European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E125516
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die Obsorge über das achtjährige Kind stand zunächst der Mutter N* C*, geboren am *, zu. Mit Beschluss vom 20. 10. 2015 wurde ihr die Obsorge entzogen und diese auf die mütterliche Großmutter übertragen. Sowohl die Mutter als auch die Großmutter des Kindes sind zwischenzeitlich verstorben. Zunächst (ab März 2017) wurde der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung betraut; seit 9. 1. 2018 steht ihm die gesamte Obsorge zu.
Im Jänner 2017 erstattete die Leitung des Kindergartens wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eine Gefährdungsmeldung. Das in der Folge gegen den Lebensgefährten der Großmutter (das ist der Einschreiter) geführte Ermittlungsverfahren wurde (am 26. 6. 2017) von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
Am 9. 2. 2017 wurde das Kind in einem Krisenzentrum untergebracht. Am 27. 3. 2017 erfolgte schließlich die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngemeinschaft. Seit der Betreuung des Kindes im Rahmen der Wohngruppe gelang es ihm sukzessive, sein unkontrolliertes aggressives Verhalten, aufgrund dessen das Kind wiederholt stationär im Krankenhaus aufgenommen wurde, seinen Fähigkeiten entsprechend zu verändern, sich anzupassen und Grenzen zu akzeptieren.
Ab Herbst 2017 begann das Kind von seinen Gewalterfahrungen mit dem Einschreiter und dessen (Todes-)Drohungen gegenüber der Großmutter zu berichten. Zudem äußerte es sich dahin, nicht beim Einschreiter leben zu wollen.
Mit Antrag vom 2. 8. 2017 begehrte der Einschreiter, dass sein Kontakt gegenüber dem Kind wie folgt geregelt werde: „Jede zweite Woche an Samstagen in der Wohngemeinschaft oder koordiniert mit den Betreuern außerhalb der Wohngemeinschaft von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr.“
Das Erstgericht räumte dem Einschreiter telefonische Kontakte zum Kind am Mittwoch jeder Woche ein; den darüber hinausgehenden Antrag auf Einräumung von 14‑tägigen Kontakten wies es hingegen ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Gewalterfahrungen des Kindes ließen sich sowohl dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen als auch der Stellungnahme der Mitarbeiter der Wohngemeinschaft entnehmen. Vor diesem Hintergrund sei kein dem Kindeswohl dienender Nutzen aus persönlichen Kontakten des Kindes zum durchwegs gewaltbesetzten Einschreiter zu erkennen. Die Einholung eines Ergänzungsgutachtens sei entbehrlich. Zudem sei auf die Wünsche des Kindes Rücksicht zu nehmen.
Rechtliche Beurteilung
Mit den Ausführungen im außerordentlichen Revisionsrekurs wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:
1.1 Auch im Pflegschaftsverfahren gilt, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz grundsätzlich keinen Revisionsrekursgrund bildet (4 Ob 246/18g). Im Anlassfall kommt hinzu, dass die Prüfung, ob zur Gewinnung der erforderlichen Feststellungen noch weitere Beweise notwendig sind, als Akt der Beweiswürdigung nicht revisibel ist (RIS‑Justiz RS0043414 [T15]). Gelangen die Vorinstanzen zum Ergebnis, dass eine ausreichende Entscheidungsgrundlage vorliegt, so ist die Frage, ob im Einzelfall ein Sachverständigengutachten bzw – wie hier – ein Ergänzungsgutachten erforderlich ist, vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbar (RS0108449 [T4]; RS0115719 [T10]).
1.2 Im Anlassfall hat das Erstgericht (ohnedies) ein familien- und kinderpsychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Zudem liegt ein – auch in Bezug auf die Schilderungen des Kindes – übereinstimmender Bericht der das Kind betreuenden Einrichtung vor. In beiden die Lebenssituation des Kindes aufarbeitenden fachlichen Stellungnahmen wird auch das von Gewalterfahrungen und Ablehnung des Kindes geprägte Verhältnis zum Einschreiter behandelt. Die Behauptung des Einschreiters, dass sich die gerichtliche Sachverständige mit den von ihm beantragten Kontakten gar nicht auseinandergesetzt habe, ist unrichtig.
2.1 In rechtlicher Hinsicht vertritt der Einschreiter den Standpunkt, dass die Schilderungen des Kindes über dessen Gewalterfahrungen aufgrund der zuletzt eingetretenen Schicksalsschläge durch den Tod der Großmutter und der Mutter zu hinterfragen und neu zu beurteilen seien.
2.2 Bei einem persönlichen oder familiären Verhältnis zum Kind stehen nach § 188 Abs 2 ABGB grundsätzlich auch Dritten weiterbestehende persönliche Kontakte zum Kind zu. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Aufrechterhaltung der persönlichen Kontakte zu einer bisher wichtigen Bezugsperson dem Kindeswohl dient (vgl RV 2004 BlgNR 24. GP 29). In einem solchen Fall hängt der Umfang der Kontakte davon ab, wie weitgehend eine persönliche Beziehung zum Kind besteht und inwieweit sie im Interesse des Kindes aufrechtzuerhalten ist. Diese Beurteilung ist typisch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig. Dabei gilt es, im Interesse des Kindes Gefahren für die Störung des friedlichen Zusammenlebens in einer familiären Gemeinschaft oder für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung des Kindes zu vermeiden (vgl 9 Ob 46/17f).
2.3 Die Entscheidungen der Vorinstanzen orientieren sich an diesen Grundsätzen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass aufgrund der Gewalterfahrungen des Kindes unter Berücksichtigung seiner Wünsche ein über die eingeräumten telefonischen Kontakte hinausgehender persönlicher Kontakt zum Einschreiter nicht dem Kindeswohl entspricht, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Die Vorinstanzen haben in diesem Zusammenhang auch berücksichtigt, dass sich seit der „ungestörten“ Betreuung des Kindes in der Wohngruppe dessen Verhalten günstig verändert hat.
3. Insgesamt gelingt es dem Einschreiter mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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