OGH 4Ob57/17m

OGH4Ob57/17m28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer, Linz, Gruberstraße 21, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. S***** E*****, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 21.600 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2017, GZ 6 R 208/16z‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00057.17M.0328.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die klagende Rechtsanwaltskammer ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß § 22 RAO, der gemäß § 23 RAO unter anderem die Wahrung der Rechte des Rechtsanwaltsstands obliegt. Der Beklagte war von November 1989 bis zu der am 8. 5. 2015 wegen einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe erfolgten Streichung in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Bereits mit Beschluss vom 26. 7. 2012 war dem Beklagten die Ausübung der Rechtsanwaltschaft vorläufig untersagt worden.

Der Beklagte, der sich im Rubrum des im gegenständlichen Verfahren am 19. 1. 2016 eingebrachten vorbereitenden Schriftsatzes selbst als „Rechtsanwalt“ bezeichnete und der aufgrund der von ihm angeführten und nicht korrigierten Daten auf einer Internetseite (einer Art elektronischen Branchenverzeichnisses) als Rechtsanwalt aufscheint bzw sich im sozialen Netzwerk „Xing“ als Rechtsanwalt deklariert, trat auch nach seiner Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte zumindest in einem Zivilverfahren (Pflegschaftsverfahren beim Bezirksgericht Steyr), bei dem relative Anwaltspflicht bestand, als Vertreter auf. Gegenstand der Verhandlung am 22. 5. 2015 waren zwei (erst) im Jahr 2014 eingeleitete Verfahren wegen Obsorge und Kontaktrecht, wobei der Pflegschaftsakt bereits 2011 eröffnet wurde. Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Steyr wurde die Vertretung durch den Beklagten zurückgewiesen.

Im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens untersagten die Vorinstanzen dem Beklagten, die einem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben, sich als „Rechtsanwalt“ gegenüber Dritten zu bezeichnen und ermächtigten die klagende Partei zur Urteilsveröffentlichung.

In seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 In einem Verfahren über die Obsorge oder die persönlichen Kontakte können sich die Parteien nach § 107 Abs 1 Z 1 AußStrG nur durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Diese Bestimmung idF KindNamRÄG 2013 ist nach § 207i Abs 3 Satz 2 AußStrG auf Verfahren anzuwenden, in denen der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. Jänner 2013 bei Gericht angebracht wurde.

1.2 Der Senat hat bereits im Provisorialverfahren unter Hinweis auf aktuelle Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass auch ein Antrag nach mehreren entschiedenen Voranträgen in einem bereits eröffneten Pflegschaftsakt („nachfolgender Antrag“) als verfahrenseinleitend qualifiziert werden kann. In 5 Ob 163/11y wurde etwa ein Antrag auf Obsorgeentziehung als „verfahrenseinleitend“ beurteilt, obwohl dem mehrere (bereits erledigte) Anträge in einem Pflegschaftsakt vorausgingen, der Jahre zuvor eröffnet worden war (ebenso 10 Ob 29/12f zur vergleichbaren Bestimmung des § 37 Abs 2 UVG).

1.3 Die Vorinstanzen stellten fest, dass das Obsorge- und das Kontaktrechtsverfahren erst im Jahr 2014 eingeleitet wurde. Die daran anknüpfende Rechtsansicht des Rekursgerichts, es sei daher nicht auf die Eröffnung des Pflegschaftsaktes im Jahr 2011, sondern auf den Zeitpunkt der Einleitung jener Verfahren abzustellen, die beim Auftreten des Beklagten als „Bevollmächtigter“ noch Gegenstand des Pflegschaftsverfahrens waren, entspricht der Rechtsansicht des Senats im Verfügungsverfahren und deckt sich mit der referierten Rechtsprechung. Die bereits hinreichend geklärte Rechtsfrage kann daher die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen.

2. Auch die Frage, ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, bildet – von einer groben Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0079820 [T20]). Für seine Behauptung eine Urteilsveröffentlichung in Fachzeitschriften für Richter und Rechtsanwälte habe „mit den beteiligten Verkehrskreisen keine Berührung“, bleibt der Beklagte jede Begründung schuldig.

3. Die Mangelhaftigkeit wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die vom Beklagten in der Revision gerügten Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens wurden vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt und können daher nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).

4. Die außerordentliche Revision des Beklagten war daher zurückzuweisen.

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