Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 44.492,60 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 5.207,10 Umsatzsteuer und S 13.250 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die Medieninhaberin von "t*****", brachte in der Ausgabe dieser Zeitung vom 5.9.1993 folgende Ankündigung:
Der Ausgabe dieser Zeitung lag auch ein "Casino-Spieltisch" mit 17 vorgedruckten Zahlen bei. Nach Ablauf der ersten Woche wurde das Gewinnspiel weitergeführt, so daß die Gesamtsumme der ausgespielten Gewinne S 300.000 überstieg.
Die Klägerin ist eine 100 %ige Tochter der M*****gesellschaft mbH & Co KG. Es besteht ein Rechtsbüro, das dieser Gesellschaft und ihren fünf Tochtergesellschaften, darunter auch der Klägerin, zur Verfügung steht. Üblicherweise machen diejenigen Gesellschaften Wettbewerbsverstöße geltend, die davon betroffen sind. Das Rechtsbüro koordiniert die Verfolgung der Wettbewerbsverstöße.
Mit Vergleich vom 5.3.1993 hatte sich die Beklagte im Verfahren zu 37 Cg 82/92 des Handelsgerichtes Wien gegenüber der dortigen Klägerin M*****gesellschaft mbH & Co KG zur Unterlassung des Ankündigens unentgeltlicher Zugaben verpflichtet. Der Klage war ein Gewinnspiel mit einer ausgespielten Summe von mehr als S 300.000 zugrunde gelegen. Der Vergleich (im folgenden kurz als "Vergleich 37 Cg 82/92" bezeichnet) lautet:
"Die Beklagte verpflichtet sich, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften zu Zwecken des Wettbewerbs die Ankündigung der Gewährung unentgeltlicher Zugaben und/oder Prämien, insbesondere von Traumeinrichtungen im Gesamtwert von S 600.000, zu unterlassen, wenn für die Erlangung der Zugabe und/oder Prämie der Erwerb einer von der beklagten Partei verlegten Zeitung oder Zeitschrift, insbesondere der Zeitschrift "D*****" notwendig oder förderlich ist."
Am 15.9.1993 beantragte die M*****gesellschaft mbH & Co KG auf Grund dieses Vergleiches gegen die Beklagte wegen des Casino-Gewinnspiels die Exekution zur Erzwingung der Unterlassung. Sie wies darauf hin, daß durch dieses Gewinnspiel die Höchstgrenze von S 300.000 überschritten worden sei, vertrat allerdings auch den Rechtsstandpunkt, daß infolge der Änderung des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes das Gewinnspiel auch ohne Überschreitung eines Höchstbetrages unzulässig und vom Exekutionstitel umfaßt sei. Sie gründete ihren Exekutionsantrag auch auf die einstweilige Verfügung des Handelsgerichtes Wien vom 9.6.1993 zu 37 Cg 255/93, mit welcher der Beklagten verboten worden war, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Herausgabe periodischer Druckschriften, insbesondere der Tageszeitung "t*****", Zugaben anzukündigen und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies durch Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Gewinnspiel (Preisausschreiben) geschieht, wie etwa dem Spiel "Lot-Top".
Mit der Behauptung, daß das "Casino-Gewinnspiel" gegen § 9 a oder doch gegen § 1 UWG verstoße, begehrt die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr beim Vertrieb von Zeitungen und/oder Zeitschriften zu Wettbewerbszwecken es zu unterlassen, unentgeltliche Zugaben, insbesondere Geldprämien in Höhe von S 100.000, S 50.0000 und/oder S 5.000 für Spielteilnehmer am "Casino-Gewinnspiel", die 17, 16 oder 15 richtige Spielzahlen eingekreist haben, anzukündigen und/oder zu gewähren. Ferner stellt sie ein Veröffentlichungsbegehren.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Das Gewinnspiel sei nach § 9 a Abs 2 Z 5 UWG zulässig. Außerdem fehle der Klägerin das Rechtsschutzinteresse, weil ihr der Vergleich 37 Cg 82/92, zur Verfügung stehe. Auf Grund dieses Exekutionstitels werde wegen des Casinospiels schon Unterlassungsexekution geführt. Ob dieser Vergleich auch Gewinnspiele betrifft, bei denen der Gesamtwert der ausgespielten Preise unter S 300.000 liege, brauche nicht erörtert zu werden, weil die einzelnen Folgen des Gewinnspiels wegen der einheitlichen Bezeichnung und Gestaltung ohnehin zuzusammenzurechnen seien und die Gesamtsumme der Preise S 300.000 überschreite.
