OGH 4Ob68/97x

OGH4Ob68/97x11.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek und Dr. Niederreiter und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Ramsauer & Perner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. Dezember 1996, GZ 5 R 219/96d-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 23. Juli 1996, GZ 39 Cg 188/96d-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 17.812,50 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Herausgeberin der Tageszeitung "S*****". Die "S*****" erscheinen in einer "Österreichausgabe" und in einer "S***** Lokalausgabe". Zunächst wird jeweils die "Österreichausgabe" gedruckt; nach der Änderung von im Durchschnitt acht bis neun Seiten geht die "S***** Lokalausgabe" in Druck. Die übrigen Seiten - einschließlich Anzeigenteil - bleiben im wesentlichen unverändert. Für geänderte Seiten sind eigene Druckunterlagen, Filme und dergleichen herzustellen; Mutationsseiten verursachen daher höhere Kosten als nicht mutierte Seiten.

1993 hatten die "S*****" einschließlich aller Mutationsseiten insgesamt 14.295 Seiten mit einem Anzeigenanteil von 20,31 %. 3.701 Seiten waren Mutationsseiten; davon entfielen 2.610 auf die Änderungen der Österreich-Ausgabe und der S*****-Ausgabe. Der Rest waren sonstige Mutationen.

Am 30.3.1994 beantragte die Klägerin, ihr "die besondere Presseförderung für 1994 gemäß Abschnitt II § 8 PFG 1985" zu gewähren. Sie wies darauf hin, daß der Anzeigenanteil der "S*****" 20,31 % betrage. Nachdem das Bundeskanzleramt bei der Klägerin ergänzende Informationen eingeholt hatte, lehnte es den Förderungsantrag ab. Nach Ansicht der Presseförderungskommission sei eine Zeitung nicht förderungswürdig, wenn ihr Anzeigenanteil 22 % übersteige. Die Zahl der mutierten Seiten sei zwar für die Berechnung des Förderungsbetrages gemäß § 7 Abs 3 Z 2 PFG 1985 relevant, nicht aber für die Berechnung des jährlichen Seitenumfanges nach § 7 Abs 2 Z 6 leg cit. Demnach betrage der Jahresseitenumfang 10.594, so daß sich ein Anzeigenanteil von 27 % ergebe.

Der Rechtsvertreter der Klägerin ersuchte den Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt, die Ablehnung näher zu begründen. Der Verfassungsdienst bezeichnete die von der Klägerin gewünschte Berechnungsmethode als nicht gesetzeskonform. Sie ermögliche es, durch geringfügige Mutationen den Prozentsatz des Anzeigenumfanges zu manipulieren. Im Bereich der Presseförderung gebe es keine Amtshaftung, weil das Presseförderungsgesetz eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung sei.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Förderung fremden Wettbewerbs durch Gewähren von Mitteln aus der besonderen Presseförderung gemäß dem Presseförderungsgesetz 1985 in der Weise zu unterlassen, daß infolge Unterlassens der Einbeziehung der für die "Österreichausgabe" der "S*****" redaktionell hergestellten Seiten in den jährlichen Seitenumfang gemäß § 7 Abs 2 Z 6 PFG 1985 die "S*****" keine Mittel aus der besonderen Presseförderung erhalten.

"P*****" und "St*****" erhielten jährlich rund S 70,000.000,-- an besonderer Presseförderung. Sie verwendeten diesen Betrag für Plakatwerbung, Gratisverteilung, Anzeigen und Hörfunkspots. Dadurch werde der Wettbewerb verzerrt, weil der Klägerin diese Mittel nicht zur Verfügung stünden. Der Klägerin stehe kein klagbarer Anspruch auf die Presseförderung zu. Die Beklagte verteile die Förderungsmittel in gesetzwidriger Weise. Sie verstoße damit gegen § 1 UWG. Wettbewerbsabsicht sei gegeben, weil die Presseförderung gerade dazu diene, die Medienvielfalt und damit den Wettbewerb zu erhalten. Die Bestimmungen des Presseförderungsgesetzes 1985 über die besondere Presseförderung seien gleichheits- und damit verfassungswidrig.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf Förderung noch ein Unterlassungsanspruch zu. Das Klagebegehren sei unschlüssig. Die Förderung für 1994 sei bereits gewährt; über künftige Förderungen könne nicht entschieden werden, weil nicht feststehe, welche Ansuchen zu erledigen sein werden. Aus der Förderung von Zeitungen, welche die im Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, könne kein wettbewerbsschädigendes Verhalten abgeleitet werden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es hielt fest, nicht feststellen zu können, daß bei der Interpretation der maßgebenden Bestimmung des Presseförderungsgesetzes 1985 bei der Beklagten die Absicht bestanden oder mitgewirkt habe, die Klägerin in deren Wettbewerbsverhältnis mit ihren Konkurrenten, insbesondere der "P*****" und dem "St*****", zu benachteiligen.

