Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte hat am 4.4.1973 als Vertreter der S*** F*** H*** AG & Co in Witzenhausen/BRD (kurz Firma S***) die D*** & W*** AG beauftragt, den ersten
Bauabschnitt einer Papierfabrik zu errichten, und dabei vereinbart, daß die D*** & W*** AG 10 % der Nettoauftragssumme an die N*** AG, Glarus/Schweiz, überweise, ohne daß diese Firma dafür eine Gegenleistung hätte erbringen sollen; die dadurch entstandenen Mehrkosten sollten durch überhöhte Baupreise hereingebracht werden. Der Beklagte hat in der Folge zahlreiche um 10 % überhöhte Rechnungen der D*** & W*** AG genehmigt und die
entsprechenden Zahlungsanweisungen erteilt. Auf Grund dieser "10 % Abrede" überwies die D*** & W*** AG an die N*** AG in der Zeit vom 3.4.1974 bis 14.11.1975 insgesamt DM 2,756.500,--; in diesem Umfang hat die Firma S*** überhöhte Rechnungen gezahlt. Da sie - zum Teil bereits unter der 1980 geänderten Firma "P*** W*** S*** P*** GmbH & Co" - dafür
Bankkredit in Anspruch genommen und für diesen bis 31.3.1981 DM 1,383.563,25 Zinsen gezahlt hat, beträgt ihr Gesamtschaden DM 4,139.563,25.
In einem von der "P*** W*** S***
P*** GmbH & Co" gegen die mitverantwortliche D*** & W*** AG beim Landgericht München I angestrengten Schadenersatzprozeß wurden die noch offenen Ersatzansprüche der Klägerin mit DM 2,476.702,-- verglichen. Die D*** & W*** AG hat den Vergleich in der Folge erfüllt. Nach der Tilgung der bis 31.3.1981 aufgelaufenen Zinsen verblieb noch ein ungedeckter Schaden von DM 1,662.861,25.
Die "10 %-Abrede" wurde von den Beteiligten vertraulich behandelt und war innerhalb der Firma S*** zunächst nicht weiter bekannt. Die Klägerin - als Gesamtrechtsnachfolgerin der "P*** W*** S*** P*** GmbH & Co" - erfuhr
davon erst im Jahr 1978 im Zuge der schon seit 1976 wegen einer Reihe von Fakten durchgeführten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kassel. Am 22.11.1976 erging gegen den Beklagten ein Haftbefehl. Die Firma S*** wußte damals zwar von den Ermittlungen gegen den Beklagten, nicht aber von den verfahrensgegenständlichen Vorgängen. Der Beklagte war in den Jahren 1977 bis 1981 ständig in Österreich, in der Schweiz, in Kanada und in den USA unterwegs und verwendete dabei stets Falschnamen; sämtliche Fahndungsmaßnahmen blieben erfolglos. Im Jahre 1978 war der Beklagte im Zuge einer beabsichtigten Firmengründung zwar in Antau/Burgenland gemeldet, hielt sich dort aber nur einige Male kurz auf. Am 23.4.1982 wurde der Beklagte in Wien verhaftet, am 30.4.1982 jedoch wieder enthaftet. Danach war der Beklagte wieder unbekannten Aufenthaltes. Nachdem gegen ihn auch in Österreich ein Strafverfahren eingeleitet worden war, wurde der Beklagte am 26.1.1984 neuerlich verhaftet. Die Klägerin hatte seit dem Jahr 1978 laufend versucht, den Aufenthalt des Beklagten ausfindig zu machen, und mit den Ermittlungsbehörden Kontakt gehalten; sie hatte auch private Ermittlungen nach dem Aufenthalt des Beklagten durchgeführt, die jedoch ebenfalls erfolglos geblieben waren.
