OGH 5Ob105/69 (5Ob106/69)

OGH5Ob105/69 (5Ob106/69)25.6.1969

SZ 42/95

Normen

EisbEG §5
EisbEG §8
EisbEG §9
Mietengesetz §19
EisbEG §5
EisbEG §8
EisbEG §9
Mietengesetz §19

 

Spruch:

Nach § 5 EisbEG. braucht sich der Bestandnehmer nicht auf dasjenige zu beschränken, was er nach dem Gesetz oder dem Vertrag auf Grund der vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses vom Bestandgeber als Ersatz verlangen kann; er hat vielmehr Anspruch auf Ersatz aller ihm durch die Aufhebung des Bestandverhältnisses zugefügten Nachteile. Dabei kommt es darauf an, was er außer den angemessenen Übersiedlungskosten noch aufwenden muß, um an Stelle des durch die Enteignung verlorenen Bestandobjektes ein annähernd gleichwertiges zu erlangen. Auch der Bestandnehmer muß sich aber mit der in den §§ 8, 9 EisbEG. vorgesehenen Art der Ersatzleistung - Kapitalabfindung - begnügen.

Entscheidung vom 25. Juni 1969, 5 Ob 105, 106/69.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Die Klägerin und ihr Ende 1966 verstorbener Vater Franz D. waren Mieter je einer Wohnung im alten Sparkassengebäude von H., dessen Eigentümer die beklagte Sparkasse H. war. Dieses Gebäude wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 7. Dezember 1965 zugunsten der Republik Österreich für Straßenbauzwecke enteignet. Die Klägerin mußte ihre Wohnung, in der sie auch ihre Ordination als Fachärztin für Kinderheilkunde ausgeübt hatte, räumen. Sie begehrt mit der vorliegenden Klage den Ersatz vermögensrechtlicher Nachteile im Betrag von 100.000 S. Dieses Begehren schränkte sie schließlich auf den Betrag von 64.025.65 S samt Zinsen ein, der sich aus Barauslagen für zwei Übersiedlungen in der Höhe von 38.175.65 S, aus Mietzinsmehrauslagen für die Zeit vom 8. Dezember 1966 bis 30. Juni 1967 von 3850 S und aus einem Verdienstausfall für die Zeit vom 1. Jänner 1967 bis zum 30. Juni 1968 in der Höhe von 22.000 S zusammensetzt. Sie begehrt außerdem die Feststellung, daß die Beklagte der Klägerin für alle durch den durch die Enteignung des Sparkassengebäudes erzwungenen Auszug aus diesem noch in Zukunft zu erwartenden Schäden zu haften habe.

Die Beklagte wendet ein, die Klägerin habe keinen Nachteil erlitten. Die von der Beklagten angebotene Ersatzwohnung habe sie erst am 1. Juli 1967 bezogen. Dort betreibe sie auch ihre Ordination. Diese neue Wohnung liege in einem großen Wohngebiet, weshalb ein Verdienstentgang durch die Übersiedlung dorthin nicht eingetreten sein könne.

Die Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) trat auf der Seite der Beklagten dem Verfahren als Nebenintervenientin bei.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt und sprach der Klägerin einen Teilbetrag von 62.975.65 S samt Anhang zu; das Mehrbegehren von 1050 S wies es ab. Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Am 12. November 1965 habe eine Verhandlung des Amtes der Salzburger Landesregierung stattgefunden, in deren Verlauf der Vertreter der Beklagten den vom Sachverständigen mit 3.480.000 S geschätzten Verkehrswert des Gebäudes anerkannt, zusätzlich jedoch noch 294.000 S als Ersatz für Übersiedlungskosten und für den Aufwand der Mieter zur Beschaffung gleichwertiger Wohn- und Geschäftslokale begehrt habe. Der Bausachverständige habe jedoch darauf hingewiesen, daß dieser Ersatz im Schätzwert bereits berücksichtigt und hiefür ein Betrag von 300.000 S als angemessen anzunehmen sei. Die Entschädigung habe die Gemeinde H. namens der Republik Österreich an die Beklagte geleistet, und zwar durch Barzahlung eines Betrages von 2.775.00 S und durch Überlassung eines Grundstückes zu einem wesentlich verbilligten Preis.

