OGH 4Ob76/03k

OGH4Ob76/03k29.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Wien 1, Hofburg, Kongresszentrum, vertreten durch Hauser Newole & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Hubert K*****, 2. Margarete K*****, beide vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Unterlassung (Streitwert 29.069,13 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 3.633,64 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2003, GZ 2 R 241/02d-18, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Der Antrag, ein Vorabentscheidungsverfahren gem Art 234 EGV beim Europäischen Gerichtshof einzuleiten, wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag, ein Gesetzesprüfungsverfahren gem Art 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten, wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Erstbeklagte ist nach dem festgestellten Sachverhalt Miteigentümer jener Liegenschaft, auf der der Mostheurige stattfindet, wird in Werbemitteln und auf der Speisekarte als Mitbetreiber genannt und arbeitet an der Vorbereitung (Aufstellen von Hinweisschildern) und im Service mit. Er ist unter diesen Umständen selbst Täter der beanstandeten wettbewerbswidrigen Handlungen (Übertretung der Gewerbeordung und des nöBuschenschankG) und haftet als (Mit-)Betreiber des Heurigen insoweit auch für das Verhalten der dort tätigen Angestellten und Mitarbeitern, kann doch der Inhaber eines Unternehmens gem § 18 UWG (ua) wegen einer nach § 1 UWG unzulässigen Handlung auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen worden ist (ÖBl 1995, 78 - Perlweiß II; ÖBl 1996, 80 - Städtische Bestattung uva) und in den gewerblichen Tätigkeitsbereich des Unternehmensinhabers fällt (4 Ob 134/01m - Das versteckte Mikrofon).

2. Ob ein Wettbewerbsverhältnis besteht, ist nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Ein Wettbewerbsverhältnis wird nach ständiger Rechtsprechung immer dann bejaht, wenn sich die beteiligten Unternehmer an einen im Wesentlichen gleichen Abnehmerkreis wenden, wobei es genügt, dass die von ihnen vertriebenen Waren (oder Leistungen) ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander nach der Verkehrsauffassung im Wettbewerb behindern können (ÖBl 1992, 265 - Product-Placement; ÖBl 1994, 217 - Satellitenprogramm je mwN; wbl 2000, 386 - Bodyguard). Der in § 14 UWG gebrauchte Begriff "verwandter Art" ist weit auszulegen; "verwandter Art" sind alle Waren und Leistungen, die geeignet sind, das gleiche Verkehrsbedürfnis zu befriedigen, und deshalb in Konkurrenz zueinander treten und sich im Absatz beeinträchtigen können; es genügt, dass sich die Parteien um denselben Kundenkreis bemühen (ÖBl 1992, 267 - Product-Placement; wbl 2000, 386 - Bodyguard). Der Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses steht nicht entgegen, dass die Betätigungsgebiete zweier Unternehmen nicht zur Gänze zusammenfallen, die jeweiligen Angebote also nur teilkongruent sind. Die Geschäftsbetriebe zweier Unternehmen müssen nicht in der Hauptsache übereinstimmen; es genügt, wenn dies teilweise der Fall ist (ÖBl 1991, 221 - Nachschlüssel mwN), die Kreise einander also schneiden (MR 1996, 194 = ÖBl 1997, 78 - CD-ROM; MR 1998, 163 = ÖBl 1998, 300 - Schneefall am Heiligen Abend; ÖBl-LS 2001/132 - V-GmbH II). Nach diesen Grundsätzen kann es nicht zweifelhaft sein, dass zwischen dem Betreiber eines Mostheurigen und (von der Klägerin vertretenen) Gastgewerbebetrieben in Ansehung der Verabreichung von Speisen und Getränken ein Wettbewerbsverhältnis besteht.

3. Auch wenn der Mostheurige der Beklagten nur an wenigen Tagen im Jahr geöffnet hat, kommt es doch zu einem Zusammenstoßen im Wettbewerb mit Gastronomiebetrieben; ein Rechtsschutzbedürfnis, wettbewerbswidrige Handlungen abzustellen, wäre aber nur dann zu verneinen, wenn praktisch jede Möglichkeit einer Schädigung fehlte (ÖBl 1987, 50 - Grabsteinwerbung mwN).

