Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.142,61 (darin EUR 357,10 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Josef R***** und Birgit W***** schlossen am 3. 9. 1986 einen Vertrag; die beiden standen insofern in einer Beziehung zueinander, als Josef R***** der Sachwalter von Johann S***** war, der wiederum am 30. 1. 1986 mit einem notariellen Testament Birgit W***** zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Die Klägerin ist die Alleinerbin des mittlerweile verstorbenen Josef R*****, der Beklagte hat den Vertrag als Rechtsanwalt formuliert und die Vertragsteile beraten.
Der Vertrag lautet in den wesentlichen Teilen wie folgt:
"Präambel
Josef R***** ist Sachwalter des Johann S*****, der bei Frau Birgit W***** wohnhaft ist.
Birgit W***** ist auf Grund eines Testaments als Alleinerbin zum Nachlass des Johann S***** berufen.
I)
Unter der ausdrücklichen Bedingung, dass einer der Vertragsteile oder deren Erben im Zeitpunkt des Ablebens des Johann S***** als Alleinerben berufen sind, verpflichten sich die Vertragsteile mit Wirksamkeit für sich und ihre Erben, dem jeweils anderen Vertragsteil oder dessen Erben bestimmte Liegenschaften aus dem Nachlass laut Vertragspunkt II) und III) unentgeltlich innerhalb eines Jahres nach Einantwortung zu übereignen bzw einen verbücherungsfähigen Vertrag zur Übereignung zu unterfertigen.
II)
Josef R***** erhält nachfolgende Liegenschaften: (Es folgen 22 Grundstücke).
III)
Frau Birgit W***** erhält nachfolgende Liegenschaften: (Es folgen 46 Grundstücke).
IV)
Sind im Zeitpunkt des Erbanfalls die oben angeführten Liegenschaften nicht mehr vollständig im Eigentum des Erblassers Johann S*****, so gilt folgendes:
1) Fehlen Liegenschaften, die Josef R***** zufallen sollen, so findet kein Ausgleich statt.
2) Fehlen Liegenschaften, die Birgit W***** zufallen sollen, so fallen ihr dafür im Ausmaß und in der Güte annähernd gleich große Grundstücke zu, die Herrn Josef R***** gemäß Vertragspunkt II) zukommen. Sollten fehlende Liegenschaften allerdings an Frau W***** übergeben worden sein, findet kein Ausgleich statt.
3) Sind Liegenschaften durch Kosten für Alters- oder Pflegeheim belastet, haben diese Lasten ungeachtet des Umstandes, welche Liegenschaften belastet sind, die Vertragsteile zu gleichen Teilen zu tragen. Das gleiche gilt, wenn der Nachlass auf Grund dieser Kosten überschuldet ist.
V)
Die Vertragsteile sind in Kenntnis des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB, wonach ein Vertrag dann nichtig ist, wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird. Sie halten allerdings fest, dass sie den vorliegenden Vertrag lediglich über bestimmte Sachen für den Fall, dass sie tatsächlich diese Sachen erben, schließen."
Johann S***** starb, ohne dass er sein Testament geändert hatte. Birgit W***** wurde Alleinerbin. Sie weigert sich aber, der Klägerin (Rechtsnachfolgerin des Josef R*****) die Liegenschaften laut Punkt II) des Vertrages herauszugeben.
Die Klägerin begehrt in ihrer Klage den Ersatz des Wertes dieser Liegenschaften und bringt dazu vor, der Vertrag sei zwar nicht sittenwidrig, er sei aber deswegen unwirksam, weil er nicht als Notariatsakt errichtet worden sei. Der Vertrag enthalte nämlich eine Schenkung ohne wirkliche Übergabe. Der Beklagte hätte als Rechtsanwalt die Vertragsteile darüber informieren müssen, dann wäre der Vertrag als Notariatsakt errichtet worden. In diesem Fall wäre Birgit W***** verpflichtet, die Liegenschaften herauszugeben. Für den Entgang dieser Liegenschaften hafte der Beklagte.
