European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050NC00007.15X.0410.000
Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 17. März 2015, GZ 22 PS 18/15k‑18, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht St. Pölten wird nicht genehmigt.
Text
Begründung
Beim Bezirksgericht Steyr langte am 30. 1. 2015 (vorab per Telefax) ein vom Bezirksgericht St. Pölten übermittelter Antrag der Bezirkshauptmannschaft Amstetten ein, mit dem dieser Kinder‑ und Jugendhilfeträger (ua) begehrte, den Eltern des Kindes die Obsorge in den Teilbereichen Pflege und Erziehung zu entziehen und dem Kinder‑ und Jugendhilfeträger zu übertragen. In diesem Antrag wird berichtet, dass sich das Kind derzeit auf einem Krisenpflegeplatz in 3385 Prinzersdorf aufhalte.
Laut dem jüngsten Bericht der Bezirkshauptmannschaft Amstetten als Kinder‑ und Jugendhilfe- sowie Obsorgeträger vom 17. 3. 2015 hat dieser die namentlich bezeichneten in 3385 Prinzersdorf wohnhaften (Krisen-)Pflegeeltern mit der Ausübung der Pflege und Erziehung beauftragt und dort befindet sich auch der gemeldete Hauptwohnsitz des Kindes. Nach dem Situationsbericht werden derzeit professionelle Pflegeeltern gesucht und es stehe demnach fest, dass das Kind die (derzeitigen) Krisenpflegeeltern wieder verlassen muss.
Das Bezirksgericht Steyr übertrug mit Beschluss vom 17. 3. 2015, GZ 22 PS 18/15k‑18, gemäß § 111 JN die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht St. Pölten mit der wesentlichen Begründung, dass das Kind bei den Krisenpflegeeltern wohne, dort gemeldet sei und seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, während zum Bezirksgericht Steyr kein Bezug bestehe.
Das Bezirksgericht St. Pölten lehnte die Übernahme des Aktes ab, weil sich das Kind nur vorübergehend in seinem Sprengel aufhalte.
Das Bezirksgericht St. Pölten legte den Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 111 Abs 2 JN vor. Die Zustellung des Übertragungsbeschlusses an die Eltern des Kindes ist nicht erfolgt.
Rechtliche Beurteilung
Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 JN setzt voraus, dass dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. § 111 JN nimmt dabei ua darauf Bedacht, dass ein (örtliches) Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0046929).
Die Rechtsprechung lehnt eine Zuständigkeitsverlagerung allerdings dann ab, wenn der maßgebliche Aufenthalt noch nicht stabil ist (5 Nc 22/07s mwN; RIS‑Justiz RS0046908 [T12]; RS0047300 [T21]). Ein solcher Fall liegt hier vor, sucht doch der Kinder- und Jugendhilfeträger derzeit noch nach einem dauerhaften Pflegeplatz bei professionellen Pflegeeltern und es steht nach dem letzten Situationsbericht fest, dass das Kind die Krisenpflegeeltern „definitiv wieder verlassen“ wird. Die Zuständigkeitsübertragung ist daher nicht zu genehmigen.
Für den Obersten Gerichtshof besteht dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen (vgl RIS‑Justiz RS0112956 [T1]).
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