Der Beklagte wurde mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 24.4.1985 des Verbrechens der Untreue schuldig erkannt und zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Klägerin hatte sich diesem Strafverfahren am 21.12.1984 mit einer Schadenersatzforderung von DM 2,161.446,62 als Privatbeteiligte angeschlossen. Mit ihrer am 15.7.1985 - beim Landesgericht Eisenstadt eingebrachten und von diesem an das Erstgericht überwiesenen - Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von DM 1,662.861,25 s. A. Zur Begründung ihres Schadenersatzanspruches stützte sich die Klägerin im wesentlichen auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beklagten. Der Anspruch sei nicht verjährt, weil sie erst 1978 von dem Schaden und der Person des Beklagten als Schädiger erfahren habe. Trotz aller zumutbaren Maßnahmen sei es ihr nicht möglich gewesen, den Aufenthalt des Beklagten zu ermitteln. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und wendete primär Verjährung ein: Die Klägerin hätte schon im Jahre 1976 von den wesentlichen Umständen erfahren können, entsprechende Ermittlungen aber schuldhaft unterlassen. Der Beklagte habe sich nie auf der Flucht befunden, sondern sei stets aufrecht gemeldet gewesen. Im Jahre 1977 habe die Klägerin mit der Staatsanwaltschaft Kassel Gespräche geführt; dabei hätte sie erfahren können, daß sich der Beklagte in Österreich aufgehalten habe. Auch von seiner ersten Verhaftung habe die Klägerin Kenntnis erhalten. Weiters erhob der Beklagte einen Mitverschuldenseinwand, der aber nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Der (außervertragliche) Schadenersatzanspruch sei nach deutschem Recht zu beurteilen, weil der Beklagte die schädigenden Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland begangen habe. Auf Grund des bindenden strafgerichtlichen Erkenntnisses hafte der Beklagte der Klägerin für den Schaden, der nach den Leistungen der mitverantwortlichen D*** & W*** AG ungedeckt geblieben sei. Der Schadenersatzanspruch sei auch nicht verjährt: Nach § 852 Abs 1 BGB verjähre der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in 3 Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte vom Schaden und von der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat. Der Geschädigte müsse auf Grund seiner Kenntnisse in der Lage sein, gegen eine bestimmte Person erfolgversprechend Klage zu erheben; erst dann beginne die Verjährungsfrist zu laufen. Die Verjährungsfrist habe frühestens mit dem 26.1.1984 - dem Zeitpunkt der zweiten Verhaftung des Beklagten - begonnen. Vorher sei der Beklagte flüchtig gewesen. Der Klägerin sei es bis dahin auch nicht möglich gewesen, seinen Aufenthalt zu ermitteln. Die kurze Haftzeit vom 23.4. bis 30.4.1982 habe für die Zustellung einer Klage nicht ausgereicht.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es verneinte das Vorliegen von Mängeln des Verfahrens erster Instanz, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes im wesentlichen bei. Aus der fünfjährigen Verjährungsfrist für Ersatzansprüche aus einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers einer Gesellschaft m.b.H. gemäß § 43 Abs 4 dGmbHG sei für den Beklagten gleichfalls nichts zu gewinnen, weil sich die Verjährung nach § 852 BGB richte, wenn die Pflichtverletzung zugleich eine unerlaubte Handlung gegenüber der Gesellschaft gewesen sei; in diesem Fall könne der Anspruch so lange geltend gemacht werden, bis die im Einzelfall längere der beiden Verjährungsfristen abgelaufen sei.
Zu dem erstmals im Berufungsverfahren erhobenen Einwand, die Klägerin habe gegenüber der gesamtschuldnerisch mithaftenden D*** & W*** AG im Zuge des Vergleichsabschlusses auf den den Vergleichsbetrag übersteigenden Schadenersatzanspruch verzichtet, so daß in diesem Umfang auch der Beklagte von der Schadenersatzleistung frei sei, führte das Berufungsgericht aus, daß der Inhalt des Schulderlasses nach dem Vergleich nur Einzelwirkung gegenüber der D*** & W*** AG, nicht aber Gesamtwirkung auch auf das Schuldverhältnis zum Beklagten gehabt habe. Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Weder der gerügte Verfahrensmangel noch die gerügte Aktenwidrigkeit liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO); mit diesen Rechtsmittelausführungen bekämpft der Beklagte in Wahrheit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. In seiner Rechtsrüge wendet sich der Beklagte zunächst gegen die Ansicht der Vorinstanzen, daß der Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht verjährt sei. Nach § 852 BGB genüge es, daß der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht des Verantwortlichen bietet. Auf Grund ihrer engen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Kassel wäre die Klägerin schon im Jahr 1976 in der Lage gewesen, gegen den Beklagten vorzugehen. Der Klägerin wäre es auch ohne Mühe möglich gewesen, die Anschrift des Beklagten festzustellen; überdies hätte die Möglichkeit bestanden; an einer "deutschen Zustelladresse zivilrechtlich zu klagen". Auch während seiner ersten Haft vom 23.4. bis 30.4.1982 hätte die Klägerin klagen können. Schließlich habe sich das Berufungsgericht auch "mit der Bestimmung des § 43 dGmbHG nicht richtig auseinandergesetzt". Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden:
Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß aus unerlaubter Handlung entstehende Deliktsobligationen auch vor dem Inkrafttreten des IPRG nach dem Recht des Tatortes zu beurteilen waren (SZ 46/45; SZ 48/28; SZ 51/105); auch die Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus unerlaubten Handlungen richtet sich nach dem Deliktsstatut (ZVR 1979/73). Da der Beklagte die schädigenden Handlungen in der Bundesrepublik Deutschland begangen hat, ist für diese Frage somit das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht maßgebend.
