Spruch:
Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat das Unterbleiben eines Bewertungsausspruches damit begründet, daß über eine Bestandstreitigkeit im Sinne des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO entschieden wurde. Dem ist nicht zu folgen.
Vorauszuschicken ist, daß der Oberste Gerichtshof an prozessual unzulässige Bewertungsaussprüche des Berufungsgerichtes nicht gebunden ist (Arb 8.033; MietSlg 18.677 ua; Petrasch, ÖJZ 1985, 294 f). Das hat auch dann zu gelten, wenn das Berufungsgericht durch die gesetzwidrige Verweigerung eines Bewertungsausspruches in die zwingende Regelung der Revisionszulässigkeit eingreift (vgl Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1830). Insoweit ist dem Berufungsgericht jegliche Einflußnahme auf die Anfechtbarkeit seiner Entscheidung funktionell versagt (vgl MietSlg 9.916), sodaß ihm die Nachholung eines zunächst abgelehnten, für die Prüfung der Revisionszulässigkeit jedoch unumgänglichen Bewertungsausspruches aufgetragen werden kann (vgl 2 Ob 105/59; 1 Ob 246/60).
In der Sache selbst sieht § 502 Abs 3 Z 2 ZPO die streitwertunabhängige Revision nur für Streitigkeiten aus den in § 49 Abs 2 Z 5 JN aufgezählten Bestand- und genossenschaftlichen Nutzungsverträgen vor, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Vertrages entschieden wird. Mit dieser bewußten Anlehnung an den seit jeher gebräuchlichen Begriff der Bestandstreitigkeit wollte der Gesetzgeber der Zivilverfahrensnovelle 1983 das Entstehen neuer Abgrenzungsprobleme vermeiden und an der Regel festhalten, daß wie bisher an das Vorliegen eines Bestandvertrages angeknüpft werden soll. Voraussetzung für die Anwendung der Zuständigkeitsbestimmung des § 49 Abs 2 Z 5 JN, auf die wiederum § 502 Abs 3 Z 2 ZPO verweist, ist daher grundsätzlich, daß ein Streit zwischen den Parteien eines Bestandvertrages zu entscheiden ist (MietSlg 36.728; EvBl 1992/44).
Räumungsklagen sind folgerichtig nach jahrzehntelang beachteten Judikaturgrundsätzen nur dann als Bestandstreitigkeiten im Sinne des § 49 Abs 2 Z 5 JN anzusehen, wenn sie aus der Beendigung eines Bestandverhältnisses resultieren (MietSlg 16.639; MietSlg 30.648; JBl 1980, 103; MietSlg 35.729 ua; vgl Fasching I, 302 f). Seitdem auch Streitigkeiten über das Bestehen eines Bestandvertrages in die Eigenzuständigkeit des Bezirksgerichtes fallen, werden zwar auch Leistungsansprüche aus dem behaupteten Nichtzustandekommen eines Bestandverhältnisses dem Zuständigkeitstatbestand des § 49 Abs 2 Z 5 JN zugeordnet (WoBl 1991, 67/55; RZ 1992, 289/94; 6 Ob 631/91), doch muß in allen diesen Fällen der Zusammenhang mit dem Problem des Bestehens eines Bestandverhältnisses gewahrt sein.
Noch nicht ausdiskutiert ist, ob sich die den Bezirksgerichten durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 zugewiesene Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Bestandvertrages als Hauptfrage (so offensichtlich Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 249 und 1887/1) oder bloß als Vorfrage stellen muß (vgl WoBl 1991, 67/55; RZ 1992, 289/94; 6 Ob 631/91; vgl auch EvBl 1992/44). Selbst jene Entscheidungen, in denen eine Bestandstreitigkeit schon wegen der strittigen Vorfrage des Bestehens eines Bestandverhältnisses angenommen wurde, gehen jedoch davon aus, daß die Behauptungen des Klägers eine derartige Klarstellung erforderten.
Tatsächlich ist bei der Zuständigkeitsprüfung von den Behauptungen des Klägers auszugehen (MietSlg 28.545; JBl 1980, 211; WoBl 1991, 67/55; RZ 1992, 289/94 ua). Einen Rückgriff auf die Einwendungen des Beklagten läßt die Judikatur in diesem Zusammenhang nur dann zu, wenn dadurch ein auslegungsbedürftiges Vorbringen des Klägers verdeutlicht werden kann (vgl SZ 18/61; JBl 1980, 103). Gleiches hat - schon wegen der Verweisung auf den Zuständigkeitstatbestand des § 49 Abs 2 Z 5 JN - für die Frage zu gelten, ob der in § 502 Abs 3 Z 2 ZPO angeführte Ausnahmefall einer streitwertunabhängigen Revisionszulässigkeit vorliegt (vgl MietSlg 15.634; MietSlg 22.628; MietSlg 28.609; SZ 53/137 ua; Fasching, Ergänzungsband, 71; abw. nur 7 Ob 1577/91).
Im gegenständlichen Fall hat der Kläger sein Räumungsbegehren auf die Behauptung gestützt, die Beklagte habe (in ihrer Eigenschaft als Mit- und Wohnungseigentümerin) mit dem seinerzeitigen Verwalter der Wohnungseigentumsanlage eine jederzeit widerrufliche, jetzt vom Kläger tatsächlich widerrufene Benützungsvereinbarung über den streitgegenständlichen PKW-Abstellplatz in der an sich der allgemeinen Benützung dienenden Garage abgeschlossen. Ein derartiges Benützungsverhältnis, das - nach dem Klagsvorbringen völlig unzweifelhaft - aus dem Miteigentumsrecht der Beklagten abgeleitet wird, ist kein Bestandvertrag (Fasching I, 302 f), weshalb entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes keine Bestandstreitigkeit im Sinne des § 502 Abs 3 Z 2 ZPO vorliegt. Auch die Bewertungsvorschrift des § 58 Abs 2 JN kommt hier nicht zur Anwendung (AnwBl 1992, 674 mwN).
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