OGH 4Ob8/90

OGH4Ob8/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Zeitungs- und Zeitschriftenverlagsgesellschaft mbH & Co KG, Wien 19., Muthgasse 2, vertreten durch Dr.Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei G*** Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Linz, Stelzhammerstraße 10, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren: 450.000 S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 17. November 1989, GZ 5 R 139/89-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Linz vom 28.September 1989, GZ 1 Cg 202/89-4, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen; die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "K***" und "N*** K***-Z***", deren Freitagausgaben jeweils eine Radio- und Fernsehbeilage für die Programme der folgenden Woche enthalten. Die Beklagte ist Verlegerin der in Abständen von 4 Wochen erscheinenden Fernseh-Programmzeitschrift "T***", deren Verkaufspreis 25 S beträgt. In der Ausgabe Nr. 9/89 mit den TV-Programmen für die Zeit vom 19.8. bis 15.9.1989 erschien auf der Seite 13 unter dem Titel "Österreichischer Nationalcircus - Die Stadt auf Rädern" ein redaktioneller Beitrag, in dem besonders der organisatorische und technische Aufwand einer Zirkustournee beschrieben und auf die einzelnen Termine hingewiesen wurde, zu denen der "Österreichische Nationalcircus" in der Zeit zwischen

22.8. und 29.10.1989 in größeren Städten Österreichs gastieren werde. Als Schlußzeile fand sich der durch Fettdruck und Schriftgröße deutlich hervorgehobene Hinweis: "Gutschein siehe Seite 15!". Auf dieser Seite war unter einem Foto des Zirkuseinganges nachstehender Gutschein abgedruckt, bei dem es sich - ohne besondere Kennzeichnung - um ein bezahltes Inserat des "Österreichischen Nationacircus" handelte:

Abbildung nicht darstellbar!

Die Eintrittskarten in den "Österreichischen Nationalcircus" kosten 90 S bis 250 S; Kinder zahlen die Hälfte. Bei Vorlage des "T***"-Gutscheins, wurde - ausgenommen in der niedrigsten Preiskategorie von 90 S - pro Karte eine Ermäßigung zwischen 20 S und 50 S gewährt; die Eintrittskarten mit dem Kassapreis von 250 S konnten also um 200 S erworben werden.

Mit der Behauptung, daß der "T***"-Gutschein eine verbotene Zugabe sei, weil der Durchschnittsleser auf Grund der Ausgestaltung des Gutscheins sowie des redaktionellen Hinweises auf eine Mitwirkung der Zeitschrift "T***" an dieser Aktion schließen werde und die angekündigte "große Ermäßigung" auch tatsächlich mit dem Kauf dieser Zeitschrift verbunden gewesen sei, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines gleichlautenden Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung den Verkauf einer Zeitung insbesondere der periodischen Druckschrift "T***", zu verbieten, wenn dabei, darin oder damit Gratisabgaben, insbesondere "T***-Gutscheine", die den "T***"-Lesern eine große Ermäßigung auf den Eintrittspreis in den "Österreichischen Nationalcircus" gewähren, angeboten oder gewährt werden und dabei insbesondere durch Vorlage eines Gutscheins an der Zirkuskasse bzw (beim) Eintritt in den Zirkus der Eindruck erweckt wird, daß die Erlangung der Ermäßigung durch den Kauf der periodischen Druckschrift "T***" ermöglicht oder erleichtert wird.

Die Beklagte sprach sich gegen den Sicherungsantrag aus. Der beanstandete Gutschein sei ein bezahltes Inserat des "Österreichischen Nationalcircus" gewesen und nur deshalb als "T***"-Gutschein bezeichnet worden, damit der Inserent die Werbewirksamkeit der Anzeige überprüfen könne. Ähnliche Gutscheine nicht nur desselben Inserenten, sondern auch anderer Firmen veröffentlichten zum üblichen Inseratenpreis nicht nur die Beklagte, sondern praktisch auch alle übrigen Zeitungen Österreichs. Überdies habe die vorliegende Veröffentlichung des Gutscheins bloß im Blattinneren den Kaufentschluß des Erwerbers der Zeitschrift gar nicht beeinflussen können. Jene wenigen Konsumenten, die die Zeitschrift vor dem Kauf durchblättern oder auf andere Weise (zB beim Friseur) von der Aktion erfahren, fielen demgegenüber nicht ins Gewicht. Dazu komme, daß jede Angabe über die Höhe des in Aussicht gestellten Preisnachlasses fehle, weshalb der Leser gar nicht abschätzen könne, ob ihm der Erwerb einer weiteren Ausgabe der Zeitschrift einen wirtschaftlichen Vorteil bringe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 24.1.1989, 4 Ob 112/88, MR 1989, 65, vertrat es die Rechtsansicht, daß es schon an der für einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 ZugG erforderlichen Akzessorietät mangle. Der Leser der Zeitschrift stoße nämlich erst beim Durchblättern des von ihm bereits erworbenen Exemplars auf den beanstandeten Gutschein. Die wenigen Kunden, die vor dem Kauf ausnahmsweise die Zeitschrift der Beklagten durchblätterten und den Gutschein entdeckten, seien als Ausnahmsfälle genauso zu vernachlässigen wie jene, die auf andere Weise zufällig von dem Inserat Kenntnis erhielten. Das gleiche gelte auch für solche Käufer, die nach dem Erwerb der Zeitschrift ein weiteres Exemplar erstünden, um sich einen zweiten Gutschein zu sichern; dies umso mehr, als der Gutschein ja gar keinen bestimmten Preisnachlaß nenne, so daß er auch nicht zu einem wettbewerbswidrigen Lockmittel werden könne.

Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteige. Der beanstandete Gutschein sei eine Zugabe, weil er dem Zeitschriftenkäufer ein Anrecht auf eine von der Hauptware verschiedene unentgeltliche Nebenleistung verbriefe. Der akzessorische Charakter dieser Zugabe gehe auch nicht dadurch verloren, daß sie nicht von der Beklagten, sondern vom "Österreichischen Nationalcircus" erbracht werde; beim unbefangenen Betrachter werde nämlich durch die besondere Gestaltung der gesamten Werbung der Eindruck einer - wenn schon nicht von der Beklagten allein, so doch zumindest von ihr und dem "Österreichischen Nationalcircus" gemeinsam durchgeführten - Werbeaktion erweckt, die auch auf die Absicht einer Förderung des Absatzes der Zeitschrift der Beklagten schließen lasse. Zwar liege nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1989, 112 = WBl 1989, 153; MR 1989, 65) eine Zugabe dann nicht vor, wenn Zuwendungen erst nach dem Geschäftsabschluß in Aussicht genommen oder gewährt würden; im vorliegenden Fall könne aber der Gutschein im Blattinneren für den zufällig darauf stoßenden Käufer oder denjenigen, der zwei der mehr Personen in den Zirkus mitnehmen wolle, durchaus erst Anlaß zum Kauf der Zeitschrift der Beklagten oder doch weiterer Exemplare dieser Zeitschrift sein, weil er nur zum Bezug zweier ermäßigter Eintrittskarten berechtige und gerade eine "große Ermäßigung" für Zirkuskarten verspreche, die bekanntermaßen nicht zu Bagatellpreisen erhältlich seien. Das treffe aber auf einen nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise zu, welcher nicht mehr als bloße unbedeutende Randgruppe vernachlässigt werden könne. Der beanstandeten Werbeaktion komme somit die Eigenschaft eines Lockmittels für den Erwerb der Zeitschrift der Beklagten zu. Gegen die einstweilige Verfügung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte hält im wesentlichen an ihrer Auffassung fest, daß die beanstandete "Gutschein-Aktion" nicht gegen das Zugabengesetz verstoßen habe. Sie übersieht jedoch dabei ebenso wie die Vorinstanzen, daß die Klägerin ihr Begehren gar nicht ausschließlich auf einen Verstoß gegen dieses Gesetz gestützt hat. Die Klägerin hat zwar den von ihr behaupteten Sachverhalt rechtlich nach § 1 ZugG beurteilt, weil mit den ausgegebenen Gutscheinen den "T***-Lesern" die Anwartschaft auf eine künftige unentgeltlich Leistung verbrieft werde; sie hat sich aber in diesem Zusammenhang nicht nur auf die Rechtsprechung zur Abgrenzung einer solchen "Gutschein-Aktion" von einem unzulässigen Rabatt berufen, sondern ausdrücklich nur vorgebracht, daß die beanstandete Aktion "insbesondere (auch) gegen § 1 ZugG" verstoßen habe. Damit hat aber die Klägerin deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie ihren Unterlassungsanspruch keineswegs ausschließlich auf diese Bestimmung stütze. Der rechtserzeugende Sachverhalt ist daher nach allen Richtung, insbesondere auch in der Richtung eines Rabattverstoßes der Beklagten, zu prüfen (ÖBl 1983, 148 mwN); dies umso mehr, als auch die von der Klägerin begehrte Fassung des Spruches einen solchen Verstoß deckt, soll doch der Beklagten der Verkauf einer Zeitung, insbesondere ihrer periodischen Durckschrift "T***" verboten werden, wenn dabei, darin oder damit die näher umschriebene "Gutschein-Aktion" verbunden ist. Das beantragte Verbot umfaßt daher auch die Unterlassung der öffentlichen Ankündigung eines gegen das Rabattgesetz verstoßenden Preisnachlasses iS des § 12 Abs 1 Satz 1 RabG idF der RabG-Novelle 1988. Das Sachvorbringen der Klägerin erfordert somit in erster Linie eine Prüfung des Sachverhaltes in der Richtung eines Verstoßes der Beklagten gegen das Rabattgesetz, welches als jüngeres Gesetz dem Zugabengesetz vorgeht und dieses auch inhaltlich abgeändert hat; so unterliegen etwa die gemäß § 2 Abs 1 lit a und b ZugG vom Zugabenverbot ausgenommenen Rabatte, wenn es sich - wie hier - um gewerbliche Leistungen des täglichen Bedarfs für den letzten Verbaucher handelt, jedenfalls den Beschränkungen des Rabattgesetzes (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1889 f Rz 18 vor § 1 dZugV und 1970 Rz 12 vor § 1 dRabG; Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt 44 Rz 8 Einf dZugV). Das ZugG und das RabG gelten daher zwar nebeneinander, das RabG ist aber gegenüber dem ZugG auch noch die lex specialis (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 120; Feil-Holeschofsky, ZugG 9 Rz 5 zu § 1; dieselben, RabG 11 Rz 5 zu § 1; Hoth-Gloy aaO 302 Rz 2 zu § 1 dRabG; ÖBl 1956, 45; ÖBl 1957, 75).