Der Beklagte wendete ein, der Vertrag sei sittenwidrig gewesen, wobei er die Vertragsteile darauf aufmerksam gemacht hätte und sie das Risiko eingegangen wären. Auch wenn der Vertrag als Notariatsakt errichtet worden wäre, wäre er sittenwidrig, sodass auch ein Alternativverhalten auf seiner Seite nicht dazu geführt hätte, dass Josef R***** (oder die Klägerin als dessen Rechtsnachfolgerin) einen wirksamen Anspruch auf Herausgabe der Liegenschaften erworben hätte. Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, dass der Anspruch dem Grunde nach besteht, und führte dazu aus, der Vertrag sei nicht sittenwidrig, hingegen sei das Formerfordernis des Notariatsakts nicht erfüllt worden. Der Beklagte hafte daher für die Erfüllung des Vertrages.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, und führte folgendes aus:
"Vorerst entscheidend ist, ob der zitierte Vertrag nach § 879 Abs 2 Z 3 ABGB nichtig ist oder nicht. Nach dieser Bestimmung ist ein Vertrag nichtig, 'wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhofft, noch bei Lebzeiten derselben veräußert wird'. Das Erstgericht hat diese Bestimmung teleologisch reduziert und kam zum Ergebnis, der Vertrag sei deswegen nicht nichtig, weil bestimmte Gegenstände (hier: Grundstücke) aus der erhofften Erbschaft veräußert worden waren. Damit schloss sich das Erstgericht einer Rechtsmeinung an, für die - soweit überblickbar - in Österreich eine Rechtsprechung fehlt, die sich aber auf die Lehre stützt, wobei im Wesentlichen stets auf Ehrenzweig, Schuldrecht2, 165, zurückgegriffen wird. Krejci in Rummel3, Rz 210 zu § 879 ABGB, verweist auf Ehrenzweig. Gschnitzer in Klang2, IV/1, 193, verweist ebenfalls auf Ehrenzweig, teilt aber diese Meinung nicht. Ehrenzweig wieder zieht als Argument für seine These § 366 zweiter Satz ABGB heran.
Das Erstgericht bezieht sich auch auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung zu § 312 BGB, wobei der dortige Meinungsstand bei Staudinger/Wufka (2001), § 312, Rn 11, nachzulesen ist; dort sind auch die Meinungen zitiert, die sich der vom Erstgericht eingenommenen Ansicht nicht anschließen.
In der österreichischen Rechtsprechung ist keine Entscheidung auffindbar, die sich dieser teleologischen Reduktion anschließen würde. Im Gegenteil liegen zwei Entscheidungen des OGH vor, die den Wortlaut des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB uneingeschränkt anwenden: EvBl 1966/50 = 6 Ob 59/65 und NZ 1992, 70 = 7 Ob 531/90. Auch das Berufungsgericht sieht keinen Anlass, im vorliegenden Fall § 879 ABGB reduzierend auszulegen.
Der Verweis Ehrenzweigs auf § 366 zweiter Satz ABGB überzeugt deshalb nicht, weil dort der Fall naheliegt, bei dem der Veräußerer die Sache, deren Eigentümer er noch nicht ist, schon in seiner Gewahrsame hat und sie übergibt. Diese Bestimmung zielt auch nur darauf ab, einem Veräußerer die Eigentumsklage zu verweigern, der die Sache schon vor Erlangung des Eigentums veräußert hat; sie hat somit einen anderen Regelungszweck als § 879 Abs 2 Z 3 ABGB, der verhindern will, dass schon zu Lebzeiten des Erblassers über sein Vermögen verfügt wird und dass andererseits der Leichtsinn desjenigen ausgenützt wird, der leichtfertig auf etwas verzichtet, was er noch gar nicht hat.
§ 879 Abs 2 Z 3 ABGB im vorliegenden Fall zu reduzieren wäre auch deswegen besonders unbillig, weil die beiden Partner des Vertrages schließlich das (offenkundig:) gesamte Vermögen des Erblassers schon zu dessen Lebzeiten unter sich aufgeteilt haben. Denn obwohl es darüber keine Feststellungen gibt, hat das Berufungsgericht keine Zweifel daran, dass weitere nennenswerte Vermögenswerte des besachwalterten Erblassers nicht vorhanden waren, vor allem keine weiteren Grundstücke, denn es wäre nicht logisch, bestimmte noch weitere vorhandene Grundstücke in den Vertrag nicht aufzunehmen. Auch andere Vermögensgegenstände sind nicht zu vermuten. Dabei ist auch zu bedenken, dass beide Teile des Vertrags jene Menschen waren, die dem Erblasser am nächsten gestanden sind. Der eine Teil war sein Sachwalter, und Frau W***** stand dem Erblasser offenbar so nahe, dass er sie zur Alleinerbin einsetzte. Angesichts des relativ knapp nach der Testamentserrichtung geschlossenen Vertrags hatten also diese beiden Personen höchstes Interesse daran, dass der Erblasser seinen letzten Willen nicht ändern würde, etwa eine dritte Person zum Erben einsetzt. Dadurch entstand für die letzten Lebensjahre des Erblassers eine Situation, bei der er von Personen umgeben war, die kein Interesse an der Freiheit seines letzten Willens hatten (die durch die Besachwalterung ohnedies schon formell eingeschränkt war).
Aus der Sicht des Sachwalters ergab sich bei dieser Konstellation auch der Vorteil, dass er etwa die Hälfte des Vermögens 'erben' (hier nicht im juristischen Sinn verwendet) konnte, ohne sich selbst zum Erben einsetzen lassen zu müssen. Dies wäre auch bei seiner Eigenschaft als Sachwalter schwierig gewesen, jedenfalls wäre es (unbeschadet allfälliger rechtlicher Probleme - es wäre an einen Kollisionsfall zu denken) von einer unschönen Optik begleitet gewesen.
