Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 8.029,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 338,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Streitteile erzeugen als Mitbewerber Stickereiwaren und beliefern zum Teil dieselben Märkte.
Der Beklagte hat das zugunsten der Klägerin am 24.April 1983 bei der Registrierungs- und Verwaltungsstelle des Musterschutzes des Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbes in der Registrierungsliste Nr.19.125 mit einer Schutzdauer bis zum 24.4.1988 registrierte Stickereimuster Nr.3.155 (violettes Blumenmuster laut Beilage) mit einigen kleinen Änderungen (in einer anderen Farbe) nachgebildet. Ende Oktober 1984 war beim Beklagten eine Frau A*** aus Nigeria erschienen, die bereits längere Zeit seine Kundin gewesen war; sie hatte ein Muster mitgebracht - bei dem es sich um das geschützte Muster der Klägerin handelte - , erklärt, daß sie dieses Muster aus der Schweiz erhalten habe, und ersucht, danach Stickereiwaren herzustellen. Der Beklagte hatte damals nicht gewußt, daß es sich um ein Muster der Klägerin handelte. Ende 1984, Anfang 1985 wurde der Beklagte vom Geschäftsführer der Klägerin darauf aufmerksam gemacht, daß er ein Muster der Klägerin nachgebildet habe. Der Beklagte stellte daraufhin die weitere Erzeugung von Waren nach diesem Muster ein und gab der Klägern die Punchkarte und die Originalzeichnungen heraus, verkaufte aber die noch vorhandenen Coupons an einen Kunden in Cotonou (Benin). Das Schiedsgericht des Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbes fällte wegen dieser Musternachbildung - noch vor dem Verkauf der Restware - gegen den Beklagten am 19.2.1985 einen Schiedsspruch, mit dem es ihn (u.a.) verpflichtete, "die fernere Anwendung des Musters Nr.3155 und den ferneren Verkauf der nach ihm erzeugten Ware einzustellen"; allfällige Ansprüche des klagenden Mitgliedes des Musterschiedsvertrages 1946 auf Schadenersatz seien auf dem Zivilrechtsvertrag geltend zu machen.
Die Klägerin behauptet, durch diesen schuldhaften Musterrechtseingriff einen Verdienstentgang erlitten zu haben, weil der Beklagte Waren nach dem nachgebildeten Muster in erheblichen Mengen auf dem afrikanischen Markt zu Dumpingpreisen feilgeboten habe und die Abnehmer der Klägerin danach kein Interesse mehr an der Abnahme der Originalware gehabt hätten. Der Verkauf der Originalware sei von 6.900 Coupons im Jahre 1984 auf 188 im Jahre 1985 zurückgegangen. Der Schaden aus 2.000 unverkauften Coupons betrage S 400.000,--; der Kläger begehre daher den Ersatz dieses Betrages. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß er die weitere Erzeugung der in Unkenntnis des geschützten Musters hergestellten Ware sofort eingestellt habe. Der Auftragsausfall der Klägerin sei nicht auf die Nachbildung, sondern auf einen allgemeinen starken Absatzrückgang an Stickereiwaren in Afrika zurückzuführen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Klägerin weder ein Verschulden des Beklagten noch den Eintritt eines konkreten Schadens bewiesen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nach teilweiser Beweiswiederholung teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es der Klägerin S 200.000,-- s.A. zusprach und die Abweisung des Mehrbegehrens von S 200.000,-- s.A. bestätigte; es sprach aus, daß die Revision "gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig" sei.
