OGH 5Nc6/09s

OGH5Nc6/09s4.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofrätin/den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Familienrechtssache des Dominik L*****, geboren 9. August 1988, *****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Gleisdorf vom 30. Jänner 2009, 1 Fam 10/08i-20, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der „Pflegschaftssache" des Dominik L*****, geboren 9. August 1988, an das Bezirksgericht Fünfhaus wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Mit dem am 2. September 2008 beim Bezirksgericht Gleisdorf eingebrachten Antrag begehrte der Vater die (später präzisiert: ab 9. Juni 2008) rückwirkende Aufhebung seiner Unterhaltsverpflichtung von monatlich 300 EUR gegenüber seinem Sohn Dominik L***** (ON 1). Zu seinem Antrag befragte die Rechtspflegerin des Bezirksgerichts Gleisdorf den Vater persönlich (ON 3) und führte weitere Erhebungen durch. Am 2. Dezember 2008 beantragte Dominik L*****, seinen Vater zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 550 EUR ab 1. Oktober 2008 zu verpflichten (ON 12). Nach weiteren Erhebungen stellte der Vater mit Schreiben vom 14. Februar 2009 (ON 24) das Begehren, seinen Sohn zur Leistung von Unterhalt an den Vater zu verpflichten. Alle genannten Anträge sind bislang unerledigt. Das Bezirksgericht Gleisdorf übertrug mit Beschluss vom 30. Jänner 2009, 1 Fam 10/08i-20, die Zuständigkeit zur Besorgung der „Pflegschaftssache" an das Bezirksgericht Fünfhaus mit folgender Begründung: „Das Kind hält sich jetzt ständig in *****, auf. Es ist daher zweckmäßiger, wenn das Bezirksgericht Fünfhaus diese Pflegschaftssache führt."

Das Bezirksgericht Fünfhaus verweigerte die Übernahme unter Hinweis auf die bereits vom Bezirksgericht Gleisdorf seit September 2008 durchgeführten Erhebungen.

Das Bezirksgericht Gleisdorf legte die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Zuständigkeitsübertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teile einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori durchbrochen werden (4 Nc 104/02k; 4 Ob 5/04w; 4 Nc 13/07k). Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes (4 Nc 104/02k; 4 Ob 5/04w; 4 Nc 13/07k). Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (Fucik in Fasching/Konecny² I § 111 JN Rz 2). Maßgebend ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047300 [T7]).

Auch wenn offene Anträge die Übertragung der Zuständigkeit in einer Pflegschaftssache an das Gericht des neuen Lebensmittelpunkts des Kindes nicht grundsätzlich hindern (RIS-Justiz RS0046895), ist die Übertragung im vorliegenden Fall schon deshalb abzulehnen, weil der erste hier noch offene Antrag längst nach Erreichen der Volljährigkeit des Kindes gestellt wurde (vgl 5 Nc 26/08f; 4 Nc 13/07k; vgl auch 6 Nd 508/01 = EFSlg 97.963). Im anhängigen Verfahren fällt daher Dominik L***** nicht mehr unter den besonderen pflegschaftsbehördlichen Schutz, den das Gesetz Minderjährigen zukommen lässt. Schon aus diesem Grund ist die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht der Wohnsitzmeldung des inzwischen großjährigen Kindes - zumal § 111 JN als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen ist (RIS-Justiz RS0046908 [T9]) - nicht zu genehmigen (5 Nc 26/08f; 4 Nc 13/07k).

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