Die Klägerin behauptete demgegenüber, daß ihr Rechtsschutzinteresse zu bejahen sei. Ganz abgesehen davon, daß der Vergleich 37 Cg 82/92 nur das Verbot des Ankündigens umfasse, verschweige die Beklagte das Wesentliche, daß nämlich das Casino-Gewinnspiel ursprünglich für die Woche vom 5. bis 11.9.1993 ausgelegt gewesen sei, für welche die Gesamtgewinnsumme auf S 300.000 begrenzt war. Tatsächlich habe aber die Beklagte das Gewinnspiel - offensichtlich wegen des großen Erfolges - über das angekündigte Ende hinaus fortgesetzt. Das Klagebegehren sei ausschließlich auf die erste Spielrunde abgestellt. Der klagenden Partei selbst stehe überhaupt kein Unterlassungstitel gegen die Beklagte zur Verfügung.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur insoweit statt, als es das Gewähren betraf; das Mehrbegehren, der Beklagten auch das Ankündigen der näher bezeichneten Zugaben zu untersagen, wies es ebenso wie das darauf entfallende Veröffentlichungsbegehren ab. Daß das Gewinnspiel unzulässig sei, sei schon im Provisorialverfahren ausgesprochen worden; die Beklagte habe dazu keine Ausführungen mehr erstattet. Das Rechtschutzinteresse der Klägerin sei zu verneinen, soweit ihre Muttergesellschaft oder andere Tochtergesellschaften über gleichwertige Titel verfügten. Das treffe auf den Vergleich 37 Cg 82/92 zu. Dieser sei zwar auf Grund der alten Rechtslage (Unzulässigkeit von Gewinnspielen nur über S 300.000 Gesamtwert der ausgespielten Preise) und einer auf diese gegründeten Klage geschlossen worden, jedoch nicht auf den konkreten oder gleichartige Verstöße eingeschränkt. Es sei anzunehmen, daß die Streitteile durch den Vergleich einen möglichst umfassenden, Folgeprozesse sparenden Titel schaffen wollten. Nach dem - maßgeblichen - klaren Wortlaut sollten alle - also auch auf Grund künftiger Rechtslage- unzulässige Gewinnspiele umfaßt werden. Die Geltung des Vergleichs sei somit nicht auf Gewinnspiele mit einer Gesamtsumme von über S 300.000 eingeschränkt. Allerdings sei hievon nur die Ankündigung, nicht auch die Durchführung von Gewinnspielen umfaßt. An dem Verbot des Gewährens bestehe daher nach wie vor ein Rechtschutzinteresse, so daß sich das Unterlassungsbegehren nur hinsichtlich der Durchführung, nicht aber auch des Ankündigens als gerechtfertigt erweise.
Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Der Vergleich 37 Cg 82/92 wahre das Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht vollständig im Sinne der Entscheidung MR 1994, 81 - Singer-Werbung. Der Vergleich sei so auszulegen, wie diese Erklärung der Parteien unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozeßzweckes und der dem Gericht sowie dem Gegner bekannten Prozeß- und Aktenlage - also insbesondere der Ergebnisse des Provisorialverfahrens - objektiv verstanden werden mußte. Zu ermitteln sei nicht der tatsächliche (innere) Wille des Erklärenden, sondern der objektive Erklärungswert. Nach diesen Grundsätzen habe aber kein Anlaß daran zu zweifeln bestanden, daß der objektive Erklärungswert hier in der Vereinbarung einer - prozeßbeendenden - Unterlassungsverpflichtung der Beklagten in bezug auf Zeitungsgewinnspiele bestanden habe, deren Gewinnsumme S 300.000 überstieg.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist allein die Frage, ob das Rechtschutzinteresse der Klägerin für ihr Begehren auf Verbot des Ankündigens von Zugaben, insbesondere Geldprämien, deshalb zu verneinen ist, weil ihre Muttergesellschaft mit dem Vergleich 37 Cg 82/92 insoweit einen Exekutionstitel erlangt hat. Zutreffend verweist die Beklagte darauf, daß es für die Beantwortung dieser Frage nicht auf die Auslegung des Vergleiches ankommt. Ob die von der Beklagten - dem Wortlaut des Vergleiches nach unbeschränkt übernommene - Unterlassungsverpflichtung nur für solche Zugabenankündigungen gelten sollte, die zur Zeit des Vergleichsabschlusses nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG idF Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz 1992 BGBl 147 fielen oder aber für alle Zugabenankündigungen, die nach der jeweiligen Rechtslage unzulässig sind, kann tatsächlich offen bleiben, weil bei dem hier beanstandeten Gewinnspiel der Gesamtwert der ausgespielten Preise ohnehin S 300.000 überschritten hat. Wohl hieß es in der Ankündigung, daß "insgesamt ... S 300.000 als Gewinne zur Verfügung (stehen)"; diese Behauptung bezog sich aber auf das Spiel in der Woche vom 5. bis 11.9.1993. Diese Spielwoche wurde aber schon in der - in der Klage abgelichteten - Ankündigung als "1. Runde" bezeichnet. Damit hatte die Beklagte schon damals klargestellt, daß es nicht bei dem Spiel in der Woche ab 5.9.1993 bleiben soll. Die tatsächliche spätere Weiterführung des Gewinnspiels war also schon vorgesehen und (auch) für die Klägerin erkennbar. Der Hinweis der Revision auf diese Ankündigung ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht aktenwidrig, sondern steht im Einklang mit dem diese Ankündigung enthaltenden Klagevorbringen.
