OGH 5Ob103/95

OGH5Ob103/9528.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Adamovic und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1.) Ulrike W*****, 2.) Ingrid K*****, wegen Grundbuchshandlungen ob den Liegenschaften EZ ***** und ***** je Grundbuch *****, infolge Revisionsrekurses der Erstantragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 1.Juni 1995, GZ 1 R 283/95, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 15. Mai 1995, TZ 4682/95, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der den Antrag abweisende Teil der Beschlüsse der Vorinstanzen wird dahin abgeändert, daß dieser wie folgt zu lauten hat:

"Auf Grund des Schenkungsvertrages vom 12.April 1995 werden folgende grundbücherliche Eintragungen bewilligt:

a) Im Lastenblatt der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** A***** (Grundstück *****) die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sowie des Abstellens von PKW und einspurigen Fahrzeugen über das (bzw auf dem) Grundstück *****, gemäß Punkt IV. 2. a) zugunsten der jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstückes ***** der EZ ***** desselben Grundbuches;

b) im Gutsbestandsblatt der Liegenschaft EZ ***** desselben Grundbuches die Ersichtlichmachung des mit dem Grundstück ***** verbundenen Rechtes aus der im Punkt a) angeführten Dienstbarkeit.

Hievon werden verständigt:

1. Ulrike W*****, Angestellte, ***** mit Schenkungsvertrag in Urschrift

2. Ingrid K***** im Haushalt, *****".

Text

Begründung

Die Zweitantragstellerin war aufgrund des Übergabsvertrages vom 27.5.1970 grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaften EZ ***** mit den Grundstücken 2522 und 387 sowie EZ ***** mit dem Grundstück 2520/2 je Grundbuch *****.

Mit dem Schenkungsvertrag vom 12.4.1995, abgeschlossen zwischen Ingrid K***** und Ulrike W*****, geborene K*****, schenkte Ingrid K***** ihrer Tochter Ulrike W***** zum Zwecke der Errichtung eines Einfamilienhauses das Grundstück 2522/2 im Ausmaß von 801 m2 (nunmehr EZ *****) samt allem rechtlichen und physischen Zubehör. Ulrike W***** nahm diese Schenkung an. Die Vertragsteile hielten in Punkt II. des Schenkungsvertrages fest, daß es sich bei diesen Liegenschaften um einen Bauplatz handle.

In Punkt IV. 2. a) dieses Schenkungsvertrages räumten die jeweiligen Eigentümer des dienenden Grundstückes in EZ ***** Grundstück 2522/1 den jeweiligen Eigentümern des herrschenden Grundstückes 2522/2 das unentgeltliche und unbeschränkte Dienstbarkeitsrecht des Gehens und Fahrens sowie Abstellens von PKW und einspurigen Fahrzeugen über jenen Teil des dienenden Grundstückes 2522/1 ein, der in der dem Schenkungsvertrag angeschlossenen Skizze vom 9.2.1995 blau eingezeichnet ist.

In Punkt X. des Schenkungsvertrages erteilten die Vertragsteile ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund des Schenkungsvertrages unter anderem in EZ *****, Grundstück 2522/1 (im Eigentum von Ingrid K*****) die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sowie des Abstellens von PKW und einspurigen Fahrzeugen über das Grundstück 2522/1 in EZ ***** Grundbuch ***** gemäß Punkt IV. 2. a) zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 2522/2 in EZ ***** Grundbuch ***** vorgenommen wird, wobei das Dienstbarkeitsrecht ersichtlich zu machen ist.

Auf Grund dieses Schenkungsvertrages beantragten Ulrike W***** und Ingrid K***** unter anderem folgende Eintragungen im Grundbuch:

"V. In EZ ***** Grundbuch *****, Grundstück 2522/1 (im Eigentum von Ingrid K*****:) ......

2.) Die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sowie des Abstellens von PKW und einspurigen Fahrzeugen über das Grundstück 2522/1 in EZ ***** Grundbuch ***** gemäß Punkt IV. 2. a) zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 2522/2 in EZ ***** Grundbuch *****, wobei dieses Dienstbarkeitsrecht ersichtlich zu machen ist."

Gemäß der Planurkunde des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.Ing. Ulf M***** vom 9.2.1995, GZ 11.243/95, wurden die Grundstücke 387 (in EZ *****) und 2520/2 (EZ *****) in das Grundstück 2522 einbezogen; das Grundstück 2522 wurde in der Folge in die Grundstücke 2522/1 und 2522/2 geteilt; das letztgenannte Grundstück wurde lastenfrei ab- und der EZ ***** zugeschrieben; in der EZ ***** desselben Grundbuches wurde (auf Grund des Schenkungsvertrages vom 12. April 1995) die Einverleibung des Eigentumsrechtes zur Gänze für die Erstantragstellerin und die Einverleibung des Vorkaufsrechtes an dem Grundstück 2522/2 gemäß Punkt IV. 1. b) des genannten Schenkungsvertrages für die Zweitantragstellerin und Stefan K***** bewilligt (rechtskräftig gewordener Teil des Beschlusses des Erstgerichtes TZ 6482/95).