Die Klägerin sei im Oktober 1966 mit ihren Möbeln in ihre jetzige Wohnung, B. Nr. 294, übersiedelt. Ihre Ordination habe sie noch bis zum 8. Dezember 1966 im alten Sparkassengebäude und anschließend daran in einem Hause am S.-Platz ausgeübt, weil ihr vom Eigentümer des Hauses in der B. Nr. 294 damals die Ausübung der Ordination in der Wohnung noch nicht bewilligt worden sei. Seit dem 1. Juli 1967 übe die Klägerin in diesem Haus auch die Ordination aus. Eine andere zumutbare Möglichkeit der Beschaffung von Ersatzräumen habe sie nicht gefunden. Durch die Übersiedlung seien der Klägerin Barauslagen von insgesamt 38.175.65 S erwachsen, an erhöhten Mietzinsaufwendungen für die Zeit vom 8. Dezember 1966 bis zum 30. Juni 1967 2800 S. Außerdem habe sie in der Zeit vom 1. Jänner 1967 bis zum 30. Juni 1968 einen Verdienstausfall von 22.000 S dadurch erlitten, daß ihre frühere Ordination eine zentralere und daher günstigere Lage gehabt habe und dort auch ein geheizter Vorraum als Abstellmöglichkeit für die Kinderwagen der Patienten vorhanden gewesen sei. Die Aufwendungen seien in der festgestellten Höhe zur Beschaffung von Ersatzräumlichkeiten erforderlich gewesen und seien daher auf Grund des § 5 EisbEG. ebenso zuzusprechen gewesen wie der festgestellte Verdienstausfall. Da noch mit künftigen Verdienstausfällen zu rechnen sei, komme auch dem Feststellungsbegehren Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufungen der Beklagten und der Nebenintervenientin, soweit sie Nichtigkeit wegen angeblicher Unzulässigkeit des Streitverfahrens geltend gemacht hatten, änderte das Urteil im Sinn der Abweisung des Feststellungsbegehrens ab, hob es hinsichtlich des Leistungsbegehrens auf und verwies in diesem Umfang die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt an das Erstgericht zurück.

Die Berufungswerber hatten den Rechtsstandpunkt vertreten, der Bestandnehmer könne im Fall der Enteignung des Vermieters nicht mehr begehren, als dieser ihnen nach Gesetz oder dem Vertrag aus dem Titel der vorzeitigen Auflösung des Bestandsverhältnisses zu leisten verpflichtet sei. Das Berufungsgericht hielt dieser Rechtsauffassung unter Hinweis auf die Auslegung des § 5 EisbEG. in der Lehre (Randa,