Wie der erkennende Senat schon ausgesprochen hat, muß die Frage, ob mehrere gleichartige, in einem zeitlichen Zusammenhang stehende Gewinnspiele als "ein Gewinnspiel" iS des § 9 a Abs 2 Z 8 UWG zu verstehen sind, vor allem danach beurteilt werden, ob ihre Attraktivität und damit ihr Einfluß auf den Kaufentschluß von der Gewinnchance bei einem Tagesspiel oder von der des gesamten Spiels bestimmt wird (ÖBl 1993, 171 - Lot top). Da die Klägerin - wie beim "Lot top"-Spiel - von einer "1. Runde" gesprochen hat, hat sie damit nicht nur zu erkennen gegeben, daß (zumindest) eine zweite Runde folgen wird, sondern auch, daß sie selbst die zwei oder mehreren Runden des Casino-Gewinnspiels als einheitliches Spiel betrachtet, das eben in mehreren Wochen veranstaltet wird. Die Beklagte war daher Veranstalterin einer Gewinnspiel-Serie, die mehrmals Gewinnchancen bot und dementsprechend auch eine größere Aufmerksamkeit auf das Spiel und damit auf ihre Zeitung zog. Ohne die Regeln der zweiten Runde zu kennen, konnte es doch keinem Zweifel unterliegen, daß auch dabei wieder Geld ausgespielt wird. Die Summe von S 300.000, die ja schon in der ersten Woche erreicht wurde, mußte damit jedenfalls überschritten werden.
Daraus folgt aber, daß das Ankündigen des beanstandeten Gewinnspiels unter den Wortlaut des Vergleiches 37 Cg 82/92 fiel. Eine Exekutionsführung auf Grund dieses Vergleiches ist freilich nur der Klägerin des Verfahrens zu 37 Cg 82/92, also der M*****gesellschaft mbH & Co KG, nicht aber der Klägerin möglich.
Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates fällt das Rechtschutzbedürfnis eines Klägers nicht schon dadurch weg, daß andere Mitbewerber oder Verbände bereits einen Exekutionstitel auf Unterlassung der in Rede stehenden Wettbewerbshandlung erwirkt haben
(SZ 59/25 = ÖBl 1986, 102 - Nr 1 im Fensterbau; ÖBl 1989, 14 - C &
C-Markt; ÖBl 1990, 18 = MR 1989, 219 - Mafiaprint; ÖBl 1990, 119 -
Zinsertragssteuer-Rückvergütung ua). Dieses Interesse kann freilich - aber auch nur - dann verneint werden, wenn im Einzelfall zwischen verschiedenen Klageberechtigten solche tatsächlichen oder rechtlichen Bindungen bestehen, daß nach der Lebenserfahrung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß das schutzwürdige Interesse eines Klageberechtigten durch eine andere (natürliche oder juristische) Person vollwertig gewahrt wird (ÖBl 1990, 119 - Zinsertragssteuer-Rückvergütung).
Ein solcher Zusammenhang zwischen der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft ist im Hinblick auf die dazu getroffenen Feststellungen zu bejahen. Danach besteht für die miteinander verbundenen Gesellschaften der M*****-Gruppe ein einheitliches Rechtsbüro, welches die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen koordiniert. Das Interesse (auch) der Klägerin an der Verfolgung unzulässiger Wettbewerbshandlungen der Beklagten ist daher vollwertig gewahrt, wenn auch nur eine der Gesellschaften über einen entsprechenden Exekutionstitel verfügt, deren Exekutionsführung vom gemeinsamen Rechtsbüro bestimmt wird.