Mit Beschluß vom 15.5.1995 (TZ 4682/95) wies das Erstgericht diesen Teil des Antrages ab. In der Begründung führte es dazu unter Bezugnahme auf die Entscheidung 2 Ob 704/87 des OGH (JBl 1988, 789 = NZ 1989, 108/144) aus, daß nach Art I des Gesetzes RGBl 1905/33 in Vorarlberg als Felddienstbarkeiten sich darstellende Wegeservituten nicht im Grundbuch eingetragen werden könnten und Wegedienstbarkeiten grundsätzlich Felddienstbarkeiten im Sinne des § 477 ABGB darstellten, auch wenn sie einem Grundstück mit Wohnhaus bzw einem städtischen Gebäude dienten. Da es sich bei der Dienstbarkeit, deren Verbücherung begehrt werde, um eben eine solche Wegedienstbarkeit handle, sei das Begehren abzuweisen.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Erstantragstellerin gab das Rekursgericht nicht Folge.

Rechtlich führte das Rekursgericht aus, daß gemäß § 481 ABGB bei verbücherten Liegenschaften zum Erwerb von Dienstbarkeiten die Einverleibung im C-Blatt der dienenden Liegenschaft nötig sei. Ausnahmen hievon gelten in Tirol (RGBl 1897/77) und Vorarlberg (RGBl 1905/33). Mit der nur für Vorarlberg wirksamen Sonderregelung, RGBl 1905/33, seien besondere grundbuchsrechtliche und Exekutionsbestimmungen hinsichtlich der sich als Felddienstbarkeit darstellenden Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten erlassen worden. Danach seien jene Wege-, Wasserleitungs- und Holzriesenservituten, die sich als Felddienstbarkeiten darstellten, von der Eintragung in das Grundbuch ausgenommen und nicht eintragungsfähig. Diese für Vorarlberg geschaffene Sonderregelung sei nach wie vor wirksam und anzuwenden (§ 72 AllgGAG).

Das Rekursgericht brachte weiters die oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Darstellung, wonach Wegedienstbarkeiten als Felddienstbarkeiten im Sinne des Art I RGBl 1905/33 anzusehen seien, auch wenn sie im Einzelfall einem Grundstück mit Wohnhaus bzw in einem städtischen Gebäude dienten, und erklärte, sich dieser Rechtsprechung anzuschließen.

Dem Rekurs müsse daher ein Erfolg versagt bleiben.

Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit einem S 50.000,-- übersteigenden Betrag und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs im Hinblick auf die - in seiner Entscheidung auch dargestellte - unterschiedliche Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes für zulässig.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragstellerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß auch die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes sowie des Abstellens von PKW und einspurigen Fahrzeugen über das Grundstück 2522/1 in EZ ***** GB ***** gemäß Punkt IV. 2. a) des Schenkungsvertrages vom 12.4.1995 zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstückes 2522/2 in EZ ***** GB ***** bewilligt werde.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin hält an der Ansicht fest, daß unter Felddienstbarkeiten nur jene zu verstehen seien, die ein zur Landwirtschaft bestimmtes Grundstück als herrschendes Gut beträfen. Eine sachgerechte Auslegung des Begriffs Felddienstbarkeiten führe daher zum Ergebnis, daß die gegenständliche Eintragung zulässig sei. Wenn eine Dienstbarkeit der Landwirtschaft diene, sei sie nach dem klaren Wortlaut des § 474 ABGB eine Feldservitut, sonst eine Hausservitut. Ein Geh- und Fahrrecht müsse daher nicht zwingend eine Feldservitut sein.

Dem ist folgendes zu entgegnen:

Die von den Vorinstanzen und der Rechtsmittelwerberin unterschiedlich vertretenen Auffassungen über die Richtigkeit der von Lehre und Rechtsprechung für die Unterscheidung der Feld- und Hausservituten gemäß § 474 ABGB entwickelten Kriterien (Ehrenzweig2, Privatrecht2 I/2, 315; Klang in Klang2, Komm II, 553; Feil, Liegenschaftsrecht, Band II 915; Gschnitzer, Sachenrecht2, 162; Pimmer in Schwimann, ABGB II, Rz 1 zu § 474; Petrasch in Rummel ABGB2, Rz 1 zu § 474; 5 Ob

163/63; EvBl 1966/277; 8 Ob 238/66; NZ 1982, 140 = EvBl 1982/193; JBl

1983, 645 = EvBl 1983/137 = SZ 56/60; JBl 1988, 789 = NZ 1989/144)

sind für die Frage der Eintragungsfähigkeit der hier verfahrensgegenständlichen Dienstbarkeit nicht von Bedeutung. Denn das Recht auf Abstellen von PKW und einspurigen Fahrzeugen, das hier den wesentlichen Inhalt der Dienstbarkeitsvereinbarung bildet, ist nicht als Feld-Dienstbarkeit im Sinne des Art I des Gesetzes RGBl 1905/33 anzusehen. Hauptzweck der Servitut ist nämlich das Abstellen von PKW und einspurigen Fahrzeugen, von welchem Recht das Gehen und Fahren nicht getrennt werden kann. Eine solche Dienstbarkeit ist keine typische Felddienstbarkeit im Sinne der zuvor genannten Gesetzesbestimmung und daher nicht vom Eintragungsverbot erfaßt.

Damit erweist sich der Revisionsrekurs im Ergebnis als berechtigt, weshalb die begehrten Eintragungen spruchgemäß zu bewilligen waren.

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