4. Es besteht kein zwingender Anlass, Rechtfertigungsgründe und daraus resultierende Ausnahmen vom gerichtlichen Verbot in den Spruch aufzunehmen, gelten diese doch auf Grund des Gesetzes unabhängig davon, ob sie im Spruch des Unterlassungsgebots ausdrücklich erwähnt werden oder nicht. Liegt der rechtfertigende Tatbestand vor, kann auf Grund des hier ergangenen gerichtlichen Unterlassungsgebotes nicht erfolgreich Exekution geführt werden (SZ 73/117 = MR 2000, 308 - Verbrecherpolizisten; MR 2001, 232 - Spitzelaffäre II). Soweit das Verhalten der Beklagten demnach infolge von Ausnahmevorschriften etwa des nöBuschenschankG oder der Gewerbeordnung (insbesondere betreffend die landwirtschaftliche Selbstvermarktung eigener Produkte) zulässig ist, wird es vom Unterlassungsgebot nicht berührt.

5. Soweit sich die Beklagten gegen die beispielhafte Aufzählung bestimmter Speisen im Unterlassungstitel wenden, sind sie darauf zu verweisen, dass es sich bei der Fassung des Unterlassungsgebots immer um eine auf die Umstände des Einzelfalls abstellende Formulierung handelt (ÖBl 1991, 105 - Hunderwasser-Pickerln II; ÖBl 1991, 108 - Sport-Sonnenbrille; 4 Ob 87/98t uva), der - mit Ausnahme von hier nicht gegebener grober Fehlbeurteilung - keine darüber hinausgehende Bedeutung beizumessen ist. Es entspricht nicht der in § 502 Abs 1 ZPO bestimmten Leitfunktion des Obersten Gerichtshofes, einen Katalog von gem § 11 nöBuschenschankG zulässigen Süßwaren aufzustellen, zumal ein Verstoß gegen dieses Gesetz schon durch die festgestellte Verabreichung von Kaffee und nicht selbstgebrannten geistigen Getränken feststeht.

6. Für die Frage der Sittenwidrigkeit (§ 1 UWG) ist ohne Bedeutung, wo sich der Mostheurige der Beklagten befindet, an wieviel Tagen im Jahr er geöffnet hat und wie häufig es dort zu Gesetzesverletzungen kommt. Die Auffassung der Vorinstanzen, es sei unvertretbar, einen "Mohr im Hemd" oder einen mit süßem Most und Birnenschnitten hergestellten Sandkuchen ("b'soffener Bauer") als nach typischen bäuerlichen Rezepten hergestellte Obstkuchen zu beurteilen, bedarf keiner Korrektur im Interesse der Rechtssicherheit durch gegenteilige Sachentscheidung. Ein Wertungswiderspruch, der - folgt man den weitwendigen Ausführungen der Beklagten - darin liegen soll, dass Bergbauern einerseits dem Wettbewerbsrecht unterliegen, andererseits aber nach Gemeinschaftsrecht oder der Alpenkonvention besondere Förderungsmaßnahmen beanspruchen können, ist nicht erkennbar.

7. Ob und in welchem Umfang ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums durch Urteilsveröffentlichung besteht, richtet sich nach den konkreten Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls; dieser Frage kommt regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (ÖBl-LS 2000/14 - Brennpunkt Tirol uva).

8. Ein Verstoß von Bestimmungen des nöBuschenschankG gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art 49 EGV unter dem Aspekt einer Beschränkung der Herstellung, Be- und Verarbeitung bäuerlicher Qualitätsprodukte, wie ihn die Rechtsmittelwerber behaupten, ist nicht zu erkennen, zumal sich das genannte Gesetz mit der Ausschank von Getränken und der Verabreichung von Speisen, also nicht mit der Produktion, sondern (ua) mit der Vermarktung befasst. Ob die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH vorliegen, hat allein das Gericht von Amts wegen zu befinden; die Parteien können ein entsprechendes Ersuchen nur anregen (stRsp ua SZ 69/5, SZ 69/274; SZ 70/171; SZ 71/186; ÖBl 2002, 188 - LAND AND SKY uva). Der ausdrückliche Antrag der Beklagten ist unzulässig und war daher zurückzuweisen.

9. Das Gleiche gilt auch für die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs; in Anbetracht der amtswegigen Prüfungspflicht besteht kein Antragsrecht der Parteien des Zivilverfahrens (SZ 66/35; SZ 68/249 je mwN). Der erkennende Senat hat aber gegen die sachliche Rechtfertigung der in Frage stehenden Normen, die die Verabreichung (nur) bestimmter Getränke und Speisen im Rahmen einer Buschenschank dadurch privilegieren, dass diese Tätigkeit von der Anwendung der Gewerbeordnung ausgenommen ist, keine Bedenken.

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