Das Berufungsgericht stellte fest, daß der Beklagte rund 200 Coupons Stoff nach dem geschützten Muster erzeugt und davon rund 180 Coupons teils nach der Mitteilung des Geschäftsführers der Klägerin, teils nach dem Schiedsspruch vom 19.2.1985 an seinen Kunden in Cotonou verkauft habe. Daß er bei diesem Verkauf seinem Kunden die Verpflichtung überbunden hätte, diese Coupons nur nach Nigeria weiterzuliefern und nicht auf dem Markt in Cotonou zu verkaufen, stehe nicht fest. Die Ware mit dem nachgebildeten Muster des Klägers sei in der Folge auf dem Markt von Cotonou zu einem wesentlich günstigeren Preis als die Originalware der Klägerin feilgeboten worden. Dies habe dazu geführt, daß der Abnehmer der Klägerin, Yaya G***, eine für 1985 in Aussicht genommene Bestellung von ca. 1.400 Coupons Originalware nicht realisiert habe. Yaya G*** habe wegen der auf dem Markt von Cotonou aufgetauchten Nachahmungen auch ca. 2.000 von der Klägerin bereits bezogene Coupons der Muster Nr.3.155 im Jahr 1985 nicht mehr verkaufen können. Der Beklagte habe durch den Verkauf der nach dem geschützten Muster nachgebildeten Ware rechtswidrig und schuldhaft gehandelt und dadurch einen Umsatzausfall der Klägerin herbeigeführt. Dem Beklagten habe bewußt sein müssen, daß der Klägerin durch sein Verhalten ein Schaden entstehen werde. Dieser Schaden sei in Anwendung des § 273 ZPO mit S 200.000,-- zu bemessen. Der Beklagte erhebt gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist als ordentliches Rechtsmittel zulässig, weil der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld S 300.000,-- übersteigt (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO). Der verfehlte Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist daher als nicht beigesetzt zu behandeln.
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die teilweise Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht bezog sich nicht auf das Beweisthema, zu dem der Zeuge Julius L*** in erster Instanz geführt worden war. Die Verwertung des Inhaltes des Schreibens des Yaya G*** durch das Berufungsgericht ist ein Akt der irrevisiblen Beweiswürdigung.
Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt: Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin wurde von dem hiefür beweispflichtigen (SZ 41/72; JBl 1985,746; SZ 58/127 uva) Beklagten in erster Instanz nicht behauptet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes hat der Verkauf der nachgebildeten Ware durch den Beklagten dazu geführt, daß der Kunde der Klägerin 1.400 Coupons der Originalware nicht mehr abgenommen hat und weitere 2.000 Coupons nicht mehr verkaufen konnte.
Ob der Spruch des Schiedsgerichtes für den Musterschutz des Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbes (Beilage A) für das ordentliche Gericht bindend war, kann auf sich beruhe. Der Beklagte hat in erster Instanz den Mustereingriff gar nicht bestritten, sondern sich darauf berufen, daß er die Erzeugung von Waren nach dem geschützten Muster bereits vor dem Schiedsspruch eingestellt habe. Im übrigen hat der Revisionswerber nicht einmal behauptet, dieses Erkenntnis gemäß Art.9 D des Musterschiedsvertrages beim "Erweiterten Schiedsgericht" angefochten oder auf Aufhebung des Schiedsspruches geklagt zu haben. Da beide Vorinstanzen unbeanstandet von einer Registrierung des Musters des Klägers bei der Registrierungs- und Verwaltungsstelle des Musterschutzes des Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbes (also nicht von einer Hinterlegung bei der Handelskammer gemäß § 4 MustG) und von einer Schutzdauer vom 24.4.1983 bis 24.4.1988 ausgegangen sind, obwohl die gesetzliche Schutzfrist nach § 3 Abs 1 MustG 1970 nach wie vor drei Jahre beträgt (siehe aber zum Entwurf eines neuen Musterschutzgesetzes Kucsko in ÖBl 1986, 33), hat der erkennende Senat bei der Registrierungs- und Verwaltungsstelle den Musterschutz des Vorarlberger Stickerei- und Spitzenerzeugungsgewerbes angefragt und hiebei die Auskunft erhalten, daß sämtliche Vorarlberger Stickereibetriebe Mitglieder des Musterschiedsvertrages 1946 (siehe auch Beilage A) sind, der eine Registrierung der Muster der Mitglieder bei der Registrierungs- und Verwaltungsstelle auf fünf Jahre (mit Verlängerungsmöglicheit) vorsieht. Eine Hinterlegung der Muster bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft findet nicht statt. Daraus folgt, daß die von den Mitgliedern dieses Schiedsvertrages - hier vom Kläger - hinterlegten Muster kein absolutes Musterrecht iS des MustG 1970 begründen. Es handelt sich nicht um ein gesetzliches Immaterialgüterrecht, das dem Berechtigten gegen jeden Dritten ein Verbotsrecht einräumt, sondern um einen vertraglichen Anspruch auf Unterlassung des Eingriffs in das Muster eines Vertragsmitgliedes. Damit ist aber der dem Beklagten angelastete Verstoß kein Musterrechtsverstoß iS des MustG 1970, sondern eine nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatzpflicht auslösende Vertragsverletzung. Bei der Auslegung des Vertrages sind aber - da die Parteien gar nicht behauptet haben, daß dem Musterschiedsvertrag 1946, abgesehen von der verlängerten Schutzdauer, ein anderer Begriff des Musterrechts und der Musterrechtsverletzung als nach dem MustG 1970 zugrunde liege - die Bestimmungen des MustG sinngemäß anzuwenden.