Das Eigentumsrecht[2], S. 180, Kautsch, Das Gesetz vom 18. Februar 1878, S. 28) und in der Rechtsprechung (SZ. XXXIII 73, JBl. 1963 S. 572) entgegen, daß dem Bestandnehmer alle durch die Aufhebung des Bestandverhältnisses zugefügten Nachteile zu ersetzen seien. Der Zusammenhang zwischen der Enteignung und dem Verlust des Mietrechtes durch die Klägerin, der Voraussetzung für die Vergütung sei, könne nicht schon deshalb verneint werden, weil der Enteignungszweck auch als wichtiger Kündigungsgrund im Sinn des § 19 Abs. 1 MietG. gewertet werden könne. Aus diesem Grund allein könnten somit die Ansprüche der Klägerin nicht verneint werden. Die erstgerichtlichen Verfahrensergebnisse reichen jedoch für eine verläßliche Feststellung der Höhe der Ansprüche nicht aus. Das Erstgericht habe unrichtigerweise die Entschädigung nach konkreten Gesichtspunkten bemessen; nach Lehre und Rechtsprechung sei sie aber abstrakt zu bemessen. Zu vergüten sei der Wert des Mietverhältnisses, das die Klägerin durch die Enteignung verloren habe, so daß die Ermittlung der Entschädigung allein auf das verlorene Mietverhältnis und nicht auf die Ersatzobjekte mit ihren Vor- und Nachteilen abgestellt werden müsse. Bei der Bewertung des verlorenen Mietverhältnisses sei vom außerordentlichen Wert des besonderen Interesses auszugehen, weshalb neben dem gemeinen Wert des verlorenen Mietverhältnisses auch der zusätzliche besondere Wert zu berücksichtigen sei, der sich aus der Benützung des Mietobjektes durch die Klägerin für deren berufliche Zwecke ergeben habe. Diese Wertermittlung sei nicht konkret auf die Klägerin, sondern auf die üblicherweise mit einer solchen besonderen Benützung verbundenen Vorteile bzw. auf den Wert dieser verlorenen Vorteile abzustellen. Im fortgesetzten Verfahren werde daher auf der Grundlage eines einzuholenden Sachverständigengutachtens zunächst der gemeine (ordentliche) Wert des Mietobjektes geschätzt werden müssen, dieser entspreche dem, was ein beliebiger Mieter für die Beschaffung eines nach Lage und Beschaffenheit annähernd gleichwertigen Mietobjektes unter Zugrundelegung der beim gegenständlichen Mietverhältnis gegeben gewesenen Mietzinsverhältnisse und Kündigungs- und Auflösungsmöglichkeiten üblicherweise aufgewendet werden müsse. Dazu kämen weitere Beträge, die dem abstrakten Wert der Vorteile entsprechen müßten, die für die Klägerin darin bestanden hatten, daß sie Wohnung und Ordination in einem Mietobjekt vereinigt hatte, daß sie die Ordination in sehr günstiger zentraler Lage hatte, daß ihre Ordination schon jahrelang an diesem Platz eingeführt gewesen war und sie dadurch einen entsprechenden festen Patientenkreis hatte und daß mit der Ordination die Möglichkeit zur Abstellung von Kinderwagen in einem geheizten Raum verbunden war. Bei der Ermittlung dieser zusätzlichen Beträge würden die im ersten Rechtsgang durch den Sachverständigen ermittelten Verdienstausfälle der Klägerin eine gewisse Richtschnur abgeben können. Schließlich würden noch angemessene Übersiedlungskosten zu veranschlagen sein, aber auch hier würden nicht die der Klägerin konkret erwachsenen, sondern die üblicherweise mit einer solchen nicht nur eine Wohnung, sondern auch eine Ordination mit entsprechender Ausstattung umfassenden Übersiedlungskosten zu berücksichtigen sein. Schließlich sei aber auch noch eine Feststellung in der Richtung zu treffen, wie lange das durch die Enteignung untergegangene Mietverhältnis der Klägerin ohne Enteignung voraussichtlich gedauert hätte; davon sei der Wert des durch die Enteignung untergegangenen Mietverhältnissen und damit das Ausmaß der der Klägerin gebührenden Entschädigung wesentlich abhängig. Die Möglichkeit, daß das Mietverhältnis auch ohne Enteignung nicht mehr lange gedauert hätte, könne nach der bisherigen Aktenlage nicht ausgeschlossen werden, zumal die Klägerin selbst in der Klage die Behauptung aufgestellt habe, daß sie wegen des desolaten Zustandes des alten Sparkassengebäudes in ihrer dortigen Wohnung nicht habe verbleiben können.

Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens hielt das Berufungsgericht die Sache im Sinn der Abweisung für spruchreif. Gemäß § 8 Abs. 1 EisbEG. habe bei einer dauernden Enteignung die Entschädigung durch Zahlung eines Kapitalbetrages zu erfolgen, es sei denn, daß der zu leistende Kapitalbetrag im Ausnahmefall nicht vollständig ermittelt werden könne, weil sich die abzuschätzenden Nachteile nicht von vornherein bestimmen ließen. Dieser Grundsatz müsse analog auch für die vom Enteigneten dem Bestandnehmer zu leistende Vergütung gelten. Daß sich aber der abzuschätzende Nachteil noch nicht, und zwar auch nicht durch eine Schätzung im aufgezeigten Sinn, bestimmen lasse, sei von der Klägerin nicht behauptet worden. Somit liege ein Feststellungsinteresse im Sinn des § 228 ZPO. und damit eine Berechtigung des Feststellungsbegehrens nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin gegen den abweisenden Teil des Berufungsurteils und den Rekursen beider Parteien und der Nebenintervenientin gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

