellung des Eigentümers. Der Eigentümer könnte nämlich von seinem Verfügungsrecht überhaupt erst dann Gebrauch machen, wenn die beiden gleichrangigen Hypotheken vollständig getilgt wären. Damit läge dasselbe Ergebnis vor, wie wenn der Eigentümer dem Inhaber der einen Hypothek über den Gesamtbetrag gegenüber schon bei der Bestellung auf sein Verfügungsrecht verzichtet hätte. Damit wäre aber der selbst bei restriktivster Interpretation des § 469 a ABGB eindeutig als "harter Kern" übrigbleibende Regelungsinhalt ausgeschaltet, daß nämlich nicht zugunsten des Hypothekars, für den die Hypothek bestellt wird, anläßlich der Bestellung auf das Verfügungsrecht verzichtet werden kann.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß es in Rücksicht auf § 469 a ABGB zwar gestattet ist, anläßlich der Bestellung zweier gleichrangiger Hypotheken eine mit einer Löschungsverpflichtung zu belegen, nicht aber beide; bei mehreren ist so vorzugehen, als ob sie untereinander in einem Rangverhältnis stünden, wobei sich dieses nach der vom Antragsteller frei bestimmbaren Reihenfolge der Eintragungen richtet.

Diesen überzeugenden Ausführungen Hofmeisters, denen der erkennende Senat folgt, ist nichts hinzuzufügen.

In der hier zu beurteilenden Rechtssache ist weder vom Antragsteller im Grundbuchsgesuch noch vom Pfandgläubiger in den Pfandbestellungsurkunden eine Reihenfolge der beiden Hypotheken vorgesehen. Es kann daher bei keiner die Anmerkung der Löschungsverpflichtung bewilligt werden. Dies würde nämlich gegenüber dem Begehrten nicht ein minus, sondern ein aliud darstellen. Da für die Beurteilung des Grundbuchsgesuches ausschließlich der in § 93 GBG genannte Zeitpunkt des Einlangens des Ansuchens beim Grundbuchsgericht maßgeblich ist, kann auf den erst im Rechtsmittelverfahren gestellten Eventualantrag auf Bewilligung der Anmerkung der Löschungsverpflichtung nur bei dem Pfandrecht per S 285.000 - überdies eine unzulässige Neuerung - nicht Rücksicht genommen werden.

Der Oberste Gerichtshof vermag in der Bestimmung des § 469 a ABGB keine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Gleichheitsgrundsatzes zu erkennen. Der an sich verfassungsrechtlich unbedenkliche Schutzzweck der Bestimmung des § 469 a ABGB erfordert - wie die oben wiedergegebene Interessenabwägung durch Hofmeister zeigte - die unterschiedliche Behandlung zweier verschiedener Gläubiger mit Hypotheken im gleichen Rang gegenüber bloß ein und demselben Gläubiger mit zwei Pfandrechten im gleichen Rang. Damit ist diese im Wege der Auslegung gewonnene Differenzierung sachlich gerechtfertigt und erscheint unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes unbedenklich.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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