Diese Rechtsauffassung beruht auf einer Weiterentwicklung der seit Jahrzehnten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach einer neuerlichen Klage dann, wenn der Kläger bereits einen Exekutionstitel zur Durchsetzung seines Anspruches hat, die (materiellrechtliche) Einrede des mangelnden Rechtschutzbedürfnisses entgegensteht, welche zur Abweisung des Klagebegehrens führt (SZ 21/124; SZ 48/116; ÖBl 1979, 81 - K, Der Witwentröster; ÖBl 1983, 16 - Die meistgelesene Zeitung; SZ 63/109 = ÖBl 1991, 113 - Goldfassl; MR 1990, 237 - Bezahlte Promotion; SZ 66/145 uva). Von dieser Rechtsprechung ist allerdings jüngst der dritte Senat des Obersten Gerichtshofes in SZ 66/173 im Hinblick auf die Änderung der § 54 Abs 4 AO, § 60 Abs 2, § 156 a Abs 2 KO durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982 BGBl 370 abgegangen. Nunmehr normiere der Gesetzgeber ungeachtet des Umstandes, daß zumindest im Inland die Eintragungen in den Anmeldungsverzeichnissen in den Wirkungen mit Urteilen völlig gleichgestellt wurden, daß Leistungsbegehren dennoch zulässig blieben, dem unterlegenen Beklagten aber die Prozeßkosten zu ersetzen seien, es sei denn, er habe die Abweisung des Klagebegehrens beantragt oder der Kläger benötige das Urteil zur Zwangsvollstreckung in einem Staat, der Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis eines österreichischen Gerichtes nicht als Exekutionstitel anerkennt. Wie die RV 3 BlgNR 15. GP 41 dazu ausführe, sollte damit der wichtige Streit gelöst werden, ob und wie weit die Möglichkeit der Beschaffung eines Exekutionstitels auf Grund der Ergebnisse des Insolvenzverfahrens auf nachfolgende Verfahren über Geldleistungsansprüche einwirke. Dem berechtigten Schutz des Schuldners vor willkürlicher Inanspruchnahme diene eine besondere Kostenersatzbestimmung, die dem § 45 ZPO verwandt sei. Jedenfalls für einen der Hauptanwendungsfälle der Lehre vom allgemeinen Rechtschutzbedürfnis, nämlich der Schaffung eines Doppeltitels, habe damit der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben, daß er ein solches Prinzip in analoger Erweiterung der ausdrücklich im Gesetz angegebenen negativen Prozeßvoraussetzungen ablehne. Es würde einen kaum erklärbaren Wertungswiderspruch bedeuten, wenn man in anderen gleichgelagerten Fällen, denen die Prozeßhindernisse der Streitanhängigkeit oder der Rechtskraft nicht entgegenstehen, durch eine allgemeine Rechtsanalogie, die eine bisher unbewiesen gebliebene Gesetzeslücke voraussetzen würde, der Ablehnung gerichtlichen Rechtsschutzes das Wort redete. Dies könnte weder den Verfassungsgarantien des Art 6 MRK noch den Bestrebungen des österreichischen Gesetzgebers entsprechen, den Zugang zum Recht zu verbessern.
Dieser Auffassung - die sich auf Lehrmeinungen stützen kann (Fasching, LB2 Rz 742; Konecny in RdW 1986, 37; Rechberger/Simotta, Zivilprozeßrecht3 Rz 16/1; Graff in ecolex 1990, 294) - vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen:
Wie schon in SZ 66/145 ausgeführt, kann aus der Neufassung der § 54 Abs 4 AO, § 60 Abs 2 und § 156 a Abs 3 KO nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber "Doppeltitel" billige. Diese Bestimmungen wurden vielmehr nur deshalb geändert, weil unbestrittenen Forderungsanmeldungen und Auszügen aus Anmeldungsverzeichnissen deshalb eine geringere Wirkung als vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen zukommt, weil zahlreiche Staaten die Exekution bloß auf Grund eines Auszuges aus einem österreichischen Anmeldungsverzeichnis ablehnen. Das bedeutet aber, daß das Rechtschutzbedürfnis eines Gläubigers durch ein solches Anmeldungsverzeichnis noch nicht hinreichend befriedigt ist. Wäre der Gesetzgeber der Ansicht, daß die Schaffung eines Exekutionstitels, dem nicht Streitanhängigkeit oder Rechtskraft entgegensteht, ohne weiteres zulässig sei, dann hätte es der ausdrücklichen Norm, daß Leistungsklagen über solche Forderungen zulässig bleiben, nicht bedurft; vielmehr hätte eine Regelung der Kostenfrage genügt. Kann ein Kläger ohnehin schon Exekution führen, dann ist nicht zu erkennen, weshalb die Verweigerung einer weiteren Klageführung - soweit für sie nicht besondere triftige Gründe ins Treffen geführt werden können - in Widerspruch zu Art 6 MRK stünde oder den Zugang zum Recht unbillig erschwerte.
Der erkennende Senat sieht daher keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung zur Frage des Rechtschutzbedürfnisses abzugehen.
Aus diesen Erwägungen war das Urteil des Erstgerichtes in Stattgebung der Revision wiederherzustellen.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.
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