A) Zu den Rekursen der Beklagten und der Nebenintervenientin:

Die Rekurswerber bekämpfen zunächst die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Bestandnehmer müsse sich nicht bloß auf das beschränken, was er nach dem Gesetz und dem Vertrag aus dem Titel der vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses vom Bestandgeber als Ersatz zu fordern berechtigt sei, sondern habe Anspruch auf den Ersatz aller ihm durch die Aufhebung des Bestandverhältnisses zugefügten Nachteile. Sie wollen die Worte: "... und deren Vergütung dem Enteigneten obliegt" im § 5 des Gesetzes vom 18. Februar 1878, RGBl. Nr. 30, i. d. F. des BG. BGBl. Nr. 71/1954 (EisbEG. 1954) dahin verstanden wissen, daß nicht alle Nachteile des Bestandnehmers zu berücksichtigen seien, sondern nur diejenigen, für die der Enteignete in seiner Eigenschaft als Bestandgeber nach dem Gesetz oder dem Vertrag aufkommen müssen. Damit befinden sie sich im Gegensatz zu den Auffassungen Randas und Kautschs (a.a.O.), denen sie vorwerfen, für ihre Meinung die Begründung schuldig geblieben zu sein. Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Beide Autoren haben ihre Auffassung mit dem Hinweis auf den Wortlaut des § 4 (1) EisbEG. begrundet, wonach die Entschädigung aller durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile im Sinne des § 365 ABGB. vorgesehen ist (auch das BundesstraßenG. BGBl. Nr. 59/1948 i. d. F. des BG. Nr. 134/1964 sieht Schadloshaltung für alle derartigen Nachteile vor); Randa fügt noch hinzu, daß seines Erachtens durch den wiedergegebenen Zusatz im § 5 EisbEG. nur der unmittelbare Ersatzanspruch gegen den Enteigner negiert werden sollte. Der Oberste Gerichtshof hat sich in seiner Entscheidung SZ. XXXIII 73 dieser Auffassung angeschlossen und zusätzlich zum Ausdruck gebracht, daß dem Bestandnehmer ein Anspruch unter Berufung auf § 1112 ABGB., obwohl von einem Verschulden des enteigneten Bestandgebers keine Rede sein könne, nicht versagt werden könne, weil sonst § 5 EisbEG. unverständlich erschiene und weil kein Anlaß bestehe, in dem Bestandrecht ein minder schutzwürdiges Vermögensrecht zu sehen als etwa im Liegenschaftseigentum, so daß dessen Verlust nicht ebenso den Gegenstand einer Schadloshaltung im Sinn des § 365 ABGB. bilden könnte. In seiner - allerdings dasselbe Verfahren betreffenden - Entscheidung vom 9. Jänner 1963, 6 Ob 286/62, JBl. 1963 S. 572, hat der Oberste Gerichtshof die gleiche Auffassung vertreten. Die Heranziehung der älteren Entscheidungen GlUNF. 3731 und GlUNF. 7285 schlägt nicht durch. Der erstgenannten Entscheidung lag kein Fall einer Enteignung nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz zu Gründe; eine analoge Anwendung dieses Gesetzes wurde abgelehnt und nur am Rand ohne nähere Begründung bemerkt, daß auf die Nachteile des Bestandnehmers nur dann Rücksicht zu nehmen wäre, wenn deren Vergütung dem Enteigneten selbst obliegen würde. Die Begründung der Entscheidung GlUNF. 7285, daß dem Bestandnehmer kein weitergehender Anspruch gegen den Enteigneten zustehe, weil er jederzeit mit der Möglichkeit rechnen müsse, vor Ablauf der bedungenen Zeit gemäß § 1112 ABGB. den Bestandgegenstand räumen zu müssen, vermag nicht zu überzeugen. Diese beiden Entscheidungen sind vor dem Inkrafttreten des Mietengesetzes ergangen. Damals war der Bestandnehmer nur durch die Bestimmungen des ABGB. geschützt. Der Verlust des Mietverhältnisses konnte daher keinen Nachteil nach sich ziehen, wenn der Anspruch auf seine Fortsetzung nicht vertraglich gesichert war. Nunmehr genießt der Bestandnehmer aber auch den Schutz des Mietengesetzes, der im vorliegenden Fall der Klägerin verlorengegangen ist.