Danach kann der Eingriff in das Musterrecht, wie auch aus der Begründung des Schiedsspruches zu entnehmen ist, nicht nur durch unbefugte Übertragung, sondern auch durch unbefugte Nachbildung eines geschützten Musters erfolgen (§ 24 MustG 1970). Bei der "Übertragung" ist der Eingriffsgegenstand mit dem Muster "identisch" (d.h. völlig gleich), bei der "Nachbildung" stimmt er mit dem Muster im Wesen überein (Schönherr-Kucsko, Wettbewerbs-, Marken-, Muster- und Patentrecht 95), d.h. er ist verwechselbar ähnlich, so daß er vom Original bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit nicht leicht unterschieden werden kann. Die Verwechselbarkeit bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung. Bei der Beurteilung der musterrechtlichen Gleichheit ist auf den Gesamteindruck abzustellen. Die Frage, ob eine Nachbildung vorliegt, ist demnach eine Rechtsfrage (VwSlg 11.753 A). Nun besteht aber zwischen den beiden beim Akt erliegenden Stoffmustern eine derartige Ähnlichkeit, daß das Vorliegen einer Nachbildung - die im übrigen gemäß § 25 Abs 1 MustG 1970 auch dann vorliegt, wenn sie in Unkenntnis des geschützten Vorbildes erfolgt - nicht zweifelhaft sein. Bei dieser Sachlage kommt es auf den Umfang der Bindung an das Schiedsgerichtserkenntnis nicht an.
Da der Beklagte von dem Eingriff in das Musterrecht der Klägerin nach der Nachbildung erfahren hat, dennoch aber durch den Verkauf ("Verschleiß") der nach dem vertraglich geschützten Muster verfertigten Ware (vgl. § 24 MustG 1970) weiterhin vorsätzlich in das auf mehrseitigem Vertrag beruhende Schutzrecht der Klägerin eingegriffen hat, hat er der Klägerin den durch diesen Vertragsbruch zugefügten Schaden sowohl nach § 1295 Abs 1 ABGB als auch, da zwischen den Streitteilen ein Wettbewerbsverhältnis besteht, wegen sittenwidrigen Vertragsbruches nach §§ 1, 16 UWG zu ersetzen; hiebei ist unter Kaufleuten (Mitbewerbern) auch der entgangene Gewinn zu ersetzen (Art 8 Nr 2 EVHGB; § 16 Abs 1 UWG).
Daß der Kläger durch den weiteren Verkauf von Nachbildungen seiner Ware durch den Beklagten in Cotonou im Absatz der Originalware empfindlich beeinträchtigt wurde und dadurch Umsatzeinbußen erlitten hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Zur Bemessung dieses Schadens nach § 273 ZPO nimmt die Revisionswerberin nicht mehr Stellung.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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