Nach § 852 Abs 1 BGB verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens - abweichend von § 1489 ABGB, der (ua) bei einer Schädigung durch gerichtlich strafbare Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht wird, eine 30jährige Verjährungsfrist vorsieht - einheitlich in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an. Der Anwendungsbereich des § 852 BGB erstreckt sich auf alle Ansprüche aus §§ 823 ff BGB (Mertens in Münchner Kommentar zum BGB2 Schuldrecht Besonderer Teil 12 Rz 3 zu § 852), somit auch auf den Schadenersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schadenszufügung durch Mißbrauch der Vertretungsmacht zum Nachteil des Vertretenen (Mertens aaO Rz 136 f zu § 826). "Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen" ist dann gegeben, wenn der Anspruchsberechtigte den Hergang der Schädigung in seinen Grundzügen kennt und weiß, daß der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für eine Ersatzpflicht des Verantwortlichen bietet (Mertens aaO, Rz 9 zu § 852). Es ist jedoch positive Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erforderlich; daß der Verletzte diese Tatsachen hätte kennen müssen, reicht grundsätzlich nicht aus, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen (Mertens aaO Rz 11 zu § 852). Die Kenntnis der Person des Ersatzpflichtigen ist bereits dann gegeben, wenn dem Verletzten zwar Name und Adresse unbekannt sind, er aber in der Lage ist, sich diese ohne besondere Mühe und nennenswerten Kostenaufwand zu verschaffen (Mertens aaO Rz 28 zu § 852; Schäfer in Staudinger, BGB12 Rz 76 zu § 852; Zeuner in Soergel-Siebert, BGB11 Rz 16 zu § 852; sämtliche jeweils mit Judikaturhinweisen).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin erst im Jahr 1978 von der "10 %-Abrede" und damit davon Kenntnis erlangt, daß ihr der Beklagte, der sie beim Vertragsabschluß des Jahres 1973 vertreten hatte, einen Schaden zugefügt hatte. Soweit der Beklagte in der Revision behauptet, daß ihn die Klägerin deswegen schon im Jahr 1976 hätte belangen können, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Daß gegen den Beklagten auch wegen anderer Fakten ermittelt wurde, besagt nicht, daß die Klägerin auch die 10 %-Abrede gekannt hat. Darauf, daß die Klägerin vom Schaden hätte Kenntnis haben müssen, kommt es aber bei der Beurteilung der Verjährung nicht an. Der Beurteilung der Vorinstanzen ist auch darin beizupflichten, daß sich die Klägerin bis zur zweiten Verhaftung des Beklagten keine ausreichende Kenntnis von seiner Anschrift hätte verschaffen können, so daß der Lauf der Verjährungsfrist erst am 26.1.1984 beginnen konnte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die "Meldeanschriften" an, sondern darauf, ob die Klägerin ohne besondere Mühe Anschriften in Erfahrung hätte bringen können, an denen der Beklagte tatsächlich gewohnt hat; letzteres war nach den Feststellungen aber nicht der Fall. Der Beklagte war ab dem Jahre 1977 ständig in verschiedenen Staaten unterwegs, verwendete dabei Falschnamen und hielt sich an den Anschriften, an denen er gemeldet war, nicht oder nur kurzfristig auf. Internationale Fahndungen blieben bis zu seiner ersten Verhaftung am 23.4.1982 erfolglos. Während dieser nur sieben Tage dauernden Haftzeit wäre aber die Zustellung einer Schadenersatzklage nicht möglich gewesen. Auf die - mit dem Entstehen des Anspruches
beginnende - Verjährungsfrist von 5 Jahren für Ansprüche aus pflichtwidrigem Verhalten der Organe von Kapitalgesellschaften (§ 93 Abs 5 dAktG; § 43 Abs 4 dGmbHG) kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil der Beklagte die Firma S*** nicht als Organ der persönlich haftenden Gesellschafterin vertreten hatte (Seite 3 des Urteils im Band XI ON 113 des Strafaktes; Handelsregisterauszüge in Band IV ON 67 des Strafaktes).
Zutreffend sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Schadenersatzklage innerhalb offener Verjährungsfrist angebracht wurde.
Auf die weiteren Revisionsausführungen, wonach der mit der zur ungeteilten Hand mithaftenden Mittäterin im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches vereinbarte Nachlaß auch gegenüber dem Beklagten wirke, ist nicht weiter einzugehen, weil sich der Beklagte im Verfahren erster Instanz weder auf diesen Vergleich noch darauf berufen hat, daß die vergleichschließenden Parteien den Nachlaß auch auf ihn hätten erstrecken wollen (§ 504 ZPO).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revision des Beklagten gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
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