Auch die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1963, Zl. 487/63, zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, daß dem Bestandnehmer allenfalls nur ein vertraglich gesicherter Rechtsanspruch gegen den Enteigneten zukomme, weil er durch den Enteignungs- und Entschädigungsausspruch unmittelbar nicht betroffen sei, kann nicht zur Widerlegung der Auffassung des Obersten Gerichtshofes herangezogen werden. In jenem Fall war der Anspruch nicht gegen den Bestandgeber, sondern gegen den Enteigner erhoben worden. Darüber hinaus handelte es sich nicht um eine den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegende Wohnung, so daß der Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß hatte, zu der Frage Stellung zu nehmen, wie weit dem Bestandgeber die Vergütung der sich aus dem Verlust des Mietrechtes ergebenden Nachteile obliegt.

Der Oberste Gerichtshof findet somit keinen Anlaß, von seiner in den oben genannten Entscheidungen zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung abzugehen; er erachtet daher die Lösung dieser Frage durch die Untergerichte als unbedenklich.

Die Rekurswerber wenden sich ferner gegen den Auftrag des Berufungsgerichtes, den Wert des verloren gegangenen Mietverhältnisses für die Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln. Als Aufwendung hiefür käme nur eine gemäß § 17 MietG. verbotene und nichtige Ablöse in Betracht, auf deren Ersatz die Klägerin keinen Anspruch hätte, weil sie diesen Betrag allenfalls zurückfordern könnte. Ob und welche Aufwendungen der Sachverständige als erforderlich erachten wird, kann derzeit, da ein solches Gutachten noch nicht vorliegt, nicht gesagt werden. Soweit die Rekurswerber mit dem wiedergegebenen Einwand zum Ausdruck bringen wollen, daß bei einem mietengeschützten Objekt ein Verkehrswert überhaupt nicht in Betracht komme, ist dem entgegenzuhalten, daß es nach der Rechtsprechung (JBl. 1963 S. 572) nicht auf theoretische Erwägungen ankommt, sondern darauf, daß dem Bestandnehmer alle durch die Enteignung verursachten Vermögensnachteile zu ersetzen sind. Wenn der zum Ausgleich dieser Nachteile erforderliche Betrag der Höhe nach mit dem Verkehrswert des Bestandobjektes übereinstimmt, wird eben dieser Wert zu vergüten sein. Im vorliegenden Fall eines mietengeschützten Objektes kommt es somit darauf an, was der Bestandnehmer außer den angemessenen Übersiedlungskosten noch aufwenden muß, um an Stelle des durch die Enteignung verlorenen Bestandobjektes ein annähernd gleichwertiges zu erlangen (EvBl. 1954 Nr. 328).

In den Rekursen wird die Ansicht vertreten, mit dem Auftrag, auch jenen Wert zu berücksichtigen, der sich aus der Benützung des Mietobjektes durch die Klägerin für ihre beruflichen Zwecke ergibt, habe das Berufungsgericht unzulässigerweise die Berücksichtigung subjektiver Nachteile aufgetragen. Dieser Einwand trifft nicht zu. Da die Klägerin unbestrittenermaßen in ihrer früheren Wohnung auch ihre Ordination ausübte, kommt ihrem Interesse an diesem Umstand auch nach objektiven Gesichtspunkten ein maßgeblicher Einfluß für die Wertbemessung des Mietverhältnisses zu. Eigneten sich die früheren Räumlichkeiten für eine Wohnung und eine Ordination, nicht nur für die Klägerin, sondern für jeden anderen Arzt, dann erhöht dieser Umstand ebenfalls nach objektiven Gesichtspunkten den Verkehrswert. Das gleiche gilt für die Berücksichtigung der zentralen Lage des beiden Zwecken dienenden Objektes. Ist dessen Eignung für die Ausübung der Ordination gegeben und wurde es auch zu diesem Zweck verwendet, dann hat bei der Bewertung auch der feste Patientenkreis Berücksichtigung zu finden. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß auch nach dem Bundesstraßengesetz nicht vom gemeinen Wert, sondern von dem diesen übersteigenden Verkehrswert auszugehen ist (EvBl. 1967 Nr. 203, ZVR. 1967 Nr. 205).

