OGH 5Ob143/05y

OGH5Ob143/05y4.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. Mag. Gerhard G*****, und 2. Gertrude G*****, beide ***** vertreten durch Koller & Schreiber Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Christoph K*****, und 2. Herbert V*****, dieser vertreten durch Dr. Olaf Borodajkewycz, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 10 MRG (§§ 18 ff MRG), über den Revisionsrekurs des Zweitantragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Dezember 2004, GZ 41 R 212/04m-15, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 15. Juni 2004, GZ 9 Msch 37/03b-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragsteller begehren die Erhöhung des Hauptmietzinses in einem Ausmaß, als es zur Finanzierung der nicht gedeckten Erhaltungskosten notwendig sei. Die an die Antragsgegner vermieteten Wohnungen lägen in einem Zweifamilienhaus. Da der Hauptmietzins die Einhebung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages rechtfertige, sei bei nicht gedeckten Erhaltungsarbeiten eine Mietzinserhöhung analog §§ 18 ff MRG zulässig.

Der Zweitantragsgegner beantragte die Abweisung des Antrages im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich im Haus zwar mehr als zwei selbständige Wohnungen befänden, sodass die Mietverhältnisse daher in den Vollanwendungsbereich des MRG fielen, der Zweitantragsgegner jedoch Mieter einer Wohnung Kategorie D sei. Die zu erwartenden Kosten würden die zu erwartenden Mietzinseinnahmen nicht übersteigen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es stellte fest, dass sich im Haus der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung lediglich zwei selbständige Wohneinheiten befanden. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Ausnahmetatbestands nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG sei jener der Antragstellung. Eine analoge Anwendung der §§ 18 ff MRG sei ausgeschlossen. Wenn der Mietzins frei vereinbart werde, fielen unzureichende Vereinbarungen dem Vermieter als „Unternehmerrisiko" zur Last. Der Entscheidung 6 Ob 516/93 sei nicht zu folgen, da die Nichtgeltung der §§ 18 ff MRG ausdrücklich angeordnet sei. Es liege keine eine Analogie rechtfertigende Gesetzeslücke vor.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller im Sinne des Aufhebungsantrages Folge. Es teilte zwar die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die §§ 18 ff MRG auf Objekte, die unter § 1 Abs 4 Z 2 MRG idF vor der Mietrechtsnovelle 2001 fielen, nicht analog anzuwenden seien. Die Ratio des § 1 Abs 4 MRG aF sei gerade die Ausschaltung der Mietzinsbildungsvorschriften des MRG zugunsten und zu Lasten des Mieters. Sollte das Wohnhaus daher unter den Teilanwendungsbereich des § 1 Abs 4 MRG aF fallen, dies sei aber im Gegensatz zur Rechtsansicht des Erstgerichtes nach dem Zeitpunkt der Mietvertragsabschlüsse zu prüfen, sei der Antrag abzuweisen. Dazu fehlten aber noch Feststellungen. Das Erstgericht habe zu prüfen, wann die beiden Mietverträge abgeschlossen worden seien und ob zu diesem Zeitpunkt die beiden Bestandobjekte in den Vollanwendungsbereich des MRG gefallen seien oder nicht. Sollte dies für beide Objekte zu verneinen sein, so bleibe es bei der Abweisung des Antrages mangels Anwendbarkeit der Mietzinsregelungen des MRG. Sollten die Bestandobjekte im Vollanwendungsbereich des MRG liegen, müsste der Sachantrag inhaltlich geprüft werden. Dies treffe auch dann zu, wenn nur eines der beiden Objekte in den Vollanwendungsbereich fiele.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, da die rekursgerichtliche Entscheidung im Widerspruch zur Entscheidung 6 Ob 516/93 stehe. Es fehle auch an oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Durchführung eines Mietzinserhöhungsverfahrens nach § 18 MRG bei einer Liegenschaft, hinsichtlich derer nur einzelne von mehreren Mietobjekten unter den Vollanwendungsbereich des MRG fielen.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Zweitantragsgegners mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluss wieder herzustellen.

Die Antragsteller beantragen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber im Ergebnis (es bleibt bei der Aufhebung) nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, dass für die Beurteilung, ob ein Ausnahmetatbestand nach § 1 Abs 4 MRG aF vorliegt, der Zeitpunkt der Vermietung relevant ist (RIS-Justiz RS0079363). Feststellungen dazu fehlen, sodass eine Verfahrensergänzung unumgänglich ist. Den übrigen Ausführungen des Rekursgerichtes für den Fall, dass sich keine Vollanwendung des MRG ergebe, ist hingegen nicht zu folgen.

§ 1 Abs 2 Z 5 MRG idF der Mietrechts-Novelle 2001 normiert eine Vollausnahme von den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes für Mietgegenstände, die in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen oder Geschäftsräumen liegen. Diese Bestimmung ist nicht auf Mietverträge anzuwenden, die - wie hier offenbar unstrittig - vor dem 31. 12. 2001 abgeschlossen wurden (§ 49d Abs 2 MRG). Auf die Bestandverhältnisse ist daher - wovon alle Beteiligten ausgehen - die alte Rechtslage nach § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF und damit - und das übersehen die Vorinstanzen - nach ausdrücklicher Anordnung auch § 45 MRG anzuwenden.

In § 45 Abs 5 MRG aF war geregelt, dass für den Fall, dass der Vermieter für die in § 1 Abs 4 Z 1 oder Z 2 MRG genannten Mietgegenstände den Erhaltungs- oder Verbesserungsbeitrag begehrt, die Bestimmungen des 1. Hauptstücks mit Ausnahme der Bestimmungen über die Mietzinsbildung nach § 16 Abs 2 bis 7 und 10 MRG und über die Richtwerte nach dem Richtwertgesetz anzuwenden sind, also auch die §§ 18 ff MRG. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass in dem Fall, dass dem Vermieter die Möglichkeit offensteht, nach § 45 MRG einen Erhaltungsbeitrag zu verlangen, die §§ 18 ff MRG über die Hauptmietzinserhöhung analog auch ohne Einhebung eines Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages anzuwenden sind (5 Ob 112/05i; 5 Ob 516/93; 5 Ob 619/89). Nur wenn das Verlangen eines Erhaltungsbeitrages wegen der Höhe des vereinbarten Hauptmietzinses nicht zulässig wäre, der vereinbarte Hauptmietzins aber dennoch zur Erhaltung des Hauses nicht ausreichte, käme eine Änderungskündigung in Betracht (5 Ob 112/05i; 5 Ob 619/89; RIS-Justiz RS0069427, RS0069421).

Daran hat sich - wie der Oberste Gerichtshof jüngst zu 5 Ob 112/05i ausgesprochen hat - durch die Mietrechts-Novelle 2001 nichts geändert. Der Widerspruch in den Übergangsbestimmungen nach § 49d Abs 1 und 2 MRG hinsichtlich der §§ 1 Abs 2 Z 5 und 45 Abs 3 MRG ist so zu lösen, dass für Mietgegenstände, auf die weiter § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF anzuwenden ist, auch § 45 Abs 3 MRG nF (gleich wie für Mietgegenstände nach § 1 Abs 4 Z 1 MRG) weiter gilt. Unterliegen also die Bestandverhältnisse § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF, so sind in dem Fall, dass der Vermieter zu Recht einen Erhaltungsbeitrag nach § 45 MRG verlangen könnte, die §§ 18 ff MRG analog anzuwenden.

Es hat also im Ergebnis bei der Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses zu bleiben.

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