Das Berufungsgericht sieht daher keinen Grund, § 879 Abs 2 Z 3 ABGB 'teleologisch zu reduzieren'.
Das hat zur Folge, dass der Vertrag als nichtig anzusehen ist. Der Rechtsvorgänger der Klägerin hätte somit keinen Anspruch auf Herausgabe der Liegenschaften erworben, wobei hier vorerst gleichgültig ist, ob die Meinung des Beklagten vertretbar war, es sei möglich, dass dieser Vertrag nicht als nichtig angesehen wird. Wie der Berufungswerber richtig ausführte, kann der Klägerin im Fall der Nichtigkeit des Vertrages jedenfalls nicht das Erfüllungsinteresse, sondern allenfalls das Vertrauensinteresse zustehen. Darauf hat der Beklagte schon in I. Instanz ausdrücklich hingewiesen. Die Klägerin hätte also Gelegenheit gehabt, ihr Klagebegehren (denkbarer Weise auch eventualiter) umzustellen. Sie hat diese Möglichkeit nicht genützt, sondern ihr Begehren auf das Erfüllungsinteresse aufrecht erhalten.
Da auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten des Beklagten, das nur darin bestanden haben könnte, den Vertrag überhaupt nicht (und nicht darin, einen sittenwidrigen Notariatsakt) schließen zu lassen, kein Anspruch auf die Liegenschaften zustünde, war die Klage abzuweisen.
Dabei kann offen bleiben, ob der Vertrag ein Glücksvertrag oder ein Vertrag über eine Schenkung ohne Übergabe ist.
Die Revision war zuzulassen, weil eine (jüngere) Rechtsprechung über die Auslegung von § 879 Abs 2 Z 3 ABGB bei der Veräußerung von bestimmten Sachen fehlt."
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Eine relevante Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Eine Aktenwidrigkeit kann zwar gegeben sein, wenn für eine Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht, nicht aber dann, wenn eine Feststellung durch Schlussfolgerung gewonnen wurde (Kodek in Rechberger2 § 503 ZPO Rz 4 mwN). Abgesehen davon kommt es für die rechtliche Beurteilung nicht darauf an, ob das Nachlassvermögen durch die in der strittigen Vereinbarung genannten Liegenschaften "erschöpft" wurde.
In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, § 879 Abs 2 Z 3 ABGB sei auf die Veräußerung einzelner Nachlassgegenstände nicht anwendbar.
Der erkennende Senat hält demgegenüber das Urteil des Berufungsgerichtes und dessen Begründung für zutreffend, weshalb es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Rechtsmittelausführungen ist kurz noch folgendes entgegenzuhalten:
Für die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes spricht zunächst, dass § 879 Abs 2 Z 3 ABGB ausdrücklich auch die Veräußerung eines von einer dritten Person erhofften Vermächtnisses nennt. Vermächtnisse haben aber typischerweise die Zuwendung einzelner Sachen zum Gegenstand (vgl § 535 ABGB). Die von der Rechtsmittelwerberin zitierte deutsche Lehre, derzufolge Vereinbarungen über einzelne Nachlassgegenstände gültig sind, setzt sich hier über den Gesetzeswortlaut teilweise ausdrücklich hinweg (Wufka in Staudinger [2001] § 312 BGB Rn 11, 17). Die Gründe der Norm sind teils ethischer, teils wirtschaftlicher Natur: Einerseits soll der Spekulation auf den Tod eines Dritten (Erbschleicherei), andererseits der Ausbeutung des Leichtsinns entgegengewirkt werden (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 192; Krejci in Rummel3 § 879 ABGB Rz 210; Apathy in Schwimann2 § 879 ABGB Rz 18). Gerade der vorliegende Fall eines Vertrages zwischen dem Sachwalter des Erblassers und der Testamentserbin ist - wie schon der Darstellung des Berufungsgerichtes entnommen werden kann - für die Bedeutung des ethischen Aspektes illustrativ. Dieser hat gegenüber dem wirtschaftlichen - entgegen der von der Rechtsmittelwerberin zitierten deutschen Lehre (Wufka aaO Rn 2) - nicht in den Hintergrund zu treten; vielmehr kommt er auch bei Vereinbarungen über einzelne Gegenstände eines künftigen Nachlasses zum Tragen.
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass auch der vorliegende, über einzelne (bestimmte) Sachen des Erblassers zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag unter § 879 Abs 2 Z 3 ABGB fällt (so schon Gschnitzer aaO; vgl EvBl 1966/50).
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen. Auf die Frage der Notariatsaktspflicht muss nicht mehr eingegangen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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