Das Klagebegehren sei auch dann nicht berechtigt, wenn die Beklagte innerhalb der Privatwirtschaftsverwaltung gehandelt habe. Die Auslegung der maßgebenden Gesetzesstelle könne jedenfalls mit gutem Grund vertreten werden; die Klägerin habe auch nicht bewiesen, daß die Beklagte in Wettbewerbsabsicht gehandelt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Presseförderung sei eine privatrechtliche Maßnahme, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Mit der Förderung bestimmter Herausgeber oder Verleger werde in den freien Leistungswettbewerb eingegriffen. Ob der Bundesregierung deshalb eine Wettbewerbsabsicht zu unterstellen sei, könne ungeprüft bleiben, weil die Förderung bestimmter Herausgeber oder Verleger und die nach Ansicht der Klägerin aus § 1 UWG zu schließende Verpflichtung der Bundesregierung, nicht fremden Wettbewerb unlauter zu fördern, zu einer Gesetzeskonkurrenz führen würde. Das Presseförderungsgesetz gehe als die speziellere Norm vor; die allgemeine Regel des § 1 UWG sei nicht anzuwenden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat entgegen § 500 Abs 2 Z 1 ZPO nicht ausgesprochen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt. Seine Ausführungen zur Zulassung der ordentlichen Revision zeigen aber, daß es einen S 50.000,-- übersteigenden Wert angenommen hat. Es hat sich daher erübrigt, die Entscheidung zur Verbesserung zurückzustellen.

Die Klägerin hält an ihrer Auffassung fest, daß die Wettbewerbsabsicht der Beklagten offenkundig sei. Das Presseförderungsgesetz regle ausschließlich den Leistungswettbewerb zwischen Medienunternehmen; seine Anwendung sei eine Wettbewerbshandlung. Bei einer Gesetzesverletzung müsse den Gesetzesanwendern Wettbewerbsabsicht unterstellt werden. Das Presseförderungsgesetz knüpfe die Presseförderung an sachlich nicht gerechtfertigte Voraussetzungen; es sei daher verfassungswidrig.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 1 UWG. Nach dieser Bestimmung ist zur Unterlassung verpflichtet, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen. Ein Gesetzesverstoß ist sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn er schuldhaft und in der Absicht begangen wird, einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen (stRsp ua SZ 68/168 = ecolex 1996, 109 = ÖBl 1996, 88 = RdW 1996, 309 = WBl 1996, 81 - Knoblauch-Kapseln mwN).

"Geschäftlicher Verkehr" ist nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre jede selbständige auf Erwerb gerichtete Tätigkeit - im Gegensatz zu rein privater oder amtlicher Tätigkeit -, also jede geschäftliche Betätigung im weitesten Sinn, ohne daß Gewinnabsicht notwendig wäre. Es genügt vielmehr eine selbständige, zu wirtschaftlichen Zwecken ausgeübte Tätigkeit, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt (Hohenecker/Friedl, Wettbewerbsrecht 17f; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht**2 II 23f; Fitz/Gamerith, Wettbewerbsrecht 14; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht19, EinlUWG Rz 208; SZ 61/193 - Camel; MR 1990, 99 - Master-Monster; ÖBl 1991, 237 - Ski-Kindergarten; zuletzt etwa MR 1996, 156 = ÖBl 1996, 234 = RdW 1996, 408 = WBl 1996, 373 - Zimmerpreisliste).

Auch der Staat, die Länder, die Gemeinden und die sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind grundsätzlich den Vorschriften des Wettbewerbsrechtes unterworfen. Wird die öffentliche Hand privatwirtschaftlich tätig, dann stellt sie sich damit den privaten Mitbewerbern gleich und hat dieselben Rechte, aber auch dieselben Pflichten wie diese; Hoheitsakte sind hingegen niemals Wettbewerbshandlungen (Hohenecker/Friedl aaO 18; Koppensteiner aaO

25; Fitz/Gamerith aaO; ÖBl 1990, 55 = ÖBA 1990, 129 = WBl 1990, 113 -

PSK; ÖBl 1993, 207 = ecolex 1993, 759 = WBl 1993, 405 -

Zivilschutzverband; s aber Baumbach/Hefermehl aaO EinlUWG Rz 245, wonach eine hoheitliche Betätigung das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung nicht auszuschließen braucht). Tritt der Staat (oder eine sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaft) nicht als Träger seiner hoheitlichen Befugnisse (dh mit "imperium") auf, sondern bedient er sich der Rechtsformen, die auch dem Rechtsunterworfenen zur Verfügung stehen - also etwa des Vertrages -, dann handelt er, auch wenn er nicht nach Gewinn strebt, im geschäftlichen Verkehr (ecolex 1993, 759 = ÖBl 1993, 207 = WBl 1993, 405 - Zivilschutzverband; MR 1996, 156 = ÖBl 1996, 234 = RdW 1996, 408 = WBl 1996, 373 - Zimmerpreisliste; ÖBl 1996, 241 = WBl 1996, 501 - Forstpflanzen).

Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs setzt nach herrschender Ansicht ein Wettbewerbsverhältnis und eine Wettbewerbsabsicht voraus. Ein Wettbewerbsverhältnis besteht in erster Linie zwischen Unternehmern, die sich an einen im wesentlichen gleichen Kreis von Abnehmern wenden. Die Wettbewerbsabsicht wird vermutet, wenn die Handlung der Förderung des eigenen Wettbewerbs dient und objektiv den Charakter einer Wettbewerbshandlung hat (Fitz/Gamerith aaO 14f; s auch Hohenecker/Friedl aaO 18f; Baumbach/Hefermehl aaO EinlUWG Rz 214ff; ÖBl 1996, 237 - Anstaltsapotheke II). Bei der Förderung fremden Wettbewerbs ist die Wettbewerbsabsicht nicht zu vermuten, sondern vom Kläger zu beweisen (stRsp ua ÖBl 1991, 237 - Ski-Kindergarten mwN). Der Nachweis erübrigt sich, wenn die Wettbewerbsabsicht offenkundig ist (ÖBl 1996, 241 = WBl 1996, 501 - Forstpflanzen).

Das Presseförderungsgesetz 1985, BGBl 1985/228, legt fest, unter welchen Voraussetzungen den österreichischen Tages- und Wochenzeitungen die allgemeine Förderung und die besondere Förderung zur Erhaltung der Medienvielfalt zu gewähren sind. Damit regelt das Presseförderungsgesetz einen Bereich, der vom Regelungsbereich des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb völlig verschieden ist. Die vom Berufungsgericht angenommene Gesetzeskonkurrenz besteht demnach nicht.

Es ist daher zu prüfen, ob mit dem von der Klägerin behaupteten Gesetzesverstoß sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG gehandelt wird. Dafür genügt es nicht, daß die Presseförderung Teil der Privatwirtschaftsverwaltung ist und die Presseförderung den Wettbewerb beeinflußt; die Bundesregierung muß in der Absicht handeln, fremden Wettbewerb zu fördern.

Diese Absicht folgt nicht schon allein daraus, daß die Förderung die Wettbewerbsposition des geförderten Unternehmens stärkt. Aufgabe der Bundesregierung und der sie unterstützenden Presseförderungskommission ist es, das Presseförderungsgesetz zu vollziehen; daß damit eine über die Vollziehung hinausgehende Absicht verbunden wäre, folgt weder aus dem Gesetzeszweck noch kann die Klägerin auf einen sonstigen Anhaltspunkt für eine derartige Annahme verweisen.

Der Klägerin wäre aber auch dann nicht geholfen, wenn sie das von ihr behauptete Handeln in Wettbewerbsabsicht bewiesen hätte. Ein Gesetzesverstoß ist nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn die Auffassung des Beklagten über die Auslegung der verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann (stRsp SZ 56/2 = ÖBl 1983, 40 - Metro-Post I; ÖBl 1986, 121 - ORF-Reiseclub uva).

Das trifft hier zu: Die Auffassung der Bundesregierung, daß "jährlicher Seitenumfang" in § 7 Abs 2 Z 6 PFG 1985 die Mutationsseiten nicht umfasse, ist durch das Gesetz jedenfalls so weit gedeckt, daß sie mit gutem Grund vertreten werden kann.

Die Klägerin will ihren Unterlassungsanspruch auch damit begründen, daß sie die Verfassungswidrigkeit des Presseförderungsgesetzes 1985 behauptet. Sie übersieht dabei, daß auch verfassungswidrige Gesetze bis zu ihrer Aufhebung bindend sind. Die (richtige) Anwendung eines wenn auch verfassungswidrigen Gesetzes kann daher nie gegen § 1 UWG verstoßen, gründet sich das von der Klägerin angestrebte Sittenwidrigkeitsurteil doch gerade darauf, daß gesetzliche Bindungen mißachtet werden, um einen Vorsprung vor den gesetzestreuen Mitbewerbern zu erlangen.

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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