European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00110.16M.0711.000
Spruch:
Die Akten werden dem Rekursgericht zurückgestellt.
Begründung
Auf der Liegenschaft EZ 1***** ist ein Gebäude mit 14 Wohnungen errichtet. Es handelt sich um ein sogenanntes „Mischhaus“, in dem nur an neun Wohnungen Wohnungseigentum begründet ist. Unmittelbar an die Nordgrenze des Grundstücks 35/18 der Liegenschaft EZ 1***** schließt eine Terrasse an, die zur Gänze auf dem Grundstück 35/37 der Liegenschaft EZ 3***** errichtet ist. Nicht alle Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 1***** sind schlichte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 3*****. Der Elftantragsgegner und die Zwölftantragsgegnerin zählen zu den Mit‑ und Wohnungseigentümern der EZ 1*****, sind aber nicht schlichte Miteigentümer der EZ 3*****.
Die Antragsteller begehren nach §§ 838a iVm 833 ff ABGB sowie § 52 Abs 1 Z 2 und 3 WEG in Ansehung dieser Terrasse die Bewilligung der Erneuerung sowie der Sondernutzung mit der Auflage, die Terrasse auf eigene Kosten instand zu halten und zu pflegen, in eventu gegen Bezahlung eines angemessenen jährlich 1.000 EUR nicht übersteigenden Benutzungsentgelts.
Das Erstgericht wies den (Eventual‑)Antrag gegen den Elftantragsgegner und die Zwölftantragsgegnerin ab und bewilligte in Ansehung der übrigen Antragsgegner die Erneuerung sowie die Sondernutzung der Terrasse unter bestimmten Auflagen. Die Abweisung wurde nicht bekämpft und rechtskräftig.
Das Rekursgericht wies Antrag und Eventualantrag auch gegen die übrigen Antragsgegner ab. Die Antragsteller seien nicht zur Sondernutzung des mit der Terrasse verbauten Teils des Grundstücks 35/37 der Liegenschaft EZ 3***** berechtigt. Die von ihnen behauptete Benützungsvereinbarung liege nicht vor. Die ursprüngliche nur gepflasterte Terrasse sei nicht erneuert, sondern völlig umgestaltet und durch eine mit zwei Betonpfeilern im Boden verankerte Terrasse samt Geländer in Holzbauweise ersetzt worden. Dies beeinträchtige nicht nur das Gebäude auf der EZ 1*****, sondern auch die Liegenschaft EZ 3*****. Diese ausschließlich im Einzelinteresse der Antragsteller erfolgten Baumaßnahmen auf einem ihnen nicht zugewiesenen Teil der Liegenschaft EZ 3***** führten zu einer endgültigen substanziellen Veränderung der Gemeinschafts‑ oder Anteilsrechte. Das Begehren lasse sich weder unter § 16 Abs 2 WEG 2002 noch unter die §§ 834 ff ABGB subsumieren. Es liege eine Verfügung über das Gemeinschaftsgut im Sinne des § 828 ABGB vor, die der Einstimmigkeit bedürfe und bei der die fehlende Zustimmung eines Teilhabers nicht durch einen Beschluss des Außerstreitrichters ersetzt werden könne. Selbst wenn die Errichtung der Terrasse als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung im Sinne einer wichtigen Veränderung nach § 834 ABGB zu qualifizieren wäre, wäre damit für die Antragsteller im Ergebnis nichts gewonnen. Der in ihrem alleinigen Interesse vorgenommene Terrassenbau sei vom Standpunkt der Gesamtheit der Miteigentümer dermaßen nachteilig, dass er bei Abwägung der gesamten Interessen zu verbleiben habe. Die bauliche Änderung führe faktisch zu einer Vereinigung der im schlichten Miteigentum stehenden Liegenschaft EZ 3***** mit dem auf der benachbarten Liegenschaft EZ 1***** befindlichen Mit‑ und Wohnungseigentumsobjekt, wobei keine gänzliche Miteigentümeridentität bestehe.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Seinen Bewertungsausspruch stützte es auf § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.
Gegen diese Entscheidung erheben die Antragsteller Zulassungsvorstellung sowie „Revision“ (gemeint: Revisionsrekurs). Sie beantragen die Abänderung des Zulassungsanspruchs.
Das Erstgericht legte den Rechtsmittelschriftsatz dem Obersten Gerichtshof direkt vor, der jedoch derzeit nicht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Regelungen des WEG immer auf eine bestimmte, einzige Liegenschaft abstellen und nicht in ein zwischen den Mit‑ und Wohnungseigentümern verschiedener Liegenschaften bestehendes Rechtsverhältnis eingreifen (RIS‑Justiz RS0082696; 5 Ob 49/16s). Es wurde daher bereits judiziert, dass dann, wenn eine Vereinbarung zwischen Wohnungseigentümern mehrerer Liegenschaften über die Verteilung von Kosten besteht, § 52 WEG keine Regelungskompetenz des Außerstreitgerichts bietet (RIS‑Justiz RS0122485; RS0108572; 5 Ob 49/16s).
2. Die Antragsteller begehren nach dem Inhalt ihres (Eventual‑)Antrags in Ansehung jener Liegenschaft, auf der sich das teils im schlichten Miteigentum, teils im Mit‑ und Wohnungseigentum stehende Gebäude befindet, weder eine Genehmigung der Änderung ihres Wohnungseigentumsobjekts nach § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 noch die Erlassung einer Benützungsregelung nach § 17 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG 2002, wie auch das Rekursgericht erkannt hat.
3. Ihr Begehren auf Sondernutzung einer Terrasse, die sie auf einer anderen, im schlichten Miteigentum nicht aller Mit‑ und Wohnungseigentümer stehenden separaten Liegenschaft errichtet haben, ist damit nicht im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 WEG 2002, sondern im allgemeinen Verfahren Außerstreitsachen zu entscheiden.
4. Nach § 59 Abs 2 AußStrG hat das Rekursgericht im allgemeinen Verfahren Außerstreitsachen auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR (RIS-Justiz RS0125732) übersteigt oder nicht, wenn es – wie hier – den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zulässt und ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Der Revisionsrekurs ist – außer im Fall einer Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 3 AußStrG durch das Rekursgericht – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 62 Abs 3 AußStrG). Das gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG nur dann nicht, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist.
5. Das Verfahren über eine gerichtliche Benützungsregelung ist nach der Rechtsprechung ein solches mit einem Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur (RIS‑Justiz RS0007110 [T14]).
6. Das Rekursgericht hätte daher aussprechen müssen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt oder nicht. Sein auf § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG beruhender, sich daher an der Wertgrenze im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren orientierender Ausspruch reicht nicht aus, um die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 62 Abs 3 AußStrG zu beurteilen
7. Das Rekursgericht hat daher den Bewertungsausspruch in diesem Sinn klarzustellen. Bewertet es den Entscheidungsgegenstand mit einem 30.000 EUR nicht übersteigenden Betrag, wird es über den Antrag auf Abänderung seines Zulässigkeitsausspruchs zu entscheiden haben.
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