Gutscheine können nicht nur eine besondere Form der Zugabengewährung sein (Hohenecker-Friedl aaO 123; Feil-Holeschofsky ZugG 20 Rz 23 zu § 1; Baumbach-Hefermehl aaO 1913 Rz 22 b und 1915 Rz 27 zu § 1 dZugV; Hoth-Gloy aaO 126 ff Rz 44 zu § 1 dZugV), sondern es kann darin auch die Einräumung eines gegen § 1 Abs 2 RabG verstoßenden Sonderpreises liegen (Feil-Holeschofsky, RabG 26 Rz 34 zu § 1; Baumbach-Hefermehl aaO 1991 Rz 24 zu § 1 dRabG; ÖBl 1974, 119; SZ 53/50; ÖBl 1982, 79 ua). Im vorliegenden Fall verbrieften die in der Zeitung der Beklagten veröffentlichten - und nicht als bezahltes Inserat des "Österreichischen Nationalcircus" gekennzeichneten - Guscheine dem jeweiligen Inhaber das Anrecht auf eine "große Ermäßigung" für zwei Personen beim Besuch des "Österreichischen Nationalcircus" auf allen Plätzen mit Ausnahme des dritten Platzes, also der niedrigsten Preiskategorie. Das Ausmaß dieser Ermäßigung war jederzeit und ohne Schwierigkeiten durch einen Anruf unter der im redaktionellen Teil genannten Telefonnummer in Erfahrung zu bringen; er betrug bei Vorlage des "T***-Gutscheins" pro Karte zwischen 20 S und 50 S. Werden aber Gutscheine, die zur verbilligten Inanspruchnahme bestimmter gewerblicher Leistungen des täglichen Bedarfs (hier: Besuch einer Zirkusvorstellung) berechtigen, im geschäftlichen Verkehr an Letztverbraucher im Wege einer Zeitung oder sonstigen periodischen Zeitschrift verteilt, dann liegt darin nach ständiger Rechtsprechung das (öffentliche) Ankündigen eines verbotenen Rabattes iS des § 1 RabG (ÖBl 1975, 67; ÖBl 1977, 43 mwN).

Dieser Rabattverstoß fällt nicht nur dem "Österreichischen Nationalcircus" zur Last, der die Ermäßigung nach der Ankündigung auch tatsächlich gewährt hat; als Teilnehmer an einer solchen Gesetzesverletzung kommen vielmehr auch dritte

Personen - ausgenommen Verbraucher, die einen gesetzwidrigen Preisnachlaß gefordert oder entgegengenommen haben - in Betracht (Baumbach-Hefermehl aaO 2048 Rz 3 zu § 12 dRabG; ÖBl 1986, 130). Das muß insbesondere für die Beklagte gelten, welche als Verlegerin ihrer Fernseh-Programmzeitschrift an der gesetzwidrigen Aktion nicht nur durch Ausgabe der Gutscheine mitgewirkt, sondern auf diese Aktion im Rahmen eines redaktionellen Artikels noch besonders hingewiesen und damit das Publikum zur Einlösung der Gutscheine beim "Österreichischen Nationalcircus" aufgefordert hat (ÖBl 1975, 67; ÖBl 1977, 43). Die Beklagte haftet daher schon als Teilnehmerin an einer gegen § 1 Abs 2 RabG verstoßenden öffentlichen Rabattankündigung, so daß der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 12 Abs 1 Satz 1 RabG berechtigt ist; aus diesem Grund braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob sie auch noch gegen das ZugG verstoßen hat. Wenn die Klägerin mit ihrem Sicherungsbegehren kein generelles Verbot des öffentlichen Ankündigens eines gegen das RabG verstoßenden Preisnachlasses angestrebt, sondern ihr Begehren auf den Fall der Erweckung des Eindrucks beschränkt hat, daß die Erlangung der Ermäßigung durch den Kauf der periodischen Druckschrift "T***" ermöglicht oder erleichtert werde, dann handelt es sich hiebei um eine selbstgewählte, bloß quantitative Einschränkung eines möglicherweise weitergehenden Unterlassungsanspruches.

Dem Revisionsrekurs mußte schon aus diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.

Der Ausspruch über die Rechtsmittelkosten der Beklagten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 2 EO und §§ 40, 50, 52 Abs 1 ZPO, jener über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung auf § 393 Abs 1 EO.

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