Die Rekurse der Beklagten und der Nebenintervenientin sind demnach nicht begrundet.

B) Zum Rekurs der Klägerin:

Die Klägerin räumt zwar ein, daß die Höhe ihres Schadens nicht daran gemessen werden könne, was an Aufwendungen für den Erwerb einer anderen Wohnung und Ordination tatsächlich aufgewendet wurde, bekämpft aber dennoch die Aufhebung des Leistungsausspruches mit der Begründung, sie habe nur ein Minimum begehrt, und es sei vom Erstgericht auch festgestellt worden, daß ihre Aufwendungen nur im Rahmen des Notwendigen lägen. Für die Höhe der Entschädigung ist aber nicht entscheidend, was der Bestandnehmer in concreto, wenn auch notwendigerweise, aufgewendet hat, sondern was er aufwenden muß, um ein annähernd gleichwertiges Bestandobjekt zu erlangen.

Schließlich will die Klägerin berücksichtigt haben, daß die Beklagte im Enteignungsverfahren in ihrem Fall die durch die Enteignung entstandenen Schäden mit 216.000 S beziffert hatte und daß ihr für die gesamten Ansprüche der Bestandnehmer 295.000 S zugeflossen waren; sie will diesen Umstand einem Vertrag zugunsten Dritter gleichgehalten wissen. Abgesehen davon, daß nicht festgestellt wurde, daß der Beklagten gerade für die Nachteile der Klägerin ein 216.000 S betragender Teil der Gesamtentschädigungssumme zugeflossen ist, könnte aus diesem Umstand nicht auf einen Anspruch aus einem Vertrag zugunsten Dritter geschlossen werden. Hiezu fehlt es vor allem an einer darauf gerichteten Absicht des Enteigners und des Enteigneten.

C) Zur Revision der Klägerin:

Sie wendet sich gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens und bekämpft die Heranziehung des § 8 EisbEG., wonach bei dauernder Enteignung die Entschädigung durch Zahlung eines Kapitalbetrages zu leisten sei. Diese Regelung beziehe sich nur auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Enteigner und dem Enteigneten. Es stehe aber nach den bisherigen Verfahrensergebnissen fest, daß durch die Verminderung ihrer Einkünfte auch in Zukunft ein Schaden zu erwarten sei, dessen Höhe derzeit nicht mit Sicherheit zu bestimmen sei. Gegen die Auffassung des Berufungsgerichtes, § 8 EisbEG. sei auch auf die vom Enteigneten dem Bestandnehmer zu leistende Vergütung anzuwenden, bestehen keine Bedenken. Der Enteignete muß sich nach dieser Gesetzesstelle mit einem Kapitalbetrag abfinden lassen, es sei denn, daß sich der abzuschätzende Nachteil nicht von vornherein bestimmen läßt. Da der Gesetzgeber die dem Enteigneten obliegende Vergütung gegenüber dem Bestandnehmer in seine Regelung miteinbezogen hat, kann dieser in seinen Rechten gegenüber dem Enteigneten nicht besser gestellt werden als der Letztgenannte gegenüber dem Enteigner. Auch der Bestandnehmer muß sich daher mit der in den §§ 8, 9 EisbEG. vorgesehenen Art der Ersatzleistung begnügen. Geht man aber von den oben dargelegten Grundsätzen aus, daß sich nämlich die dem Bestandnehmer zu gewährende Entschädigung nach dem Verschaffungswert des verlorengegangenen Mietobjektes (RZ. 1960 S. 45) zu bestimmen habe, bei dessen Errechnung, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegte, auch die Einkommensmöglichkeiten nach Lage und festem Patientenstock zu berücksichtigen sein werden, wobei die bisher festgestellten Verdienstausfälle als Richtschnur herangezogen werden können, dann mangelt es, da sich der abzuschätzende Nachteil auf diese Weise schon jetzt bestimmen läßt, am Feststellungsinteresse im Sinn des § 228 ZPO.

Auch die Revision der Klägerin erweist sich demnach als nicht begrundet.

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